Steve Schapiro: Gesichter mit Geschichte

Protestmarsch von Selma nach Montgomery, 1965; Copyright: © 2017 Steve Schapiro
Kennedy, Martin Luther King, Robert De Niro - Steve Schapiro fotografierte sie alle. Der 83-Jährige sprach mit der FREIZEIT über die große Zeit des Fotojournalismus.

Der amerikanische Traum ist üblicherweise grell und schrill, vor allem aber schön bunt. Wenig überraschend also, dass der Schweizer Fotograf Robert Frank 1955 für seine legendäre Serie „Die Amerikaner“ keinen Farbfilm verwendet hat. Er wollte die Wirklichkeit zeigen, keine Blendung. Genauso verhielt sich Steve Schapiro, als er Mitte der 1960er-Jahre im US-Bundesstaat Alabama den Protestmarsch schwarzer US-Amerikaner von Selma nach Montgomery dokumentierte.

Der entscheidende Augenblick

Schapiros größtes Vorbild ist mit Henri Cartier-Bresson der Mitbegründer der Foto-Agentur Magnum. Seine Theorie des „entscheidenden Augenblicks“ sollte in die Fotografiegeschichte eingehen. Schapiro drückte gleich in mehreren historischen Augenblicken auf den Auslöser, wie er der FREIZEIT zu erzählen wusste ...

FREIZEIT: Mr.Schapiro, von Ihnen stammen einige der maßgeblichsten Fotos der 1960er- und 1970er-Jahre. Etwa von den Kennedys, von Martin Luther King oder von Robert De Niro als "Taxi Driver". War Ihnen damals bewusst, dass Ihre Fotos zu Ikonen werden würden?

Steve Schapiro: Nein, in dem Moment nicht. Zu dieser Zeit beschlich einen als Fotograf nur ein Gefühl: die Hoffnung, dass dieses Bild von der Zeitschrift, von der man den Auftrag hatte, in der kommenden Woche auch veröffentlicht wird. Man verschoss schließlich ein paar Rollen Film. Und das kostete. Darüberhinaus dachte man nicht, echt nicht.

Sie waren in vielen unterschiedlichen Bereichen tätig. Sie fotografierten sowohl die New Yorker Rockband Velvet Underground als auch Politiker wie Robert Kennedy oder den legendären Protestmarsch der US-Bürgerrechtsbewegung von Selma nach Montgomery. Waren Sie keinem bestimmten Ressort zugehörig?

Nein, und darüber war ich sehr froh. So schaffte ich es, eine große Bandbreite an Fotos machen zu können. Heute ist der Job eintöniger. Die Sixties werden auch als das „Golden Age des Fotojournalismus“ bezeichnet. Das gibt es in diesem Sinne heute nicht mehr. Wir konnten uns noch auf vielen, vielen Seiten ausbreiten - ein Traum für jeden Fotojournalisten.

Mit all den Smartphones und der massenhaften Verbreitung von digitalen Kompaktkameras wurde der Job nicht einfacher, oder?

Das Voranschreiten der Technologie bewirkt, dass die Qualität der Bilder immer besser wird. In dem Gewerbe hat sich wirklich alles rapide geändert. Alles ist jetzt digital und bunt. Ich meine aber, bestimmte Gefühle zeigen sich besser in Schwarz und Weiß.
Sie fotografierten neben Film- oder Musikstars auch viele Politiker, etwa die Kennedys. Haben Sie je auch ein Foto des amtierenden
US-Präsidenten Donald Trump geschossen?

Nein, das habe ich nicht. Und das würde ich auch nicht machen.

Aus welchem Grund? Haben Politiker von heute nicht mehr ,the Look’?

Zu meiner Zeit hatten sie ein großes Charisma und verströmten auch viel Positives. Diese Gefühle trugen schließlich auch dazu bei, dass sich Amerika veränderte.
Haben Sie selbst auch das Gefühl, dass Sie mit Ihren Reportagen Geschichte schrieben?

Sagen wir so: Ich befand mich am Puls der Zeit und zeichnete den Lauf der Geschichte auf.
Sie waren Zeitzeuge der Bürgerrechtsbewegung, der Vietnamproteste und der Hippie-Bewegung. Ist es heute im Vergleich dazu langweilig geworden?

Nein, es ist niemals langweilig. Es kommt darauf an, wie man die Zeit betrachtet und aus welchem Blickwinkel. Die Sixties waren außerordentlich aufregend. Aber die Konflikte zwischen Ländern, Kulturen und Religionen sind seither nicht weniger geworden.
Sind Sie noch aktiv als Reportagefotograf?
Ja, ich habe eben erst ein Projekt über ein Hilfsprojekt in Chicago beendet.
Sie fotografierten Stars, Politiker und ganz normale Menschen Welches Gesicht erzählt die stärksten Geschichten?
Unsere Gesichter erzählen alle eine spezielle Geschichte.

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