Olympische Spiele im Big-Brother-Container
Für Spätentschlossene und all jene, die immer noch Feuer und Flamme sind, dass die Olympischen Winterspiele in Sotschi stattfinden: An den Hotelzimmern und Eintrittskarten würde es nicht scheitern. Zwölf Tage vor der Eröffnung ist es ein Kinderspiel, in Krasnaja Poljana, dem Hauptort in den Bergen oberhalb von Sotschi, eine Unterkunft zu bekommen. Bei www.booking.com gibt’s die Bleibe derzeit um 718 Euro – pro Nacht wohlgemerkt.
Alarmstufe Rot
„Es ist schon skurril, dass die Athleten eigentlich nicht gefragt werden, ob sie sich auf Olympia freuen, sondern mit wie viel Angst sie nach Sotschi fahren“, meint Ex-Kombinierer Felix Gottwald.
Wer tatsächlich zu den Spielen ans Schwarze Meer reist, der betritt einen Hochsicherheitstrakt. Mehr als eine Milliarde Euro investiert Wladimir Putin in die Sicherheit. Aufklärungssatelliten wurden über dem Kaukasus in Position gebracht, Drohnen schweben über den Sportstätten, Kriegsschiffe, Panzer, U-Boote und Kampfjets sind im Einsatz, 60.000 Uniformierte in Alarmbereitschaft. Dazu werden vom Geheimdienst für die Zeit der Spiele sämtliche eMails gelesen und alle Telefonate und Kurznachrichten überwacht. Die NSA lässt grüßen.
Mario Stecher hat sich längst damit abgefunden, dass er sich bei Olympia nicht mehr frei bewegen darf und kann. Der 36-jährige Kombinierer erlebt in Sotschi seine sechsten Winterspiele, und der aktuelle Kontroll-Wahn ist für ihn Sicherheitsbusiness as usual. „2002 in Salt Lake City hat alles angefangen, und sich alles verändert“, erinnert sich Stecher, „damals habe ich das erste Mal gespürt, dass man rund um die Uhr kontrolliert wird.“
Einen Vorgeschmack auf das, was die Olympia-Teilnehmer, Fans und Offiziellen in den nächsten Wochen erwartet, konnten einige Sportler bereits bei den Generalproben in Sotschi erleben.
Bodyguard
Kombinierer Wilhelm Denifl hatte beim Lokalaugenschein im russischen Kurort sogar einen eigenen Kur-Schatten. „Nach einem Tag ist mir aufgefallen, dass ständig ein Mann mit Anzug bei mir herumschwanzelt“, berichtet der Tiroler. Auch beim Langlaufen machte Denifl Bekanntschaft mit Putins Security-Garde. „Wenn du in den Wald gelaufen bist, war es richtig unheimlich: Da hat’s geraschelt, weil überall zwischen den Bäumen Sicherheitsleute gelegen sind.“
Abschreckung
Die Sport-Fans schrecken solche Geschichten genauso ab wie die vergangenen Terroranschläge in Wolgograd. Obwohl die Veranstalter die Zuschauerzahlen für die Bewerbe in der Bergregion aus Sicherheitsgründen halbiert haben, sind noch 30 Prozent der Eintrittskarten zu haben. Was auch mit den horrenden Preisen in der Region zu tun hat. „Wenn man alles einrechnet dann kommt man auf 3000 Euro am Tag“, meint Sportdirektor Ernst Vettori.
Dass bei den Rekordspielen in Sotschi – Präsident Putin lässt sich das Ereignis 37 Milliarden Euro kosten – wohl nicht mit einem Besucherrekord zu rechnen ist, weiß man auch beim Internationalen Olympischen Komitee. Wie meint doch gleich Gerhard Heiberg, der Chef der Marketing-Kommission des IOC: „Einige haben Angst, es kostet zu viel, andere haben Angst um ihre Sicherheit.“
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