Tagebuch: Slalom zwischen Vorurteilen
Tirol. Für das schöne, zur Zeit in Verruf geratene Bundesland werben alle österreichischen WM-Speedpiloten auf ihrem Rollkragenpulli. Auch wenn keiner so wie Romed Baumann a Tiroler ischt. Der bot sich 2019, zermürbt vom ÖSV-Qualifikationsdruck, dem deutschen Verband an.
Aufgewachsen in der Biathlon-Hochburg Hochfilzen, groß (und Kombi-WM-Dritter 2013) geworden im österreichischen Verband, wohnhaft in Kiefersfelden, wo an der Grenze Dauer(kontroll)stau herrscht, verheiratet mit einer Bayrin, gecoacht von Hermann Maiers Ex-Trainer Andi Evers – mit 35 schrieb der deutsche Jungstaatsbürger Skigeschichte. Indem Baumann als Erster seit dem Krieg für zwei Nationen Medaillen erobert hat. Und Zweiter im WM-Super-G wurde.
Felix Neureuther jubelte vom Münchner ARD-Studio aus über den silbernen Neo-Bayern. Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, zum x-ten Mal über Tirol stichelnd, vor einem „zweiten Ischgl“ warnte.
Zweifellos haben sich Tiroler Bonzen zu lang für unverwundbar gehalten oder präpotent die Unfehlbaren gespielt. Nur wird’s langsam fad, wie Covid ständig mit dem älplerischen Lieblingssport assoziiert, wie zwischen Skilauf und Lebertests beim Après-Ski nicht unterschieden wird.
Beobachtungen ehemaliger Skigrößen, wonach das Verhalten auf öffentlichen Pisten (und meist fast leeren Liften) inzwischen ähnlich diszipliniert wie jenes maskierter WM-Starter sei, passen nicht zum Vorurteil, das umso östlicher umso massiver wird. Und auch vor dem Fußball nicht halt macht.
So wird als Konter auf eine sportfreundliche Kolumne in etlichen Mails ein Lockdown bis Herbst für den ganzen Amateurbereich gefordert. Begründung: Weil die Kickerei ohnehin nur dazu diene, um sich danach zu besaufen. Fehlt bloß noch, dass auch die freiwillige Feuerwehr infrage gestellt wird, weil manche ihrer Sommerfeste feuchtfröhlich endeten.
Wenn der Hut brennt, braucht’s Teamwork statt Weltmeister im Besserwissen.
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