Schlierenzauer jagt Nykänen

Im Dauerhoch: Gregor Schlierenzauer flog bei der Tournee-Generalprobe in Engelberg zum 43. Sieg und ins gelbe Trikot des Weltcupleaders.
Engelberg-Sieger Gregor Schlierenzauer ist auf dem Sprung in die Geschichtsbücher.

Als hätte er’s genauso geplant und gewollt. Als wäre er auf dem Reißbrett alles schon einmal penibel durchgegangen. Mit Blickrichtung auf diesen 4. Jänner 2013, einem Tag, an dem Gregor Schlierenzauer Geschichte schreiben könnte. Und welcher Ort würde sich da besser anbieten als der Bergisel, die Haus- und Hofschanze des Tiroler Überfliegers.

Am 4. Jänner könnte es jedenfalls schon so weit sein. Dann könnte Gregor Schlierenzauer in Innsbruck ein Lebensziel erreicht haben. Drei Weltcup-Siege fehlen ihm nur mehr auf die finnische Nummer eins, Matti Nykänen (46 Erfolge). Mit Triumphen bei den ersten drei Stationen der Vierschanzen-Tournee in Oberstdorf (30.Dezember), Garmisch (1.Jänner) und eben am 4. Jänner am Bergisel könnte der 22-jährige Stubaier also bereits mit Nykänen gleichziehen.

Graue Theorie?

Tourneespezialist

Möglicherweise. Doch einem wie Gregor Schlierenzauer ist alles zuzutrauen. Selbst ein Sieg-Hattrick bei der Tournee. Wer im Schnitt in jedem zweiten Springen seiner Karriere auf dem Stockerl landet, vor dem ist kein Rekord sicher. Zumal der 22-Jährige die Tourneeschanzen auch zu seinen Lieblingsdestinationen zählt. Als einer der wenigen Skispringer hat der Tiroler bereits auf allen vier Schanzen gewonnen. „Jeder weiß, dass ich der beste Skispringer der Welt sein möchte“, sagt Schlierenzauer, „aber ich habe gelernt, dass man gewisse Dinge nicht erzwingen kann und manche Erfolge passieren müssen.“

Der sonntägige Weltcup-Erfolg in Engelberg, noch so einem Ort, an dem sich Schlierenzauer pudelwohl fühlt (vier Weltcupsiege), ist dem Stubaier jedenfalls nicht einfach nur zugeflogen. Der Jungstar hat ihn sich vielmehr erarbeitet. Im Training hatte Schlierenzauer nämlich noch mit seinen Sprüngen gehadert. Erst eine Detailanalyse mit anschließendem Feintuning hat dem Tiroler auf die Sprünge geholfen. „Dadurch konnte ich das Ruder noch herum reißen.“

Länderkampf

So ungefähr hört sich Jammern auf höchstem Niveau an. Sieht man von einem Ausrutscher in Sotschi einmal ab (Rang 25) hat Schlierenzauer in diesem Winter ein Abo auf Spitzenplätze. Engelberg war bereits sein dritter Weltcupsieg im siebenten Saisonspringen, mit seinem 43. Erfolg überhaupt überflügelte der Stubaier auch den Deutschen Severin Freund, der bis Engelberg den Weltcup angeführt hatte. Auch in der Nationenwertung sind die Österreicher wieder am Erzrivalen vorbei gezogen.

Österreich vs. Deutschland – so lautet bereits den ganzen Winter über das Motto am Schanzentisch. In den bisherigen sieben Wettkämpfen gab es nur Sieger aus den beiden Adler-Hochburgen: Schlierenzauer (3), Freund (2), Andreas Kofler (2). Der Trend bestätigte sich auch in Engelberg, wo der erste Nicht-Deutsch-Österreicher erst auf Platz 6 (Peter Prevc, Slowenien) zu finden war.

Andreas Kofler, der Sieger vom Samstag, verpasste auf seiner Lieblingsschanze in Engelberg das Double nur um 3,4 Punkte. Der Halbzeitleader wurde im Finaldurchgang verblasen und teilte sich den zweiten Rang mit einem Mann, in dem viele Insider den größten Tournee-Konkurrenten der Österreicher sehen: Dem 17-jährigen Andreas Wellinger, der bis vor einem Jahr angeblich noch Nordischer Kombinierern war. Der deutsche Chefcoach Werner Schuster hat das Talent des Youngsters erkannt und ihn zu den Profis befördert. Der Kleinwalsertaler hat ein Gespür für Überflieger. Schuster war auch der erste Trainer eines gewissen Gregor Schlierenzauer

