KURIER: Wie war Ihre Kindheit in dieser Familie?
Anjelica Huston: Ich habe die gesamten Teenager-Jahre darum gerungen, meine Stimme zu finden. Ich lerne immer noch gelegentlich, mit jener Stärke zu reagieren, die ein Mann für selbstverständlich hält. Ich war ein sehr einsames Kind. Ich bin in Irland aufgewachsen und hatte große Träume. Aber wie bei so vielen Kindern wurden meine Träume oft von Erwachsenen kaputtgemacht: "Das schaffst du ohnehin nicht, das kannst du nicht." Zum Glück habe ich dagegen rebelliert: "Ach, wirklich? Wartet mal ab!"
Ihr Vater John Huston (Regie bei "Die Spur des Falken", "African Queen" oder "Die Ehre der Prizzis") war überlebensgroß – wie hat er Sie beeinflusst?
Er war warmherzig, großzügig, leidenschaftlich und er hatte eine ungeheure Präsenz. Er liebte gute Geschichten und konnte sich komplett in sie einfühlen. Das Leben mit ihm war stets ein Abenteuer. Und ja, er hat auch meinen Männergeschmack sehr geprägt. Er war schwierig und eine Herausforderung für seine Umwelt wie die meisten interessanten Menschen. Mich haben immer nur starke, herausfordernde Männer gereizt. Jack (Nicholson, Anm.) war da beileibe nicht der einzige.
Warum hieß Ihre Biografie "Das Mädchen im Spiegel"?
Weil ich als kleines Mädchen oft in den Spiegel schaute. Der hing in einem Raum mit ganz vielen Büchern. Und im Spiegel sah ich immer das Buch "The Addams Family" – es hat mich fasziniert, besonders die Morticia. Ich schnitt Grimassen, machte "Morticia-Augen". Deshalb der Titel (sie spielte die Rolle dann tatsächlich 1991 und 1993, Anm.).
Und wie war der Umzug von Irland nach Hollywood?
Ich war jung und fand das ganz toll. Los Angeles in den 1970ern war das Coolste überhaupt. Wir wohnten in den Pacific Palisades mit meiner Stiefmutter, der fünften Frau, die mein Vater kurz davor geheiratet hatte. Innerhalb von drei Monaten traf ich Jack Nicholson – und wir begannen unsere lange Beziehung. Ich war sehr ambivalent, was das betraf, denn Jack stand schon damals sehr im Rampenlicht, und ich bin eher scheu, habe aber auch eine exhibitionistische Seite. Doch mit der konstanten Aufmerksamkeit musste ich erst umgehen lernen.
Wie stehen Sie heute zu ihm?
Wir waren 17 Jahre zusammen, mit kleinen Unterbrechungen. Es gab oft heftigen Streit, aber er hatte großen Einfluss auf mein Leben und die Person, die ich heute bin. Und: Wir sind einander immer noch in tiefer Freundschaft verbunden.
Wer war der erste Star, den Sie kennenlernten?
Ava Gardner in Mailand – mein Vater führte da Regie bei einer Oper. Sie hat mir ungeheuer imponiert. Sie trug ein türkises Kleid, einen weißen Pelz und hatte mehr Diamanten um, als ich je gesehen hatte. Atemberaubend. Der zweite war Marlon Brando. Marilyn Monroe habe ich nie getroffen. Als mein Vater "Nicht gesellschaftsfähig" ("The Misfits", 1961) machte, lebte ich noch in Irland. Marilyn repräsentiert die stärkste und zugleich verletzlichste Frau in Amerika – bis heute weiß keiner, ob sie dumm oder klug, ob sie eine Frau nur für Männer oder eine gute Freundin war. Ein Mysterium.
Was war der beste Rat, den Sie je erhielten?
Dass nach jedem Gipfel ein Tal kommt. Das ist wichtig, nicht nur in meinem Beruf, sondern überhaupt im Leben. Wenn du ganz oben bist, wird es irgendwann bergab gehen, aber wenn du ganz unten bist, kann es nur besser werden.
Ihren Großvater Walter Huston ("Der Schatz der Sierra Madre") kannten Sie nicht mehr.
Er starb ein paar Jahre vor meiner Geburt. Ich habe ihn nur durch Erzählungen kennengelernt. Mein Vater und er waren sehr, sehr eng.
Was haben Sie mit Vater und Großvater gemeinsam?
Ich liebe Martinis! Und ich raste schnell aus. Dagegen haben meine frühen Erinnerungen an meine Mutter (Tänzerin Enrica Soma, 1969) mit Musik zu tun. Sie spielte alles, von Belafonte über Piaf bis zu Billie Holiday. In den 1960ern traf ich Stones und Beatles in London. Heute mag ich Adele.
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