ÖSV-Ass Nina Ortlieb wagt in St. Moritz das nächste Comeback

Nina Ortlieb ist zurück
Nach zwei Unterschenkelbrüchen in 13 Monaten meldet sich Nina Ortlieb wieder im Weltcup zurück. Im Abfahrtstraining in St. Moritz bestand sie die Nagelprobe.

Wenn sich Nina Ortlieb einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist sie nur schwer davon abzubringen. Und mögen ihr noch so viele Wegbegleiter von ihrem Plan abraten. Widerstände und Gegenwind scheinen die ehrgeizige Lecherin nur noch mehr zu beflügeln. Das war auch in den vergangenen Monaten nicht anders.

Nach dem zweiten Unterschenkelbruch innerhalb von 13 Monaten, der x-ten schweren Verletzung in der schmerzhaften Laufbahn von Nina Ortlieb, hatten sie manche zum Rücktritt aufgefordert.

Nina Ortlieb

Nina Ortlieb

Sie solle es doch, bitteschön, endlich bleiben lassen, war vielerorts zu hören. Sie möge die Zeichen verstehen und das Schicksal nicht noch einmal herausfordern.

Natürlich sind auch Nina Ortlieb die Stimmen der Kritiker und Skeptiker zu Ohren gekommen. Doch sie hat ihnen einfach kein Gehör geschenkt und sich in ihrer Absicht nur noch mehr bestätigt gefühlt. „Mein Ziel war es immer, bei den ersten Speedrennen wieder am Start zu stehen“, sagt Ortlieb. Gesagt, getan, gestartet – im ersten Abfahrtstraining in St. Moritz belegte die Stehauffrau vom Arlberg am Mittwoch, den 16. Rang und lag nur 1,33 Sekunden hinter der Schnellsten, Lindsey Vonn (USA).

Verblüffende Tests

Es mag sich bei einer Spitzensportlerin mit einer so langen Krankenakte komisch anhören: Aber mit 29 fühlt sich Nina Ortliebs geschundener Körper gerade so robust an wie nie zuvor. Die Ärzte und Trainer waren verblüfft von den Werten bei den medizinischen Tests. Die nackten Zahlen decken sich mit dem subjektiven Eindruck der feinfühligen Abfahrerin. „Ich habe wieder Vertrauen in meinen Körper“, sagt Ortlieb im KURIER-Gespräch. „Ich stehe endlich schmerzfrei am Start und schleppe keine Sorgen mit mir mit.“

Das war vor einem Jahr ganz anders. Im Dezember 2023 hatte sich Nina Ortlieb in St. Moritz beim Einfahren das Schien- und Wadenbein gebrochen. Zwölf Monate danach konnte die WM-Zweite von 2023 (Abfahrt) zwar noch immer nicht richtig gehen, schmiss sich aber trotzdem mit 120 km/h die eisigen Abfahrtspisten hinunter. „Ich habe jeden Tag die Folgen meines Sturzes gespürt.“

Auf die harte Tour

Es war fast zu befürchten, dass dieses Comeback nicht gut enden würde. Bei einem Sturz Ende Jänner in Garmisch brach der ramponierte rechte Unterschenkel erneut, dabei verformte sich der Metallnagel, der ihr bei der ersten OP eingesetzt worden war, um 45 Grad. Ortlieb musste sich mehreren Operationen unterziehen. „Ich habe es auf die harte Tour lernen müssen“, sagt die 29-Jährige.

Aus heutiger Sicht war dieser zweite Unterschenkelbruch ein Glücksfall. Zwar wurde Nina Ortlieb durch diese Verletzung wieder weit zurückgeworfen, doch zugleich wurde sie von ihrem großen Leiden befreit. „Ich stehe heute ganz anders da als bei meinem Comeback vor einem Jahr.“

Das erinnert frappant an den Leidensweg ihrer Teamkollegin Mirjam Puchner. Die Salzburgerin hatte sich 2017 in St. Moritz den Unterschenkel gebrochen und wurde danach ständig von Schmerzen geplagt. Puchner ließ sich damals das Wadenbein freiwillig noch einmal durchschneiden, begann bei null und kam durch diese ungewöhnliche Maßnahme als Rennläuferin wieder auf die Beine.

Neues Gefühl

Nina Ortlieb fühlt sich als Rennläuferin jedenfalls wie neu geboren. „Letztes Jahr war ich auf der Piste oft Passagier, jetzt kann ich viel mehr agieren und auch richtig reagieren“, berichtet die 29-Jährige.

Wer die ehrgeizige Tochter von Abfahrtsolympiasieger Patrick Ortlieb kennt, der weiß, dass sie sich sicher in den Rennen nicht in Zurückhaltung üben wird. Die ÖSV-Trainer waren verblüfft von der Risikobereitschaft, dem mutigen Fahrstil und den Topzeiten der Lecherin in den Testläufen. „Ich habe meine Erwartungen, kämpfe aber damit, dass ich sie möglichst niedrig halte“, erklärt Ortlieb. Nachsatz: „Aber ich glaube nicht, dass ich chancenlos bin.“

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