Schuster: "Werden durch ein Nadelöhr geschickt"

Werner Schuster und seine deutschen Springer stehen hoch im Kurs.
In Oberstdorf startet heute die 65. Tournee. Werner Schuster steht als Coach der Deutschen im Fokus.

Werner Schuster war seinerzeit im Skigymnasium Stams der erste Fluglotse von Gregor Schlierenzauer. Seit 2008 hilft der Vorarlberger den deutschen Athleten auf die Sprünge. Der 47-Jährige ist nur einer von vielen Österreichern, die bei der Tournee, die heute in Oberstdorf beginnt (16.45 Uhr, live in ORF eins, Eurosport) auf dem Trainerturm stehen. Werner Schuster über ...

... die Tournee
"Die vergangene Tournee war die erste, die ich so richtig genossen habe. Da haben wir endlich einmal auch die andere Seite, die positive Seite, kennenlernen dürfen. Das Problem bei der Tournee ist ja: Wenn’s in Oberstdorf nicht gleich läuft, dann ist der Rest der Veranstaltung oft nur mehr Krisenmanagement pur. Vor einem Jahr aber habe ich ausgerechnet in Oberstdorf mein emotionales Highlight erleben dürfen: 25.000 Leute im Stadion, ein Sieg von Severin Freund, und dann hat mir auch noch die Frau des früheren Bundestrainers Reinhard Hess ein SMS geschickt und gemeint, es wäre das schönste Springen ihres Lebens gewesen. Das geht unter die Haut."

... den Tourneestress
"In diesen Tagen will jetzt jeder etwas von uns. Da kommen nicht nur die zehn Journalisten, die sich beim Skispringen auskennen, sondern viele Redaktionen des Landes schicken ihre Leute vorbei. Es geht bei der Tournee einfach rund, wir werden da durch ein Nadelöhr geschickt. Aber ich finde es grundsätzlich positiv, dass sich die Leute für uns interessieren. Ich habe im Sommer die Olympischen Spiele in Rio verfolgt. Da gibt es Sportarten, die man alle vier Jahre für eine Stunde im Fernsehen verfolgen kann. Insofern dürfen wir uns wirklich nicht beschweren."

... die vielen österreichischen Trainer im Weltcup
"Man kennt das ja aus dem Fußball, als in den 90er-Jahren plötzlich alle einen niederländischen Trainer haben wollten. Der Effekt tritt meist ein wenig verzögert ein, im Skispringen stehen eben gerade Österreicher hoch im Kurs. Für meinen Geschmack sind die Österreicher fast schon überdurchschnittlich repräsentiert. Ich finde es zum Beispiel sehr spannend, wie es die Slowenen angehen. Die springen anders, legen auf andere Sachen Wert, haben eine eigene Identität. Die Slowenen sind ein Farbtupfer."

... die Prevc-Brüder
"Es würde mich nicht groß überraschen, wenn Peter Prevc bei der Tournee plötzlich wieder ganz der Alte wäre. Ihm macht sicher die Geschichte mit seinem kleinen Bruder zu schaffen. Domen Prevc hat ihm ordentlich Druck gemacht. Der Sieg bei der Tournee führt nur über ihn. Der Junge springt Ski, wie Max Verstappen Formel 1 fährt. So kannst du aber nur Skispringen, wenn du noch nie mit 250 gegen die Mauer gefahren bist. So wie er springt, hatte Domen in seiner Karriere vermutlich noch keine Negativerlebnisse. Der Mann kennt keine Grenzen."

... die Faszination Skispringen
"Man sieht es auch wieder am Beispiel Peter Prevc, wie kopflastig unser Sport ist, und welche Eigendynamiken da entstehen können – und zwar in beide Richtungen. Die Leute in Topform könntest du um drei in der Nacht aufwecken, und die würden ihre Sprünge herunterklopfen. Umgekehrt ist es extrem schwierig, wenn du Zweifel hast. Dann kann es passieren,dass du das Limit überziehst, zu viel probierst, und das hat dann den gegenteiligen Effekt. Ich vergleiche das gerne mit Golf: Wenn du beim ersten Loch den Ball ins Wasser schießt, dann hättest du theoretisch eigentlich immer noch die Chance, eine tolle 62er-Runde zu spielen. Aber meistens haut das einen dann völlig aus dem Konzept."

... Gregor Schlierenzauer
"Ich muss zugeben, dass ich ihn jetzt schon länger nicht mehr auf der Schanze gesehen habe. Das Skispringen hat sich in den letzten Jahren verändert, und auch der Gregor wird sich adaptieren müssen. Aber wenn ein Noriaki Kasai mit 40 wieder gewinnen kann, dann kann es ein 26-jähriger Schlierenzauer allemal. Ich halte es allerdings nicht für sehr wahrscheinlich, dass er einsteigt und sofort wieder gewinnt."

Oberstdorf
30. Dezember: Bewerb (16.45 Uhr, in ORFeins, Eurosport, ZDF)
Vorjahrssieger: Severin Freund (GER)

Garmisch-Partenkirchen
31. Dezember: Qualifikation (14)
1. Jänner: Bewerb (14 Uhr)
Vorjahrssieger: Peter Prevc (SLO)

Innsbruck
3. Jänner: Qualifikation (14 Uhr)
4. Jänner: Bewerb (14 Uhr)
Vorjahrssieger: Peter Prevc

Bischofshofen
5. Jänner: Qualifikation (16.45)
6. Jänner: Bewerb (16.45 Uhr)
Vorjahrssieger: Peter Prevc

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