Diethart und die verlorene Leichtigkeit des Seins

In der Vorsaison flog Thomas Diethart als Senkrechtstarter sensationell zum Tourneesieg, nun befindet sich der Niederösterreicher auf der schwierigen Suche nach der Form und der richtigen Umlaufbahn.

Dafür, dass Thomas Diethart gerade in einem Formtief steckt, ist er eigentlich ziemlich auf der Höhe. Der Tournee-Titelverteidiger schmunzelt und scherzt und er wirkt dabei nun so gar nicht wie ein Adler, dem über den Sommer die Flügel gestutzt worden sind. "Natürlich habe ich es mir anders vorgestellt, aber ich spüre, dass es aufwärts geht", versichert Diethart.

Da gibt es kein Jammern darüber, dass er in dieser Saison erst ein Mal in den Punkterängen gelandet ist; da sind keine Ängste oder Zweifel, ob der Tourneesieg im vergangenen Winter möglicherweise nicht doch nur ein One-Jump-Wonder gewesen sein könnte; und da sind auch keine billigen Ausflüchte in Richtung Wind, Wetter, Skisprunggott oder den neuen Trainer im ÖSV-Adlerhorst. "Ich habe schon fast damit gerechnet, dass es nicht so einfach werden würde", sagt der Niederösterreicher.

Kopf hoch

Es war Teamkollege Gregor Schlierenzauer, der Thomas Diethart bereits im Sommer vorgewarnt und auf einen harten Winter eingeschworen hatte. "Er hat mir gesagt, dass das zweite Jahr immer das schwierigste wäre", erinnert sich Diethart, der beileibe nicht der erste Skispringer ist, der nach einem Höhenflug wieder auf dem harten Boden der Realität gelandet wäre. In dem so hochsensiblen Sport Skispringen wechselt die Gemütslage der Athleten mitunter so häufig wie der Wind.

Und so rätselhaft im Vorjahr der kometenhafte Aufstieg von Diethart war, so unerklärlich ist für ihn nun auch der Leistungsabfall in dieser Saison. Denn im Grunde, so versichern die Trainer, würde der 22-Jährige nicht viel anders machen als bei seinen Flügen zum Tourneesieg. Mit einem – für Skispringer freilich entscheidenden – Unterschied. Diethart fehlen im Augenblick die Sicherheit, das Selbstverständnis und die Lockerheit, die ihn noch bei seinem Tournee-Triumph ausgezeichnet, und zwischen Oberstdorf und Bischofshofen praktisch unbesiegbar gemacht hatten.

Gehirn aus

Der Kopf trägt im Moment die Hauptschuld an den lahmen Flügeln und kurzen Sprüngen des Niederösterreichers. "Ich denke einfach viel zu viel nach", weiß Diethart, der freilich eines auch weiß: Das Grübeln und Sinnieren hat noch keinem Skispringer Flügel verliehen. "Ich müsste eigentlich den Kopf ausschalten und drauflos springen. Denn zum Verlieren habe ich sowieso nichts."

Und so erinnert er sich in diesen Tagen eben auch gerne wieder zurück an die vergangene Tournee, als Diethart als Nobody zum Auftakt nach Oberstdorf gereist war und sich der junge Mann aus Michelhausen bei der obligaten Pressekonferenz erst einmal der Öffentlichkeit vorstellen musste. Vor der Titelverteidigung, der Diddl-Verteidigung, wie sie wegen Dietharts Kosenamen in Medien auch gerne genannt wird, prasseln nun andere Fragen auf ihn herein.

Thomas Diethart selbst möchte die Antwort am liebsten auf der Schanze geben. "Irgendwann", versichert er, "irgendwann macht es den Schnipser und dann hat man den Aha-Effekt.Ich habe das Springen nicht verlernt."

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