"Immer Vollgas ist meine Lebenseinstellung"
Wenn von Abfahrern gesprochen wird, dann immer voller Ehrfurcht und Respekt. Denn die Abfahrt war immer schon die Königsdisziplin des Skisports, und deren Protagonisten waren die größten Helden. Wer stürzt sich schon freiwillig die Mausefalle hinunter oder rast mit 150 km/h über eisige Skipisten?
Dominik Paris verkörpert den alten Schlag der Abfahrer wie kein anderer. Der Südtiroler liebt das Risiko und ist ein echter Pfeif-Mich-Nix. Dass er in seiner Freizeit als Sänger einer Death-Metal-Band auftritt, passt gut ins Bild des wilden Draufgängers. Nicht von ungefähr hat Paris das Motto: „Immer Vollgas.“
KURIER: Sie fahren mit Ihrem Motto ziemlich gut, oder?
Dominik Paris: Immer Vollgas – das ist bei mir eine Lebenseinstellung. Das war schon immer so, dass ich an meine Grenzen gegangen bin. Und zwar in jeder Hinsicht. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass ich nur Harakiri unterwegs bin oder unüberlegt fahre.
Sondern?
Abfahren heißt Improvisieren im Extrembereich. Die wirklich Guten, die beherrschen das. Es kommen während der Fahrt immer wieder Momente, in denen du kurzfristig die richtigen Entscheidungen treffen musst. Dabei hilft dir natürlich die Erfahrung. Je öfter du zum Beispiel die Streif runterfährst, umso sicherer wirst du. Wobei ich mich noch gut an meine erste Fahrt erinnern kann.
Erzählen Sie davon.
Das war 2010. In den Jahren davor hat es die schweren Stürze von Scott Macartney und Daniel Albrecht gegeben. Da bin ich dann schon mit viel Respekt nach Kitzbühel gefahren. Beim ersten Training habe ich vor der Mausefalle zwei Mal gebremst, am Hausberg dann wieder. In dem Moment kannst du dir nicht vorstellen, dass du da jemals voll runterfahren kannst.
Inzwischen sind Sie Kitzbühel-Sieger. Ihren ersten Weltcupsieg haben Sie in Bormio an einem 29.Dezember gefeiert. Es heißt, Sie wären erst im neuen Jahr heimgekommen.
So schlimm war’s dann auch wieder nicht. Ich war dazwischen schon einmal kurz daheim. Natürlich habe ich ein bisschen gefeiert, Silvester war ja zufällig auch noch.
"Ausgehen und Ski fahren, das haut nicht hin"
Apropos feiern: Sie galten in jungen Jahren als schwieriger Charakter. Von einem Trainer von Ihnen stammt der Spruch: ,Entweder du änderst dein Leben, oder fliegst aus dem Kader.‘
Ich war einfach jung. Ein klassischer Jugendlicher halt, der brutal viel unterwegs war. Und ausgehen und Ski fahren – das haut nun einmal nicht hin. Am Anfang ist das vielleicht noch gegangen: Gas geben auf der Piste und Gas geben am Wochenende bei den Festivals. Bis ich irgendwann einmal bemerkt habe, dass ich nicht mehr so Ski fahren kann, wie ich es gerne machen würde.
Warum das?
Weil ich es körperlich einfach nicht mehr draufhatte. Ich hab’ damals mindestens 110 Kilo gewogen, 15 Kilo mehr als heute. Irgendwann habe ich zum Trainer gesagt: ,Ich muss von daheim weg.’ Dann bin ich über den Sommer auf die Alm gegangen, habe abgenommen und abgeschaltet. Ab dem Zeitpunkt ist das Skifahren wieder leicht gegangen und im Winter drauf habe ich den Europacup gewonnen.
Ist es ein Vorteil, dass Sie wissen, was richtiges Arbeiten bedeutet. Sie waren ja auch Maurer.
Schaden habe ich sicher keinen davongetragen, und meinen Charakter hat das Arbeiten auch geprägt. Es war definitiv kein Nachteil: Ich merke es ja auch beim Trainieren: Wenn es zäh hergeht im Sommertraining, dann muss ich mich nicht so quälen. Weil ich weiß, was es wirklich bedeutet, hart zu arbeiten.
Welchen Status hat denn ein Skifahrer in Italien bzw. Südtirol?
In Südtirol hatte der Skisport schon immer einen großen Stellenwert. In Italien geht die Kurve leicht nach oben, weil wir die letzten Jahre als Team erfolgreich waren, und weil der Fußball so abgesackt ist. Aber es ist schon so: In Mailand kennt mich kaum einer, in Bozen kennen mich einige wenige, und wenn ich in Innsbruck bin, dann sprechen mich die meisten Leute an.
Beneiden Sie die österreichischen Kollegen um die Publicity?
Österreich ist nun einmal die Skination Nummer eins. Andererseits denke ich mir, dass jemand wie Marcel Hirscher sicher kein feines Leben mehr hat. Den kennen sie praktisch überall, der kann sich doch nicht mehr frei bewegen. Ich bin froh, dass der Rummel bei mir nicht so extrem ist. Ich fahre gerne Ski, aber im Mittelpunkt muss ich jetzt nicht stehen.
Stimmt es, dass Sie besser Ski fahren können als italienisch sprechen?
Leicht möglich. Bei uns im Tal redet ja auch niemand italienisch. Wie ich ins Nationalteam gekommen bin, habe ich fast kein Wort verstanden. Da waren fast nur italienische Trainer, die haben mir’s dann beigebracht. Mittlerweile geht’s ganz gut.
"Ich kann mich im Dialekt besser ausdrücken"
Sie sprechen in Interviews gerne Dialekt. Das ist für viele unverständlich, kommt aber offenbar gut an.
Ich probiere so rüberzukommen wie ich bin. Ich verstelle mich nicht. Klar wird’s Leute geben, die mich nicht verstehen. Aber nicht nur bei euch in Österreich, wahrscheinlich auch in Südtirol. Ich schau eh, dass ich mich zusammenreiß’, das haut leider nicht so hin. Als ich das letzte Mal im ZDF-Interview versucht habe, hochdeutsch zu reden, sind mir die halben Wörter nicht eingefallen. Ich kann mich im Dialekt einfach besser ausdrücken.
Gewöhnungsbedürftig wie Ihr Dialekt ist auch Ihre Lieblingsmusik. Sie spielen in einer Death-Metal-Band. Was begeistert Sie so daran?
Gitarrenspielen ist eine gute Ablenkung und super für den Kopf. Da kommst du auf andere Gedanken. Heuer hatten wir mit unserer Band leider keine Konzerte, ich war nur mit dem Sieghard Klotz (italienischer Teamkollege) unterwegs. Er mit der Ziehharmonika, ich mit der Gitarre, und dann haben wir Volksmusik gespielt. Ich habe mir übrigens alles selbst beigebracht – deswegen kann ich auch nicht viel.
Wie lange würden es die Abfahrerkollegen wohl auf einem Death-Metal-Konzert von Ihnen aushalten?
Anschauen würden sie es wahrscheinlich schon. Wie lange sie dann wirklich bleiben, hängt wahrscheinlich vom Alkoholspiegel ab. Singen kann man es ja nicht bezeichnen, was ich mache. Das ist eher ein Geschrei und ein Grölen.
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