Kitz-Abfahrt: "Diesmal wurde das Limit überschritten"
War die Streif diesmal vielleicht wirklich zu gefährlich? War es von den FIS-Verantwortlichen möglicherweise verantwortungslos, die Rennläufer über die Piste zu schicken? Oder lag es doch nur an der schlechten Sicht und am Übermut der Athleten, dass die 76. Hahnenkammabfahrt als Sturzorgie und Skandalrennen in die Geschichte eingehen wird?
Am Tag des Slaloms wurde in Kitzbühel noch immer über die Abfahrt diskutiert. Immer noch kontroversiell, aber mit dem Abstand von 24 Stunden fielen die Analysen dann doch deutlich emotionsloser und nüchterner aus als während des Rennens, als ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel noch lautstark den sofortigen Abbruch gefordert hatte.
Keine Kritik
Sein Herren-Cheftrainer Andreas Puelacher, der mit den Sturzopfern Georg Streitberger und Hannes Reichelt zwei weitere verletzte Athleten zu beklagen hat und allen Grund zu Beschwerden und Kritik hätte, hielt sich zurück: "Für mich war es klar fahrbar."
Und auch vom norwegischen Amtskollegen Christian Mitter, der seinen Superstar Aksel Lund Svindal verloren hat, gab es keinerlei Vorwürfe. Denn auch ihm war klar, dass der norwegische Weltcupleader in der Schrägfahrt schlicht ein zu großes Risiko eingegangen war.
Es ist klar, wem diese Aussage der Schweizer Ski-Legende gilt: Der allmächtige ÖSV-Präsident Schröcksnadel hat sich nicht überall Freunde damit gemacht, als er während der Abfahrt den italienischen FIS-Renndirektor Markus Waldner anrief und den sofortigen Abbruch verlangte. "Da stehen kompetente Leute oben an der Piste: die Trainer, der Renndirektor, nicht zu vergessen der Kurssetzer (Hannes Trinkl, Anm.), der auch Vizepräsident des ÖSV ist", sagt Russi.
Kein Weltuntergang
Der Schweizer würde sich in dieser Diskussion mehr Sachlichkeit und Objektivität wünschen und stellt die Frage, ob Schröcksnadel ähnlich in Rage geraten wäre, hätten sich Läufer aus anderen Nationen verletzt. "Wenn es nicht falsch verstanden werden würde, könnte man sogar sagen: ,Das war ein Glückstag für den Skisport.‘ Was ist denn passiert? Kreuzbandrisse – das sind Verletzungen, die kein Weltuntergang sind." Überhaupt sei die Debatte "scheinheilig. Die gleichen, die vorher sagen, wie toll die Streif ist, die drehen sich dann weg und beschweren sich."
Kein Zusammenhang
Beim ÖSV ist man nicht erst seit dieser Hahnenkamm-Woche, in der mit Max Franz, Florian Scheiber, Georg Streitberger und Hannes Reichelt gleich vier Sturzopfer zu beklagen waren, um Aufklärung bemüht. Ist diese Serie nur eine Verkettung unglücklicher Umstände, gibt es Zusammenhänge, liegt es möglicherweise am enormen Leistungsdruck, dem österreichische Skifahrer ausgesetzt sind? "Ich finde keine Struktur in den Verletzungen", erklärt Chefcoach Andreas Puelacher.
Diejenigen, die es wirklich betrifft, nehmen die Angelegenheit offensichtlich noch am Lockersten und mit Humor. Georg Streitberger teilt sich im Krankenhaus Hochrum ein Zimmer mit Aksel Lund Svindal. Sein Kommentar: "Gleiche Kurve, gleiche Verletzung, gleiches Zimmer und auch die gleiche Krankenschwester. Aber wir haben Spaß."
Hannes Trinkl hält stets Rücksprache mit den Rennläufern. Die Topstars haben deshalb die Zusammenarbeit mit dem, für den Weltcup-Speedbereich verantwortlichen FIS-Direktor aus Oberösterreich gewürdigt. Seit Samstag aber steht auch Hannes Trinkl in der Kritik. Der Ex-Weltmeister begibt sich heute nach Garmisch, wo Samstag die nächste Abfahrt stattfindet.
KURIER: Werden Sie aus den Vorfällen Konsequenzen ziehen?
Wenn drei Gute an der selben Stelle stürzen, gibt das zu denken. Da kann man nicht zur Tagesordnung übergehen.
Wo haben Sie die Abfahrt erlebt?
Dort, wo’s passiert ist. Ich bin nach Rücksprache mit Markus Waldner (Weltcup-Gesamtchef) zum Hausberg abgerutscht.
Plagten Euch böse Vorahnungen. War die Passage am Hausberg ungenügend präpariert?
Im Gegenteil. Die Piste befand sich im Top- Zustand. Nur die Sicht war nicht gut. In diese Richtung müssen wir uns was überlegen.
Schon für die bevorstehende Weltcup-Abfahrt in Garmisch?
Ja. Wir denken an eine grellere Markierungsfarbe für die Rennstrecke. Vielleicht kann man ab der nächsten Saison finstere Stelle auch beleuchten.
Zu ihrer aktiven Zeit waren solche Signalfarben auf Rennstrecken noch völlig unüblich.
Und Stürze hat’s noch viel mehr gegeben. Als Günther Mader in Kitzbühel gewonnen hat, bin ich als 16. gestartet. Da waren vor mir erst vier Mann im Ziel.
Von Medien wird kritisiert, dass zu spät abgebrochen wurde. Stimmt es, dass Ihnen Trainer konträr dazu vorwarfen, nur 30 statt alle 57 Läufer über die Streif gelassen tu haben.
Ja. Manche der 27 hätten das Rennen sicher gut gemeistert. Aber es waren auch Unerfahrene noch oben, die wir kaum kennen. Das Risiko, das einem von denen was passiert, wollten wir nicht eingehen.
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