Nach 30-Millionen-Euro-Umbau: Eiskanal in Igls ist zu gefährlich
Wolfgang Kindl beklagt sich über den Eiskanal in Igls
Es hört sich im ersten Moment an wie eine Erzählung aus Schilda, dieser fiktiven Stadt, in der alles schiefläuft, was nur schieflaufen kann. Nur mit dem großen Unterschied, dass dieser Schildbürgerstreich bittere Realität ist. Da wird die Bob- und Rodelbahn in Innsbruck-Igls um 30 Millionen Euro umgebaut und dann stellt sich heraus: Die Bahn ist zu gefährlich, die Sportler sind zu großen Risiken ausgesetzt.
Schon als bekannt wurde, wie teuer der notwendige Umbau des Eiskanals in Igls sein würde, hatte es vielerorts heftige Kritik gegeben. 30 Millionen Euro in Zeiten wie diesen in eine Bob- und Rodelbahn zu investieren, halten manche für sinnlose Geldverschwendung.
Harte Bandagen
„Für uns war es unfahrbar.“ Zu diesem vernichtenden Urteil kam Wolfgang Kindl nach den ersten Testläufen im renovierten Eiskanal. Und der Rodel-Doppelweltmeister sprach stellvertretend für all seine Kollegen, die den millionenteuren Umbau allesamt mit Kopfschütteln quittieren.
Rodel-Routinier Wolfgang Kindl nimmt seine fünften Olympischen Spiele ins Visier
Bereits am Sonntag hatten Österreichs Rodler die Bahn schon nach neun Testfahrten wieder verlassen. Kaum jemand war ohne harten Einschlag in die Bande durch die neu angelegten Kurvenpassagen im Schlussteil gekommen. „In der Zielkurve fehlt der Platz. Da drückt es einen gegen die Bande und du kannst es nicht verhindern oder korrigieren“, erklärt Kindl.
Keine Kontrolle
In der Nacht auf Montag waren zahlreiche Bahnexperten und auch Trainer im Einsatz, um die gefährlichen neuen Abschnitte zu entschärfen. An manchen Stellen wurde Eis weggehobelt, an anderen Passagen wiederum die Eisschicht erweitert. Der erhoffte Effekt blieb aus: Am Montag war schon nach fünf Läufen Schluss. „Es war zwar besser als am Sonntag, aber immer noch nicht so, dass es funktioniert und kontrollierbar ist“, erklärt David Gleirscher, der Olympiasieger von 2018.
Wenn schon Rodel-Stars wie Kindl und Gleirscher in dem neuen Abschnitt an ihre Grenzen stoßen, wie sollen dann deutlich unerfahrenere Sportler den Eiskanal in Igls unfallfrei meistern?
Unzumutbare Aufgabe
Die Rodler erreichen Geschwindigkeiten bis zu 140 km/h und können schnell einmal zum Spielball der Fliehkräfte werden. Der 38-jährige Kindl hat miterlebt, als bei den Winterspielen in Whistler Mountain (2010) ein georgischer Rodler aus der Bahn geschleudert wurde und tödlich verunglückte. „Wenn wir hier nicht sauber runterkommen, ist es unerfahreneren Rodler definitiv nicht zumutbar“, sagt der Routinier.
Dabei waren die österreichischen Rodler bei ihren misslungenen Testfahrten nicht einmal von ganz oben unterwegs, sondern benützten den alten Damenstart. „Da fehlen dann 30 km/h“, sagt David Gleirscher. Sein Teamkollege Wolfgang Kindl spricht offen von einer „Fehlkonstruktion“, die durchaus zu vermeiden gewesen wäre. Denn etliche Athleten und Experten hatten schon während des Umbaus laut ihre Bedenken geäußert. „Es ist ärgerlich, weil im Vorfeld expliziert darauf hingewiesen wurde“, sagt der österreichische Rodel-Cheftrainer Christian Eigentler.
Die sündteure und vielerorts umstrittene Renovierung des Eiskanals war deshalb notwendig geworden, weil die Olympiabahn nicht mehr den heutigen Anforderungen für Bobbewerbe entsprach.
Für die schweren Schlitten war der Zielauslauf zu kurz geworden.
Rodler Wolfgang Kindl ist der Ansicht, dass man sich den ganzen neuen Schlussabschnitt sparen hätte können. Ein längerer und sichererer Zielauslauf hätte es in seinen Augen auch getan. „Es wurde viel zu viel umgebaut, deutlich mehr als notwendig gewesen wäre.“
Enges Zeitfenster
Nach dem Abbruch der Tests drängt die Zeit. Denn die renovierte Bahn muss homologiert, also offiziell vom Bob-, Skeleton- und Rodelweltverband abgenommen werden, ehe Rennen stattfinden können.
Der Bob-Weltcup ist für 28.11. angesetzt, die Rodler wären eine Woche später an der Reihe. Viele Optionen, die Bahn sicherer zu machen, bleiben nicht. In den nächsten Tagen wird in der Kurve 14 ein sogenannter Abweiser installiert, der die Kollision mit der Bande verhindern soll.
Tirols Sportlandesrat Philip Wohlgemuth fordert Lösungen
Ob das ausreicht, werden die nächsten Testfahrten am Wochenende zeigen.
Gibt’s bis Sonntag kein grünes Licht, dann drohen die Rennen auszufallen. „Die Situation ist suboptimal. Es muss einfach hinhauen“, sagt Matthias Schipflinger, der Geschäftsführer vom Bahnbetreiber Olympiaworld. „Wir haben eine fixfertige Bahn in Auftrag gegeben.“
Politik fordert Lösungen
Im Lager der Politik sorgen die Vorkommnisse für Irritationen: "Land, Stadt und Bund haben viel Geld in die Hand genommen, um Sportinfrastruktur der Spitzenklasse in Innsbruck zu errichten", sagt Sport-Landesrat Philip Wohlgemuth. "Diese erwarten wir uns auch, da gibt es keine Ausreden und keinen Platz für Fehler. Die offenkundigen Probleme sind umgehend zu beheben, die Sicherheit unserer Sportlerinnen und Sportler hat oberste Priorität.“
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