Streif-Sieger Mayer: Rückkehr ins Rampenlicht

Matthias Mayer darf sich über seine erste Goldene Gams freuen.
Der Kärntner hat den Super-G in Kitzbühel gewonnen – auch, weil er seine Angst besiegte.

Es gibt kaum einen Tag, an dem Matthias Mayer nicht an den 19. Dezember 2015 erinnert wird. Wenn er mit dem Finger über seinen Rücken fährt, dann kann er die fast zwanzig Zentimeter lange Narbe spüren, die sich seither entlang der Wirbelsäule zieht. Wenn er daheim die Schublade öffnet, dann fallen ihm jene sechs Schrauben in die Hände, mit denen die beiden Brustwirbel fixiert werden mussten, die er sich bei seinem folgenschweren Sturz in der Abfahrt von Gröden gebrochen hatte. "Ich war richtig gut verschraubt", pflegt der Kärntner heute mit einem Schmunzeln zu sagen. "Es ist bei mir damals Gott sei Dank noch einmal gut ausgegangen."

Kindheitstraum

Dass Matthias Mayer heute überhaupt wieder rennmäßig über die Piste fährt, ist an sich schon bewundernswert. Dass er sich jetzt aber ausgerechnet in diesem spektakulären und schwierigen Super-G über die Streif, in dem die Rennläufer mit bis zu 140 km/h geblitzt wurden, als Sieger zurückmeldet, ist eine der bemerkenswertesten Erfolgsgeschichten in der langen Hahnenkamm-Historie. Vor einem Jahr hatte Mayer die Kitzbühel-Rennen noch daheim von der Couch aus verfolgt. "Wenn ich nur nach der Fernbedienung gegriffen habe, hat mir schon der ganze Körper wehgetan", erinnert sich Mayer.

Streif-Sieger Mayer: Rückkehr ins Rampenlicht
ABD0129_20170120 - WIEN - ÖSTERREICH: (L-R): Christopf Innerhofer (ITA/2. Platz), Matthias Mayer (AUT/1. Platz) und Beat Feuz (SUI/3. Platz) am Freitag, 20. Jänner 2017, während der Flower Ceremony nach dem Super-G der Herren auf der Streif in Kitzbühel. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Auch deshalb verneigten sich am Fuße des Hahnenkamms gestern die Ski-Legenden von Karl Schranz bis Marc Girardelli vor dem Kärntner, der im Ziel neun Hundertstelsekunden oder umgerechnet 2,70 Meter vor dem Italiener Christof Innerhofer lag. "Es war ein Kindheitstraum, einmal hier in Kitzbühel zu gewinnen", erklärte Mayer nach seinem vierten Weltcupsieg, dem dritten auf österreichischem Schneeboden.

Der 26-Jährige war schließlich fast selbst ein wenig überrascht, wie souverän, sicher und schnell er diese eisige Streif gemeistert hat. Denn die Nachwehen des Sturzes hatten ihm lange zu schaffen gemacht. Noch zu Saisonbeginn hatte sich Mayer außerstande gesehen, richtig ans Limit zu gehen. "Ich habe mich nicht getraut, voll zu fahren", gestand der Abfahrts-Olympiasieger von 2014. "Da war einfach Angst dabei."

Stehaufmännchen

Matthias Mayer sprach damit seinen Kollegen auf dem Siegespodest aus der Seele. Denn neben ihm standen mit Innerhofer und Beat Feuz zwei Abfahrer, die ebenfalls einen langen Leidensweg hinter sich haben und die wie der Kärntner von Selbstzweifeln geplagt wurden. Der Südtiroler ("ich hatte eigentlich gar nicht mit mir gerechnet") hatte wegen heftiger Schmerzen im Bein das zweite Abfahrtstraining auslassen müssen und war für den Super-G fitgespritzt worden. Und der Schweizer Beat Feuz (elf Knieoperationen) ist ohnehin das größte Stehaufmännchen, das es derzeit im alpinen Weltcup gibt.

Für Feuz ist Matthias Mayer nun auch der Mann, den es in der Abfahrt (11.30 Uhr, live in ORFeins) zu schlagen gilt. Der Super-G-Sieger will von der Favoritenrolle freilich nichts wissen: "Das ist wahrscheinlich die schwierigste Abfahrt, die ich je gefahren bin. Ich wäre mit den Top Ten schon zufrieden."

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