Die Fragen hinter Gregor Schlierenzauers Rückkehr

Schlierenzauer: "Ich bin jetzt erwachsen geworden".
Der 27-Jährige geht in Wisla erstmals nach seiner einjährigen Auszeit wieder über die Schanze.

Er ist also wieder da. 376 Tage nach seinem letzten Auftritt (Rang 33 beim Bergiselspringen, 3. Jänner 2016) meldet sich Gregor Schlierenzauer am Freitag wieder im Weltcup zurück. Hinter ihm liegt ein ereignisreiches Jahr, in dem sich der Tiroler auch die Sinnfrage gestellt hat. Den Kreuzbandriss, den er sich im März beim Heliskiing in Kanada zugezogen hatte, bezeichnet Schlierenzauer heute als "Glücksfall. Weil ich dadurch mehr Zeit zum Nachdenken bekommen habe".

In seiner Auszeit hat der 27-Jährige die Freude am Skispringen neu entdeckt. Gregor Schlierenzauer fühlt sich bereit für neue Höhenflüge. "Ich bin gut drauf", versichert der erfolgreichste Skispringer der Weltcupgeschichte (53 Siege) vor dem ersten Wettkampfsprung heute in der Qualifikation in Wisla (17.45 Uhr/live Eurosport).

Was ist Gregor Schlierenzauer bei seiner Rückkehr zuzutrauen?

Im Training stand der Tiroler seinen Kollegen um nichts nach. Sofern ihm der Wind keinen Streich spielt, sollte die Qualifikation für den Bewerb am Samstag kein Problem sein. "Ich würde ihn von seinem Leistungspotenzial schon in den Top 20 sehen", sagt Cheftrainer Heinz Kuttin. "Wenn er in Wisla zwei Mal keine Punkte holen würde, dann wäre ich unzufrieden."

Warum hat Schlierenzauer nicht den Weg über den Kontinentalcup gewählt?

Das war in erster Linie eine Vernunftentscheidung, hat aber auch ein wenig mit Stolz zu tun. Der Kontinentalcup kann keine Bühne für den erfolgreichsten Skispringer der Weltcupgeschichte sein. "Dort wird meist mit viel mehr Anlauf gesprungen", erklärt der Tiroler. Das Risiko eines zu weiten Sprungs und eines gefährlichen Landemanövers wollte Schlierenzauer nicht eingehen.

Ist Wisla ein guter Boden für das Comeback?

Die Lieblingsschanzen des Stubaiers stehen woanders. Bei seinem letzten Antreten in Polen war er 2015 als 38. regelrecht abgestürzt. Vielleicht waren Ort und Zeitpunkt des Comebacks aber gar nicht einmal so schlecht gewählt. Nach dem Tourneesieg von Kamil Stoch liegt Polen im Skisprung-Fieber. Das Medien-Interesse an der Rückkehr von Gregor Schlierenzauer wird sich daher in Grenzen halten.

Wer betreut den Tiroler bei seiner Rückkehr?

Christoph Strickner steht in Wisla als zusätzlicher Betreuer auf dem Trainerturm. Der Coach vom Skigymnasium Stams hat in den vergangenen Monaten Schlierenzauer wieder auf die Sprünge geholfen und ist zur wichtigen Vertrauensperson geworden. "Mir war wichtig, dass Gregor von dem Trainer begleitet wird, der mit ihm so eng zusammengearbeitet hat", erklärt Chefcoach Kuttin.

Wie sehr hat sich der 27-Jährige in der Auszeit verändert?

"Ich bin jetzt erwachsen geworden", sagt Gregor Schlierenzauer. Bei seinem rasanten Aufstieg vom Teenager zum Superstar sind die Jugendjahre zu kurz gekommen, dazu hatte ihm die öffentliche Erwartungshaltung zugesetzt. "Ich hatte im letzten Jahr das erste Mal die Gelegenheit, aus dem Hamsterrad auszubrechen. Es war richtig angenehm, einmal nicht wie eine Maschine funktionieren zu müssen."

Langjährige Wegbegleiter begrüßen seine offene Art, der Tiroler wirkt geerdet und nicht mehr so abgehoben wie in seiner Jugend. Schlierenzauer hat sich zudem für einen radikalen Neustart entschieden, und sich von Onkel, Mentor und Manager Markus Prock emanzipiert. Mittlerweile wird er vom Ex-Springer Hubert Neuper beraten.

Warum war Schlierenzauer schon vor seiner Auszeit nicht mehr so erfolgreich?

In seinen Jugendjahren war die Kombination Athlet – Technik – Material schlicht perfekt, das war auch Schlierenzauer bewusst. "Ich habe damals sicher vom Material profitiert." Mit den engeren Anzügen und der Erfindung der Stab-Bindung ging die Dominanz des Stubaiers verloren. Schlierenzauer, der als einer der letzten Springer auf das neue Bindungssystem wechselte, hatte in den vergangenen Jahren viel Zeit in die Materialtüftelei investiert – dabei kam das Skispringen etwas zu kurz. "Wir haben daher im Training jetzt viel Wert auf die Technik gelegt", erklärt Trainer Harald Haim.

Kann Schlierenzauer wieder ganz der Alte werden?

Wer, wenn nicht er? Trainer, Kollegen und Experten glauben, dass Schlierenzauer die Pause gutgetan und in ihm einen neuen Erfolgshunger geweckt hat. Zumal er noch einige Ziele vor Augen hat. Der Einzel-Olympiasieg fehlt ihm noch in seiner Karriere, dazu findet 2019 die WM in Seefeld statt. Wie meint doch der deutsche Chefcoach Werner Schuster. "Wenn Noriaki Kasai mit 42 Springen gewinnen kann, dann kann es Schlierenzauer allemal."

Karriere

Gregor Schlierenzauer (*7. Jänner 1990) gelang 2006 ein kometenhafter Aufstieg, als er mit 16 in Lillehammer sein erstes Weltcupspringen gewann. Dort feierte er 2014 auch seinen bisher letzten Sieg. Im letzten Winter nahm sich der Stubaier nach der Tournee eine Auszeit, in der er sich beim Skifahren das Kreuzband riss.

Erfolge

Der Tiroler ist mit 53 Siegen der erfolgreichste Springer der Weltcup-Geschichte. Je zwei Mal gewann er den Gesamtweltcup und die Tournee. 2011 wurde er Weltmeister auf der Großschanze, 2010 Olympiasieger mit dem Team, dazu gewann er Gold bei der Skiflug-WM. 15 Medaillen holte er bei Großereignissen.

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