Wenn in Schladming der Trubel rollt

Anna Fenninger of Austria clears a gate during the first run of the World Cup Women's Giant Slalom ski race in Semmering December 28, 2012. REUTERS/Dominic Ebenbichler (AUSTRIA - Tags: SPORT SKIING)
Die Heim-WM ist für die ÖSV-Stars eine Extrembelastung. Wie gehen sie damit um?

Auf einmal ist Marcel Hirscher verschwunden. Diese wilde Woge der Neugier und Begeisterung, die mittlerweile immer und überall überschwappt, sobald der Salzburger irgendwo auftaucht, sie hat ihn einfach verschluckt. Nicht einmal seine weiße Schildkappe ist mehr zu sehen in diesem aufgewühlten Meer an bunten Mikrofonen und mächtigen Kameras, die alle nur ein Ziel kennen: den besten Skifahrer der Gegenwart und Local Hero dieser WM.

„Bis jetzt läuft alles normal“, erklärt Marcel Hirscher. Das, was sich gestern bei seinem ersten offiziellen WM-Auftritt in der Raiffeisenbank von Schladming abgespielt hat, ist der ganz normale Wahnsinn um seine Person. „Business as usual“, sagt der 23-Jährige, und dabei wirkt sein Lächeln keinesfalls gequält oder gespielt. „Ich finde den ganzen Rummel sogar cool. Weil es eine Wertschätzung und Anerkennung meiner Person ist.“

Termin-Slalom

Allein die turbulenten 24 Stunden vor der Eröffnungsfeier lieferten bereits einen kleinen Vorgeschmack auf das, was die Österreicher bei dieser Heim-WM erwartet: Stress pur, Hysterie total und dazu noch ein zweiwöchiger Slalomlauf zwischen der Skipiste und dem Après-Ski-Parkett. „Eine WM ist an sich schon etwas Besonderes“, erklärt ÖSV-Direktor Hans Pum, „aber eine Heim-WM steht noch eine Stufe drüber.“

Das ist längst auch den österreichischen Athleten klar geworden. 26 TV-Stationen berichten live, 1500 Journalisten sind akkreditiert, Hunderttausende Fans werden in den kommenden zwei Wochen erwartet. Das weckt in der Skination nicht nur Medaillenhoffnungen, sondern auch Begehrlichkeiten: Mal soll ein österreichischer SkiStar bei der Eröffnung einer VIP-Area auftreten, mal will ein Sponsor präsentiert werden, mal will sich Prominenz aus Show und Politik ins Bild rücken. Noch vor der Eröffnung schauten der Bundeskanzler und der Terminator im ÖSV-Quartier vorbei, sie werden nicht die letzten illustren Gäste gewesen sein.

Der Stress abseits der Pisten und der dichte Terminkalender erfordern einen Masterplan. „Es ist alles sehr straff durchorganisiert“, sagt auch Hans Pum, „wir haben einen klaren Plan.“

Stresstest

Bei aller Perfektion, bei aller Präzision – die Medaillenträume der Ski-Fans hat der Skiverband dann aber doch nicht im Griff. Vor allem von den Jungstars Marcel Hirscher und Anna Fenninger erwarten sich Öffentlichkeit und Medien regelrechte goldene Wunderdinge.

Wenn in Schladming der Trubel rollt
APA11293162 - 04022013 - SCHLADMING - ÖSTERREICH: Marcel Hirscher am Montag, 04. Februar 2013, vor Beginn einer PK in Schladming. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
„Ich werde aber nicht drei Goldmedaillen gewinnen, von denen jeder schreibt und redet“, stellt Hirscher klar. „Der Druck von außen ist klar größer als der Druck, den ich mir hier mache“, ergänzt Anna Fenninger, die heute im Super-G (11 Uhr) ihre Medaillenjagd startet. Ihr Zugang zur WM ist pragmatisch: „Das passiert dir nur einmal im Leben, dass du zu Hause um Medaillen kämpfen darfst. Wir wissen zwar alle nicht ganz genau, was uns erwartet, aber eines weiß ich: Zu viel Nachdenken ist nicht gut.“

Von den Betreuern wurden die ÖSV-Sportler jedenfalls akribisch auf die Nebengeräusche der WM vorbereitet. Dabei nahmen die Skifahrer Anleihe bei den Adlern, die zur Stressbewältigung schon seit Jahren erfolgreich auf Neurocoaching setzen. „Auch wir haben solche Regulationsmaßnahmen getroffen“, erklärt Damen-Cheftrainer Herbert Mandl.

Marcel Hirscher hat seine eigene Methode, die Weltmeisterschaft zu bewältigen: Konzentration aufs Wesentliche lautet sein Motto für die Medaillenjagd. „Die Tore sind auch hier nur rot und blau, oder“, meint der 23-Jährige. „Ich darf nicht an die 1,6 Millionen Leute vor dem Fernseher denken und an das, was sie von mir erwarten.“

Hermann Maier hat diese Erfahrung schon hinter sich. Was Hirscher jetzt in Schladming ist, das war er 2001 bei der letzten Heim-WM in St. Anton – der Mann, um den sich alles drehte. Sein Tipp an seinen Nachfolger: „Mach ’ ja nichts anders als sonst. Das bringt nichts.“

Kommentare