ÖSV-Star Max Franz nach Horror-Sturz: "Mein linker Fuß war Gulasch"

Große Genugtuung: Max Franz wagt sich wieder über die Abfahrtspiste
Komplizierte Unterschenkelfraktur im rechten Bein. Offener Unterschenkelbruch links. Der Nervenstrang zu 80 Prozent durchtrennt. Kompartmentsyndrom. 114 Zentimeter lange Narben an beiden Unterschenkeln.
Kann ein Skifahrer nach so einer Horrorverletzung wieder auf die Beine kommen und in den Weltcup zurückkehren?
Max Franz hat genau das vor. Fast drei Jahre nach seinem schweren Sturz in Copper Mountain startet der Kärntner in dieser Woche in Saas Fee in seinen ersten Trainingskurs mit dem ÖSV-Abfahrtsteam. „Das haben nur die wenigsten geglaubt, dass ich das schaffe.“
KURIER: Haben Sie selbst immer daran geglaubt?
Max Franz: Das war für lange Zeit verdammt weit weg. Ich bin erst im Rollstuhl gesessen, dann habe ich monatelang Krücken gebraucht. Aber der Wille war immer da, wieder zurückzukommen. Und das war auch tagtäglich meine Motivation, damit ich drangeblieben bin und nicht aufgegeben habe.

Max Franz saß nach dem Unfall einige Zeit im Rollstuhl
Wann haben Sie gespürt, dass eine Rückkehr möglich sein könnte?
Ostern 2024 habe ich eine erste Skitour gemacht. Ich habe damals noch nicht gescheit gehen können, aber im Skischuh ist es halbwegs gegangen. Meine Fußsohle im linken Bein war hypersensibel, der Schmerz war unglaublich. Wenn ich nur gerutscht bin, hat’s schon furchtbar wehgetan. Ab Herbst 2024 habe ich dann gespürt, dass es immer besser wird. Seither bin ich immer brav Skifahren gegangen. Die WM in Saalbach ist mir aber noch ein bisschen zu früh gekommen (lacht).
Sie waren immerhin als Vorläufer im Einsatz.
Und das war auch das absolute Highlight. Vor allem war es aber wichtig für den Kopf. Du stehst wieder oben am Start, fährst auf einer abgesperrten Weltcuppiste und schwingst in einem Stadion ab – das kannst du nicht trainieren. Es war eine schneidige Aktion, weil ich bis dahin noch nie gesprungen bin und nicht gewusst habe, wie mein Fuß reagiert. Das Springen hat mich sehr viel Überwindung gekostet. Aber so hatte ich die Chance, wieder reinzuschnuppern.

Und wo stehen Sie aktuell?
Ich war das letzte Mal Ende Juni auf Schnee. Ich habe geschaut, dass ich so viel Zeit wie möglich in den Skischuhen verbringe. Der enge Skischuh wirkt wie ein Gips, da habe ich eine gewisse Stabilität, die mir guttut.
Das heißt, Sie haben immer noch körperliche Probleme?
Länger gehen ist nach wie vor schwierig, das wird mich noch länger begleiten. Laufen geht gar nicht, aber das brauche ich auch nicht. Springen ist auch ein Problem. Es ist halt alles anders seit der Verletzung. Mein linker Fuß war Gulasch mit der ganzen Geschichte, die ich hatte. Es war von Anfang an klar, dass sich dieser Fuß neu erfinden muss
Das ist offenbar gelungen.
Es ist jedenfalls gelungen, die Muskulatur wieder aufzubauen. Da gab es auch einige Bedenken, ob sich der Muskel überhaupt noch erholt.
Und was ist mit dem durchtrennten Nervenstrang?
Meine Fußsohle ist immer noch teilweise taub, an anderen Stellen ist sie dafür hypersensibel. Barfuß über Schotter gehen? Keine Chance. Wenn ich barfuß über Asphalt gehe und auf ein Steinchen trete und das kommt auf den falschen Punkt auf der Fußsohle – dann falle ich um wie ein Bahnschranken. Aber das Krafttraining funktioniert, konditionsmäßig bin ich auf einem sehr guten Weg. Ich habe es mir erarbeitet, dass ich mit dem Team ins Trainingslager nach Chile fahren kann.
Brauchen Sie eigentlich noch Medikamente?
Ich habe eineinhalb Jahre Lyrica nehmen müssen, das sind spezielle Schmerzmittel für meinen Nerv. Gescheite Hämmer. Inzwischen habe ich sie aber abgesetzt und verwende spezielle Pflaster mit hoch konzentriertem Chilli. Die pick’ ich mir einmal im Monat auf die Fußsohle, das dämpft alles. Es brennt dann zwar drei Tage richtig, aber ich merke, dass es hilft.
Wie kriegt man nach so einer Verletzung wieder Vertrauen in seinen Körper?
Indem man immer dran bleibt und sich nicht fallen lassen.
Das hört sich so einfach an.
Ich geb’s zu: Die Nerven sind oft mit mir durchgegangen. Es ist zach, wenn du einen guten Tag hast und glaubst, es geht so weiter und dann haut es dich wieder zurück, weil alles wehtut. Mir war immer wichtig, dass ich nicht in ein Loch falle und mich ja nicht hängen lasse. Es geht dabei ja am Ende nicht nur ums Skifahren.
Sondern?
Ich möchte im Leben nach der Karriere nicht eingeschränkt sein und möglichst alles machen können. Wenn du von vornherein sagst, dass es eh nichts wird, dann lässt man alles glankeln und ist nicht so dahinter. Der Wille und die Motivation zurück zu kommen in den Weltcup beinhaltet auch, dass es für das restliche Leben alles passt.

Sie sind im März 2022 ihr letztes Rennen gefahren. Wie kann man dreieinhalb Jahre ohne Rennpraxis vergessen machen?
Das kann ich im Moment noch nicht beantworten. Ich habe gelernt, dass ich Schritt für Schritt gehen muss. Mein großes Ziel ist es, am Start zu stehen und wirklich sagen zu können: ,Ja, ich bin bereit.’ Dass ich die Sicherheit habe und das Vertrauen in meinen Körper. Das möchte und muss ich mir alles erarbeiten. Ich bin sehr gespannt, wenn ich jetzt mit dem Team unterwegs bin und die ersten Abfahrtstrainings anstehen. Wie weit bin ich weg? Schaffe ich den Anschluss? Ist es möglich, dass ich noch einmal konkurrenzfähig sein kann?
Was glauben Sie?
Mein Gefühl sagt: Ja.
Ohne wenn und aber?
Es bringt jetzt nichts, zu weit in die Zukunft zu blicken. Ich habe jetzt schon einiges geschafft, wahrscheinlich mehr, als mir die meisten zugetraut haben. Alles was noch kommt, ist Zugabe.
Und wo soll die Reise hinführen?
Mein Ziel ist es, dass ich mit Anfang der Saison in den Weltcup einsteige. Mich hat es mit der Startnummer weit nach hinten gespült, ich muss also hinten nach fahren. Und natürlich muss ich vorher in die interne Quali. Wenn ich den Anschluss nicht finden sollte, dann hat sich das Ganze eh schnell erledigt. Wenn ich nicht mitfahren kann, dann habe ich im Weltcup nichts verloren. Dass ich einfach nur einmal noch herunterfahre, das interessiert mich nicht. Wenn sollte ich schon konkurrenzfähig sein. Darauf arbeite ich hin. Die Schritte, die ich im letzten Jahr gemacht habe, zeigen mir, dass es möglich ist.
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