Wolfgang Kindl - der unterschätzte Eis-Eilige
Wenn sich Wolfgang Kindl alles zu Herzen genommen hätte, was über ihn gesagt wurde, dann hätte er seine Rodel-Karriere längst auf Eis legen und die Finger vom Pratzeln lassen müssen. Was hatte er sich in jungen Jahren nicht alles anhören müssen: Er habe nicht die passende Figur für einen Rodler, er sei am Start viel zu schwach, selbst der heutige Verbandspräsident Markus Prock hatte lange Zeit unverhohlen gemeint, dass Wolfgang Kindl auf Grund seiner körperlichen Defizite im Eiskanal nicht zu Höherem berufen sei. „Klar habe ich mitbekommen, was über mich alles geredet worden ist“, sagt der Tiroler.
Heute kann der 30-Jährige über all diese Expertisen und Prophezeiungen längst schmunzeln. In den vergangenen Jahren ist Kindl mit seinen Skeptikern ordentlich Schlitten gefahren. Erst wurde er Doppelweltmeister im Einsitzer und im Sprint (2017 in Igls), nun führt er nach drei Saisonsiegen souverän den Weltcup an und rodelt dem ersten österreichischen Gesamtsieg seit 2003 ( Markus Kleinheinz) entgegen.
Mit Fahrgefühl
Der Erfolg des Rodlers aus Natters bei Innsbruck ist nicht zuletzt auch ein Triumph über die Vorurteile der anderen und die eigenen Handicaps. Mit einer Größe von 1,66 Metern ist Kindl einer der Kleinsten im Feld und daher beim Startmanöver naturgemäß gegenüber größeren Athleten benachteiligt. Dieses Manko macht der Routinier allerdings in der Bahn durch sein Fahrgefühl und die Linienwahl mehr als nur wett. Kaum einer beherrscht die hohe Kunst des Kunstbahnrodelns so perfekt wie der 30-Jährige. „Es sieht so aus, als wäre ich in der Bahn im Moment der Schnellste“, meint Kindl, „ich glaube, dass ich das beste aus meinen Möglichkeiten heraus hole.“
Mit Ausdauer
Spät aber doch belohnt sich der Tiroler nun auch für seine Ausdauer und Zähigkeit. Wolfgang Kindl musste fast 27 Jahre alt werden, ehe er 2015 den ersten Weltcupsieg einfuhr. In den Jahren zuvor hatte er nicht nur einmal daran gedacht, den Eiskanal zu verlassen und ein geregelteres Leben zu führen. „Weil der Aufwand nicht dafür steht“, erinnert sich der Doppelweltmeister von Innsbruck-Igls.
Obwohl die Saison lediglich von Dezember bis Februar dauert, trainieren die Kunstbahnrodler das gesamte Jahr über. Den ganzen Sommer verbringen sie in der Kraftkammer, um am Start vielleicht eine Hundertstelsekunde schneller zu werden. Für den großen körperlichen Einsatz macht sich der Ertrag vergleichsweise bescheiden aus. Für den Sieg in Calgary bekam Kindl 1400 Euro, „reich wird man als Rodler sicher nicht.“
Aber darum geht’s Wolfgang Kindl auch nicht. Viel wichtiger als das Preisgeld sind ihm die Emotionen, die er bei der Zieldurchfahrt erlebt, wenn auf der Anzeigetafel der Einser aufleuchtet. Im Idealfall auch am Ende der Saison. „Ich will diesen Gesamtweltcupsieg unbedingt“, sagt Kindl.
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