Ein Dreikampf um den Tourneesieg

Ein Newcomer nimmt es mit Gewinnern von insgesamt sieben Olympia-Goldmedaillen auf.

Zur Halbzeit der 62. Vierschanzen-Tournee ist der Kampf um den Gesamtsieg zu einem Dreikampf geworden. Und eigentlich hatte man mit allen drei vor Oberstdorf nicht rechnen können: Nicht mit dem bis Engelberg unbekannten Leader Thomas Diethart, nicht mit dem von einem Sturz gezeichneten Thomas Morgenstern und auch nicht mit einem noch nicht konstant springenden Simon Ammann (SUI).

Doch nach Garmisch-Partenkirchen sieht es anders aus. Diethart führt 11,5 Punkte vor Morgenstern und 13 vor Ammann. "Ich hätte darüber gelacht, und gesagt schön wäre es", meinte Sensationssieger Diethart nach seinem ersten Weltcupsieg am Neujahrstag. Auch er selbst hätte sich nicht erträumt, dass er einen derartigen Höhenflug erleben würde. Noch vor wenigen Tagen war schon seine Nominierung ins ÖSV-Team die große Überraschung gewesen. Nun hat Diethart gar die Chance, bei seiner ersten vollen Tournee gleich den Sieg zu holen und dem bereits aus dem Rennen um den dritten Titel en suite ausgeschiedenen Gregor Schlierenzauer nachzufolgen.

Erklärungsversuche

"Momentan funktioniert alles. Es läuft einfach und macht einen Riesenspaß", wiederholt Diethart gebetsmühlenartig Dutzende Male. Immer wieder muss er der rätselnden Fachwelt erklären, wie ein solcher Exploit möglich ist. Selbst ein Toni Innauer, der als ZDF-Experte die Tournee begleitet, war erstaunt. "Er ist in jeder Hinsicht ein Weltklassemann im Moment, so etwas gibt es nur im Skispringen.

Der nordische Sportliche Leiter im ÖSV, Ernst Vettori, weiß da ebenfalls keine Antwort. "Das ist schwer zu erklären. Mit solchen Dingen kann man nicht rechnen." Doch wenn jemand einen Lauf hat, dann kann man diese Energie förmlich spüren. Immerhin hatte Diethart auch Training und Qualifikation auf der Olympiaschanze dominiert. "Ich war mir noch nie so sicher wie heute, dass die zwei das bringen", meinte etwa Cheftrainer Pointner und sprach damit Diethart und Morgenstern an.

Diethart jedenfalls scheint im "flow" und auch die Aussicht auf noch weit größere Aufmerksamkeit und damit Druck in der Heimat macht ihn nicht Angst und Bange. "Ich freue mich auf Innsbruck. Die Schanze liegt mir und ist seit heuer meine Heimschanze", meint der vor kurzem nach Matrei übersiedelte Niederösterreicher. Er glaubt daran, den Lauf fortsetzen zu können: "Wenn ich so locker bleibe, wie ich momentan bin, ist sicher noch einiges drinnen", sagte er im APA-Interview.

Freilich darf man nicht vergessen, dass sich Diethart nun mit zwei Größen um den Gesamtsieg und den "goldenen Adler" misst. Insgesamt sieben Olympia-Goldmedaillen haben der Drittplatzierte Simon Ammann (4) und Thomas Morgenstern (3) schon gewonnen. Und gerade Letzteren bezeichnet Diethart sogar als sein Vorbild. "Das war immer schon so. Wie ich zum Skispringen angefangen habe, ist der Morgi schon gut geworden. Vom Persönlichen her hat mir der Thomas immer am meisten getaugt."

Zurückgekämpft

Und vorbildlich hat sich Morgenstern nach seinem schlimmen Sturz vom 15. Dezember in Titisee-Neustadt auch wieder zurückgekämpft. Die Form stimmt und wäre da nicht die Hilfe von Physio Herbert Leitner, man würde gar nichts mehr von der Verletzung merken. "Es ist auch für mich sehr emotional. Speziell nach dem Sturz war es wichtig, dass ich so schnell wie möglich wieder auf die Schanze komme, damit ich gewisse Ängste bekämpfen kann", erinnerte sich Morgenstern. Garmisch sei nicht unbedingt seine Lieblings-Schanze, dennoch sei es vom ersten Sprung weg gut gegangen. "Und es baut sich von Sprung zu Sprung mehr Sicherheit auf. Und jetzt kommen in Innsbruck und Bischofshofen Schanzen, die mir taugen. Es wird eine spannende zweite Tourneehälfte."

Nach vier von acht Sprüngen sieht auch er einen Dreikampf. "Für mich ist es ein sehr schönes Gefühl, nach Garmisch-Partenkirchen noch die Chance zu haben, um den Titel mitzuspringen. Aber es ist noch ein ungelegtes Ei, es ist noch die Hälfte zu erledigen", erklärte Morgenstern. Doch er ist schon jetzt sehr zufrieden. "Wie immer die Tournee ausgeht, ich bin schon jetzt sehr erfolgreich."

Undankbare Favoritenrolle

Doch man sollte aus ÖSV-Sicht nicht auf das "Schlitzohr" Simon Ammann vergessen. Der vierfache Olympiasieger ist heiß darauf, endlich die ihm noch fehlende Tournee zu gewinnen. "Es war sehr wichtig, dass ich aufs Podest gekommen bin. Hier kommt immer ein Österreicher daher, diesmal waren es zwei", sagte der Schweizer, der sich bewusst ist, dass es gegen die "zwei Thomas" aus Österreich schwer werden wird.

Ammann warnte allerdings psychologisch nicht ungeschickt: "Wenn man in der Favoritenrolle ist, dann ist das nicht so einfach, wie man sieht." Denn nach seinem Auftaktsieg in Oberstdorf war er der Top-Favorit gewesen.

Bilder vom Neujahrsspringen

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