Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen

Der 21-jährige Niederösterreicher siegt in Garmisch und springt zur Tournee-Führung.

Soll man Thomas Diethart eigentlich gratulieren, oder muss man ihn nicht doch vielleicht bemitleiden nach seinem Höhenflug beim Neujahrsspringen? Mit dem sensationellen Triumph in Partenkirchen ist der rotzfreche Niederösterreicher jetzt nicht nur auf Kurs Richtung Tournee-Gesamtsieg, er hat mit diesem Husarenstück auch eine richtige Sauerei angerichtet.

„Mein Papa hat mir für meinen ersten Sieg ein echtes Schwein versprochen“, sagte Diethart im Auslauf der Olympiaschanze schmunzelnd, „das muss er jetzt aber auch durchziehen.“

Weitenjäger

Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen
Austria's Thomas Diethart receives a piglet mascot from his father Gernot (L) after winning the second jumping of the four-hills tournament in Garmisch-Partenkirchen, southern Germany, January 1, 2014. Diethart won ahead of his compatriot Thomas Morgenstern and Swiss tournament overall leader Simon Ammann. The prestigious four-hills tournament will end in Bischofshofen on January 6. REUTERS/Michael Dalder (GERMANY - Tags: SPORT SKIING)

Nur zur Klarstellung: Thomas Diethart hat beim Neujahrsspringen nicht nur Schwein gehabt wie andere Überraschungssieger im Skispringen vor ihm. So selbstsicher und souverän, wie sich der 21-Jährige derzeit präsentiert, ist er gar nicht auf Hilfe von Fortuna angewiesen.

Dieser Thomas Diethart, für den vor drei Wochen ein Tourneestart noch so weit entfernt war wie sein Heimatort Michelhausen im Tullnerfeld von der nächsten Schanze, er schwebte schlichtweg in eigenen Sphären. 141 Meter im ersten Durchgang, 140,5 Meter im Finale – zwei Mal sorgte der Luftikus aus dem Flachland für die Höchstweite und distanzierte den zweitplatzierten Teamkollegen Thomas Morgenstern gleich um elf Punkte.

Eine halbe Welt im oft so umkämpften Luftraum der Adler. „Das ist der reinste Wahnsinn“, sagte Diethart und schüttelte ungläubig den Kopf. „Im Moment funktioniert einfach alles, was ich mache.“

Senkrechtstarter

Der Höhenflug des Niederösterreichers verblüfft nicht nur die Konkurrenz, er lässt auch langjährige Flugbegleiter der Tournee rätseln. Senkrechtstarter hat es im Skispringen schon viele gegeben, aber dass ein Athlet einen so großen Sprung auf der Karriereleiter hinlegt und binnen weniger Tage vom verlässlichen Punktesammler im Kontinentalcup zum Überflieger im Weltcup emporsteigt, ist selbst Anton Innauer schleierhaft. „Dass einer von einem Tag auf den anderen so durchstartet, das gibt es nur im Skispringen. Aber mir ist es trotzdem unerklärlich, wie so was geht.“

Diethart selbst will dem Erfolgsgeheimnis erst gar nicht groß auf den Grund gehen. „ Ich mach’ eigentlich gar nichts Besonderes. Ich hab’ im Moment einfach Spaß an dem, was ich mache und denk’ mir nichts.“ Das geht sogar so weit, dass ihn in Partenkirchen ein Reporter darüber aufklären musste, dass er nun in der Tournee-Gesamtwertung vor Morgenstern und Ammann in Führung liegt. Für Skisprung-Doyen Toni Innauer ist der Kampf um den Gesamtsieg ohnehin bereits entschieden. Zugunsten von Diethart: „Er ist nicht zu bremsen.“

Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen

GERMANY SKI JUMPING WORLD CUP
Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen

Diethart from Austria reacts after the first attem
Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen

Diethart from Austria soars through the air during
Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen

Morgenstern from Austria reacts after the first at
Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen

GERMANY SKI JUMPING WORLD CUP
Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen

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Es ist noch gar nicht lange her, da stimmte Gregor Schlierenzauer Hochgesänge auf seine Hochform an. „So gute Werte hatte ich um diese Zeit noch nie“, stellte der Sieger von 52 Weltcupbewerben noch gegen Ende der Sommervorbereitung mit Blickrichtung Olympia zufrieden fest.

