Der Adler aus dem Flachland

Senkrechtstarter: Thomas Diethart ist bei der Vierschanzentournee der österreichische Mann der Stunde.
Der Niederösterreicher Thomas Diethart sprang bei der Tournee ins Rampenlicht.

Thomas Diethart hat vollkommen recht, dass er für die Tournee eine Nachdenkpause eingelegt hat. Mit dieser Strategie („ich denke einfach nix“) springt sich’s nicht nur leichter, damit lässt sich auch das Tamtam rund um seine Person besser bewältigen. Reicht ja schon, wenn sich nach dem Tournee-Auftakt nach Übermaß (Rang drei) die halbe Welt plötzlich den Kopf über ihn zerbricht.

Wer ist dieser Thomas Diethart eigentlich? Wie macht der das bloß? Und vor allem: Wie kann es ein Junge aus dem Tullnerfeld im Skispringen überhaupt so weit bringen?

Die Erfolgsstory von Thomas Diethart ist auch die Geschichte von leidenschaftlichen Eltern, die nichts unversucht ließen, um ihrem Kind den Traum vom Fliegen zu ermöglichen. Auch wenn Michelhausen auf den ersten Blick so ziemlich die schlechteste Startrampe für eine Laufbahn als Skispringer zu sein scheint, die es hierzulande gibt. Das Tullnerfeld ist nicht gerade berühmt für V-Stil und Telemark, die nächste Sprungschanze ist zwei Autostunden entfernt. „Die höchste Erhebung ist der Kirchturm“, erklärt Diethart, „sonst ist es dort brettleben.“

Idealismus

Dieser kritische Ausgangspunkt hinderte ihn freilich nicht daran, in die Luft zu gehen und sein Glück als Skispringer zu versuchen. Auch mit viel Ausdauer und großem Einsatz seiner Eltern Christa und Gernot, die ihre Freizeit und auch die Ersparnisse für die Karriere ihres Sohnes opferten.

Jedes Wochenende pendelte Papa Diethart zur Sprungschanze nach Hinzenbach in Oberösterreich, wo der kleine Thomas das Skisprung-ABC lernte. „Wir sind 50.000 Kilometer im Jahr gefahren“, erinnert sich Gernot Diethart im Ö3-Interview. Um Geld zu sparen übernachteten die Diethart’s seinerzeit manchmal sogar in einem Kämmerchen unter der Schanze. Um auch daheim in Michelhausen trainieren zu können, baute der Vater eine Minirampe aus Holz. Die Gemeinde unterstützte das kühne Flugprojekt mit einem Trampolin und sprang auch als Sponsor ein.

Mehr als 100.000 Euro investierte die Familie Diethart in die Karriere ihres Sohnes. In eine Karriere, die erst vor zwei Wochen so richtig begonnen hat, als der 21-jährige Senkrechtstarter in Engelberg mit den Rängen vier und sechs auf Anhieb ins Rampenlicht und somit ins Tournee-Aufgebot geflogen war. Als Thomas Diethart nun in Oberstdorf erstmals auf das Siegespodest sprang, war der Vater im Auslauf zu Tränen gerührt.

Euphorie

In Michelhausen fliegen die 2600 Einwohner mittlerweile auf das Skispringen. Bisher wurde die Marktgemeinde stets mit Leopold Figl, dem ersten Nachkriegskanzler, in Verbindung gebracht, jetzt hat Michelhausen einen neuen berühmten Sohn. „Es geht wie ein Lauffeuer durch unseren Ort. Der Thomas ist der Beweis, was mit Fleiß und Ausdauer erreicht werden kann“, erklärt der stolze Bürgermeister Rudolf Friewald.

Für das Tournee-Springen in Bischofshofen hat sich bereits eine Abordnung aus Michelhausen angekündigt, Bürgermeister Friewald, ein Freund von Skisprung-Olympiasieger Toni Innauer, will Diethart nach der Saison einen Empfang bereiten.

Thomas Diethart selbst lässt das Leben im Rampenlicht noch kalt. Geduldig beantwortete er in Garmisch, dem zweiten Tournee-Ort, die Reporterfragen und ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht von seiner Marschroute abweichen wird. „Ich hab den Kopf abgeschaltet. Es läuft irgendwie im Moment alles von alleine. Das ist ein gutes Gefühl.“ Zum Nachdenken hat er nach der Tournee ja noch genug Zeit.

"Eddie the eagle" in Oberstdorf

Der Adler aus dem Flachland

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