Stefan Kraft vor dem WM-Springen: "Die Topfavoriten sind wir nicht"
Die WM in Oberstdorf ist für die Österreicher die letzte Gelegenheit, um eine vermurkste Saison zu retten. Heute wartet der Bewerb auf der Normalschanze.
Wann immer in den letzten Jahren am Schanzentisch die Rede auf die Topfavoriten und Sieganwärter kam, dann durfte ein Name nicht fehlen: Stefan Kraft. Der Salzburger war stets ein Synonym für Verlässlichkeit und Konstanz auf allerhöchstem Niveau, ein Skispringer, der sich selten eine Blöße gab und gerade bei Weltmeisterschaften immer eine Medaillenbank war.
2015 in Falun: WM-Bronze auf der Normalschanze.
2017 in Lahti: Gold auf der Groß- und auf der Normalschanze.
2019 in Seefeld: Bronze auf der Normalschanze.
Einen wie ihn muss man also immer auf der Rechnung haben, sobald irgendwo um Medaillen gesprungen wird. Doch vor dem ersten WM-Bewerb auf der kleinen Schattenbergschanze in Oberstdorf (17 Uhr/live ORF1) wiegelt selbst der ansonsten so optimistische Kraft ab. „Die Topfavoriten sind wir diesmal sicher nicht.“
Rückenprobleme
Der zweifache Gesamtweltcupsieger hat eine für seine Verhältnisse schwache Saison hinter sich. Ein dritter Platz in Titisee-Neustadt, das ist die magere Ausbeute des Skiflugweltrekordhalters (253,5 Meter), der aktuell im Weltcup nur auf Rang 17 aufscheint.
Aber die große Kristallkugel hatte der amtierende Gesamtweltcupsieger ohnehin schon nach den ersten Weltcupbewerben abgeschrieben. Die Corona-Infektion, die Stefan Kraft wie das gesamte ÖSV-Team im November aus der Bahn warf, vereitelte früh die erfolgreiche Titelverteidigung. Danach zwickte ihn der Rücken, weshalb er erst die Skiflug-WM in Planica verpasste und dann auch bei der Vierschanzentournee noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war. Bleibt als letzte Chance, um eine von Beginn an verkorkste Saison zu retten, nur mehr die Weltmeisterschaft in Oberstdorf.
Corona-Watschn
Das weiß auch der neue Cheftrainer Andreas Widhölzl, der in seinem ersten Jahr im Amt bereits einiges mitmachen musste. „Das war sehr turbulent. Uns hat’s gebeutelt, wir haben zwei Corona-Watschn einstecken müssen. In Wahrheit ist es nie ins Laufen gekommen“, sagt der Tiroler.
Warum Widhölzl dennoch zuversichtlich ist, dass seinen Springern nun ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt die Trendwende gelingen wird?
„Weil ich weiß, welches Potenzial in unserem Team steckt“, antwortet der 44-Jährige und verweist auf die vielen Teilerfolge im Laufe dieses Weltcupwinters. Die zwei Siege in den Teamspringen etwa, die teils starken Auftritte im Training, nicht zuletzt die Leistungen bei den Testsprüngen auf dem kleinen WM-Bakken in Oberstdorf, als die Österreicher im Spitzenfeld landeten. „Ich bin überzeugt, dass wir eine gute WM springen. Wir können absolut um den Sieg mitspringen“, glaubt Chefcoach Widhölzl.
Es steht ja auch eine stolze österreichische Serie auf dem Spiel: Seit 2005, seit der letzten WM in Oberstdorf, haben die ÖSV-Adler noch bei jeder WM zumindest eine Einzelmedaille gewonnen.
Bei den letzten zwei Titelkämpfen war es immer an Stefan Kraft, die österreichischen Fahnen hochzuhalten. „Ich brauch’ mich nicht vor der Konkurrenz zu fürchten“, sagt der 27-Jährige, der sich diesmal ausnahmsweise nur in der Außenseiterrolle wieder findet. „Aber das ist vielleicht gar nicht so schlecht.“
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