Einen Monat vor den Winterspielen in Sotschi hört sich der erfolgsverwöhnte Stubaier nun ganz anders an. „Es stimmt im Moment nicht ganz zusammen“, musste sich Gregor Schlierenzauer nach dem achten Rang beim Neujahrsspringen in Partenkirchen eingestehen.

Dabei wollte der 23-Jährige im neuen Jahr auf einer seiner Lieblingsschanzen – Schlierenzauer war in Partenkirchen zuvor nie schlechter als Vierter – zur großen Aufholjagd auf die Tourneeführung blasen, doch dieses kühne Vorhaben musste er schon nach dem ersten Durchgang hochoffiziell abblasen. „Es reicht im Moment nicht für ganze vorne. So realistisch bin ich, dass ich für den Gesamtsieg einen Bombensprung gebraucht hätte.“

Testphase

Schlierenzauer wirkt im Moment ein wenig ratlos. Er probiert Anzüge, er tüftelt an der Anfahrtshocke herum, er sucht verzweifelt die Leichtigkeit und das Selbstverständnis vergangener Jahre. Erschwerend hinzu kommt, dass ihm andere im österreichischen Team vorzeigen, wie es funktioniert. Allen voran Senkrechtstarter Thomas Diethart, der derzeit so souverän fliegt wie Schlierenzauer zu seinen besten Zeiten. „Das gibt auch dem Gregor zu denken, dass da ein Jüngerer von hinten reinplatzt“, meinte Skisprung-Doyen Anton Innauer im ZDF.

Schlierenzauer selbst will nun alles seinem Traum von Olympia-Gold unterordnen. „Ich werde die Tournee jetzt als optimales Training nützen“, erklärt der 23-Jährige.

Der Tournee-Titelverteidiger ist nicht der einzige Favorit, der die Gesamtwertung abhaken muss. Am Neujahrstag strauchelten zwei weitere Anwärter auf den Tournee-Sieg: Der Norweger Anders Bardal (13.) und der Slowene Peter Prevc (18.), die am Sonntag in Oberstdorf noch auf dem Stockerl gestanden waren, liegen bereits abgeschlagen hinter dem neuen Leader Thomas Diethart.

Thomas Diethart ist wie aus dem Nichts zum Tournee-Favoriten geworden. Der 21-jährige Niederösterreicher aus Michelhausen plauderte im APA-Gespräch darüber ebenso wie über die Wichtigkeit der mentalen Komponente gerade im Skispringen, sein Vorbild Thomas Morgenstern und seinen Glauben an die Fortsetzung dieses Runs.

Die Fachwelt kommt bei Ihnen kaum aus dem Staunen heraus. Toni Innauer hat gesagt, so etwas ist nur im Skispringen möglich, dass Einer so aus dem Nichts kommt. Sehen Sie das auch so?Thomas Diethart: Ja, würde ich schon sagen. Dadurch, dass Skispringen jetzt sehr viel mit dem Kopf zu tun hat. Es ist auch viel körperlich, aber Kopf ist sicherlich das Wichtigere. Es wechselt sehr schnell und man kriegt das auch immer mit, dass jedes Jahr neue Leute kommen oder Leute, die gut waren, nicht mehr so gut sind.

Es ist sicher sehr schwierig bei steigendem Druck und auch noch mit der Erwartungshaltung in Österreich umzugehen. Wird Sie das als Wettkampf-Typ eher stärken? Ich hoffe es schon. Mir macht es Spaß, wenn viele Leute da sind und mich anfeuern. Dadurch, dass wir auch noch in Österreich sind, macht es mir noch mehr Spaß, weil ich weiß, dass die Familie da ist. Ich freue mich schon drauf.

