Wo Europa doch noch Weltmacht ist
Es braucht nicht das legendäre Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro oder den berühmten Sand der Copacabana, um „jogo bonito“, das schöne Spiel der Brasilianer, zu bewundern. Es braucht noch nicht einmal den Fußball.
Wer in den vergangenen Tagen nach Deutschland blickte, der staunte nicht schlecht, was die Seleção, wohlgemerkt jene der Handballer, auf das Parkett zauberte. Mit Serbien, Russland und zuletzt sogar Kroatien düpierten die Brasilianer gleich drei Schwergewichte des europäischen Handball-Sports.
Am Mittwoch geht es für Brasilien zum Abschluss der Hauptrunde gegen Island um ein erfolgreiches Ende eines aus ihrer Sicht grandiosen WM-Turniers, in dem die Südamerikaner die größte, aber auch die einzig echte Überraschung gewesen sind.
Wie so oft machen sich die Europäer auch bei der 26. Weltmeisterschaft der Handballer die Medaillen untereinander aus. In der mittlerweile 81-jährigen WM-Geschichte ging nur ein einziger Podestplatz an ein Team außerhalb Europas: 2015 überraschte Gastgeber Katar mit vielen eingebürgerten Profis die Handball-Welt und gewann Silber.
Olympia-Status ist in Gefahr
Durchaus mit Sorge verfolgen die Verantwortlichen der internationalen Handball-Föderation (IHF) diese Dominanz. Der Status als olympische Sportart ist in Gefahr. In Asien und Nordamerika fristet das Spiel ein Schattendasein. Mittlerweile kommen aber zwei von drei Olympia-Sponsoren aus den USA.
Der Handball-Sport stellt jedoch keine Ausnahme dar. In den großen Teamsportarten gibt Europa ganz klar das Tempo vor. Zwar sorgen die Weltverbände mit Startplatzkontingenten für ein heterogenes Starterfeld bei ihren WM-Turnieren. Sobald aber die erste Turnierphase absolviert ist, dominieren Europas Auswahlen.
Von Krisenstimmung ist bei der laufenden Handball-WM nichts zu spüren oder zu hören. Täglich erreichen die Öffentlichkeit aus den Gastgeberländer Deutschland und Dänemark, zwei Gründungsmitglieder des ersten internationalen Handball-Verbandes, neue Rekordmeldungen.
10,02 Millionen Zuseher verfolgten Montagabend im ZDF den Halbfinaleinzug der Deutschen. Die Arenen in den sechs Spielorten waren bereits vor Vorrundenbeginn zu 93 Prozent ausverkauft. Mit 757.000 Mitgliedern ist der deutsche DHB nicht nur der größte Handball-Verband der Welt, das Spiel ist in Deutschland der beliebteste Teamsport hinter Fußball.
In den kleinen Provinzstädten ist die Begeisterung enorm. Doch für die ganz großen Geldgeber ist das Interesse an traditionsreichen Bundesliga-Städten wie Göppingen oder Lemgo überschaubar.
"Niemand mag Norwegen"
In Dänemark genießen die Handballer gar Volkshelden-Status. Vor dem letzten Hauptrunden-Spieltag, an dem Dänen, Schweden und Norweger noch um die letzten beiden Halbfinal-Tickets kämpfen, beschwört Dänemarks Teamspieler Henrik Møllgaard nun den Nationalstolz: „Wir werfen Norwegen gerne raus. Niemand mag Norwegen.“
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