Endstand:
1. Gregor Schlierenzauer AUT 136,0/131,0 273,7
2. Andreas Kofler AUT 137,5/126,0 270,3
. Andreas Wellinger GER 130,0/138,5 270,3
4. Wolfgang Loitzl AUT 135,0/128,5 262,7
5. Michael Neumayer GER 133,0/127,0 261,3
6. Severin Freund GER 133,5/126,5 261,1
. Peter Prevc SLO 132,0/127,0 261,1
8. Richard Freitag GER 126,5/136,5 261,0
9. Tom Hilde NOR 129,0/133,0 259,0
10. Denis Kornilow RUS 128,5/132,5 258,5
11. Anders Bardal NOR 132,0/126,5 254,3
12. Jaka Hvala SLO 124,5/133,0 253,4
13. Maciej Kot POL 131,5/123,5 252,6
14. Kamil Stoch POL 131,0/123,5 252,3
15. Michael Hayböck AUT 127,0/131,5 251,7
16. Lauri Asikainen FIN 129,5/129,0 250,7
17. Dawid Kubacki POL 128,0/130,0 250,4
18. Manuel Fettner AUT 126,5/129,5 250,3
19. Jurij Tepes SLO 130,0/123,0 249,4
20. Andreas Wank GER 124,0/130,5 246,6
21. Dimitri Wassilijew RUS 126,5/132,5 245,9
22. Lukas Hlava CZE 124,0/128,0 242,1
23. Rune Velta NOR 123,5/127,5 241,6
24. Noriaki Kasai JPN 124,5/130,0 239,6
25. Anders Jacobsen NOR 125,5/126,5 239,2
26. Simon Ammann SUI 126,5/123,5 238,0
27. Taku Takeuchi JPN 127,5/124,0 237,1
28. Reruhi Shimizu JPN 124,0/125,5 234,8
29. Yuta Watase JPN 126,5/126,0 234,6
30. Thomas Morgenstern AUT 127,0/120,0 231,5
31. Krzystof Mietus POL 126,0/122,5 230,3

 

1. Durchgang
1. Andreas Kofler AUT 137,5 141,2
2. Gregor Schlierenzauer AUT 136,0 138,1
3. Michael Neumayer GER 133,0 134,9
4. Wolfgang Loitzl AUT 135,0 134,6
5. Severin Freund GER 133,5 134,5
6. Peter Prevc SLO 132,0 133,8
7. Kamil Stoch POL 131,0 132,8
8. Maciej Kot POL 131,5 131,7
9. Jurij Tepes SLO 130,0 131,2
10. Anders Bardal NOR 132,0 130,9
11. Andreas Wellinger GER 130,0 130,3
12. Denis Kornilow RUS 128,5 129,5
13. Tom Hilde NOR 129,0 128,6
14. Lauri Asikainen FIN 129,5 127,0
15. Dawid Kubacki POL 128,0 125,5
16. Richard Freitag GER 126,5 124,6
17. Michael Hayböck AUT 127,0 124,0
18. Manuel Fettner AUT 126,5 123,2
19. Thomas Morgenstern AUT 127,0 123,0
20. Taku Takeuchi JPN 127,5 122,8
21. Simon Ammann SUI 126,5 122,2
22. Jaka Hvala SLO 124,5 121,6
23. Yuta Watase JPN 126,5 121,1
24. Noriaki Kasai JPN 124,5 120,4
25. Reruhi Shimizu JPN 124,0 120,2
26. Dimitri Wassilijew RUS 126,5 120,1
27. Andreas Wank GER 124,0 120,0
28. Anders Jacobsen NOR 125,5 119,7
29. Rune Velta NOR 123,5 119,4
30. Lukas Hlava CZE 124,0 119,2
. Krzystof Mietus POL 126,0 119,2
Nicht im Finale u.a.:
  Martin Koch AUT 123,5 118,5

Weltcup-Wertung

 1.  Gregor Schlierenzauer  AUT 448
 2.  Severin Freund  GER 430
 3.  Andreas Kofler AUT 396
 4.  Andreas Wellinger GER 290
 5.  Anders Bardal  NOR 286
 6.  Thomas Morgenstern  AUT 223
 7.  Richard Freitag  GER 220
 8.  Wolfgang Loitzl  AUT 187
 9.  Jaka Hvala  SLO 180
10.  Simon Ammann  SUI 171
11.  Peter Prevc  SLO 149
12.  Anders Jacobsen  NOR 146
13.  Anders Fannemel  NOR 145
14.  Michael Neumayer  GER 145
15.  Taku Takeuchi  JPN 129
Weiter:      
17.  Manuel Fettner  AUT 104
32.  Michael Hayböck AUT 40
33.  Martin Koch  AUT 39

Man muss ihn auf der Tournee-Rechnung haben. Auch wenn er in diesem Winter noch nie auf dem Podest gelandet ist, auch wenn seine Sprünge noch nicht die Perfektion und Eleganz früherer Jahre ausstrahlen. Aber die Formkurve von Wolfgang Loitzl zeigt konstant und rasant nach oben: Platz sechs am Samstag, Platz vier am Sonntag – da präsentiert sich ein Oldie augenscheinlich in alter Frische. „Ich spüre, dass wieder etwas weiter geht“, lächelt der 32-jährige Steirer, der im vergangenen Winter mit einem Bein bereits in der Adler-Rente gestanden war.

Damals hatte sich Loitzl aus dem Weltcupzirkus zurück gezogen, nachdem er nur selten in den Punkterängen gelandet war. Über den Umweg Kontinentalcup, die zweite Leistungsstufe im Skispringen, kehrte Loitzl wieder zur Weltklasse zurück. Für die Tournee hat er genauso einen Fixplatz wie Schlierenzauer, Kofler und Morgenstern. Michael Hayböck, der Jüngste im ÖSV-Horst, machte in Engelberg als 15. Werbung in eigener Sache.

Kommentare