Können Sie beschreiben, was emotional in Ihnen vorgeht, auch wissend, dass Ihre Eltern Ihnen mit Tränen in den Augen zujubeln? Wie ich gesehen habe, wie sie nach meinem Sprung unten gestanden sind und die Reaktion von meinem Papa und meiner Mama - ja, es war ein Wahnsinn. Ich glaube, der Papa braucht jetzt etwas mehr Ruhe als ich.

Glauben Sie selbst daran, dass Sie diesen Lauf aufrechterhalten können? Ich hoffe es, wenn ich so locker bleibe, wie ich momentan bin, ist dann sicher noch einiges drinnen.

Sie haben die großen Namen Thomas Morgenstern und Simon Ammann auf den Fersen. Beeindruckt Sie das? Doch sicherlich. Es ist echt ein Wahnsinn, wenn man mit solchen Leuten auf dem Stockerl ist und auch um die Wette springen kann. Ja, das ist ein Kindheitstraum.

Ein Flachländer springt allen davon. Der Weg zum Erfolg war mit dem vielen Reisen nicht einfach für Sie. Es war für mich nie schwer, dass ich so viel fahren habe müssen. Das war mehr für den Papa schwierig. Mir hat das Springen immer Spaß gemacht, deshalb bin ich auch gerne zum Training gefahren und habe nie gejammert.

Haben Sie ein Vorbild? Thomas Morgenstern. Das war immer schon so. Wie ich zum Skispringen angefangen habe, ist der Morgi schon gut geworden. Vom Persönlichen her hat mir der Thomas immer am meisten getaugt.

Senkrechtstarter Diethart gewinnt Neujahrsspringen

Endstand:
1. Thomas Diethart AUT 141,0/140,5 296,1
2. Thomas Morgenstern AUT 139,0/139,0 285,1
3. Simon Ammann SUI 133,5/139,0 278,5
4. Anders Fannemel NOR 138,0/136,5 275,7
5. Andreas Wellinger GER 134,0/134,5 267,2
6. Noriaki Kasai JPN 135,0/133,0 265,3
7. Kamil Stoch POL 135,0/131,0 264,9
8. Gregor Schlierenzauer AUT 133,5/133,0 264,8
9. Richard Freitag GER 133,0/133,5 264,2
10. Anssi Koivuranta FIN 136,5/129,5 263,9
11. Jan Matura CZE 132,5/132,0 261,7
12. Andreas Kofler AUT 130,5/133,5 260,8
13. Anders Bardal NOR 129,0/134,5 260,6
14. Janne Ahonen FIN 132,5/132,5 258,9
15. Andreas Wank GER 130,5/130,0 258
16. Taku Takeuchi JPN 135,0/129,0 257,5
17. Klemens Muranka POL 130,5/129,5 257,3
18. Peter Prevc SLO 128,5/133,5 256,8
19. Michael Neumayer GER 133,5/133,0 256,3
20. Maciej Kot POL 131,0/133,0 255,9
21. Robert Kranjec SLO 130,0/131,0 255,8
22. Jernej Damjan SLO 131,0/133,0 254,4
23. Rune Velta NOR 131,5/129,5 253,5
24. Michael Hayböck AUT 129,0/133,0 253,2
25. Wolfgang Loitzl AUT 131,5/128,0 251
26. Anders Jacobsen NOR 130,5/130,0 249,9
27. Martin Schmitt GER 128,0/128,5 247,4
28. Daiki Ito JPN 126,5/129,0 246,1
29. Jaka Hvala SLO 131,0/128,5 245,9
30. Stefan Kraft AUT 125,0/132,0 240,5
Gesamtwertung der Vierschanzen-Tournee nach 2 von 4 Bewerben:
1. Diethart 593,4 Punkte
2. Morgenstern 581,9
3. Ammann 580,4
4. Kasai 559,8
5. Bardal 558,5
6. Prevc 554,4
7. Schlierenzauer 546,4
8. Hayböck 537,8
9. Stoch 536,9
10. Takeuchi 530,9
Weiter:
13. Kofler 522,5
17. Loitzl 509,9
35. Kraft 348,7

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