Rotter: "Jeder von uns könnte in der NHL spielen"

Rotter: "Jeder von uns könnte in der NHL spielen"
Der Wiener Publikumsliebling spricht vor dem Schlagerspiel am Freitag gegen Salzburg über Druck, Qualitäten und Olympia.

Wie oft haben Sie sich in der letzten Woche die Tabelle angesehen?
Gar nicht. Ich schau fast nie auf solche Statistiken. Wenn man acht Partien in Folge gewinnt, weiß man, dass man weiter oben steht. Aber es war mir schon in der Vorbereitung klar, dass wir eine Mannschaft sind, die das Potenzial für ganz vorne hat.

Vor der Siegesserie war die Stimmung in Wien schon sehr schlecht.
Wir haben Verletzungspech gehabt und dann kamen auch die personellen Entscheidungen dazu. Es ist für viele Spieler nicht leicht, weil sie sich selbst in Frage stellen und Angst um ihren Job haben. Vor der Siegesserie haben wir viele Meetings gehabt. In Wien wird sehr viel verlangt. Wir Spieler haben untereinander auch viel geredet. Wir haben uns darauf eingeschworen, dass wir alles ausblenden und 120 Prozent geben, wenn wir in der Halle sind. Und dass wir den Sport wieder genießen, so wie früher als wir Kinder waren. Jetzt sieht man wieder bei jedem Tor, wie sehr sich jeder für den anderen freut.

Was macht Euer Spiel jetzt aus?
Alle vier Linien sind brandgefährlich und spielen unser System in der Defensive super. Wir bekommen höchstens zwei Tore pro Spiel. Und Tormann Matt Zaba spielt natürlich auch extrem stark.

In den ersten Saisonen in Wien waren Sie bei den Liga-Top-Scorern. Jetzt muss man in der Liste weit nach unten scrollen, um Sie zu finden. Ist es schwierig, dem Mannschaftserfolg alles unterzuordnen?
Das System, das unser Trainer Tommy Samuelsson pflegt, ist es, so wenig Gegentore wie möglich zu bekommen. Es ist insofern schade, weil bei vielen Vereinen die Manager zuerst auf die Scorerpunkte schauen. Es ist dann sehr schwer zu akzeptieren, wenn du nur noch die Hälfte oder ein Drittel deiner Punkte machst. Es kostet auch Überwindung, weil manche Spieler Existenzängste haben müssen. Wenn du am Ende aber wieder ins Finale kommst, und ein super Kollektiv hast, kannst du trotzdem stolz sein. Am Ende zählt einfach nur die Mannschaftsleistung. Wichtig ist, dass die Spieler ihren Spaß nicht verlieren. Man muss lernen das System gerne zu spielen. Es hat auch bei mir lange gedauert, Spaß daran zu haben. Aber man hat zuletzt gesehen, dass es auch so Spaß machen kann.

Kann man trotz des Drucks von Klubführung, Fans und Medien in Wien locker spielen?
Ich spiele in Wien, weil es hier diesen Druck gibt. Hier gibt es das nicht, dass man irgendwie ins Play-off kommt. Wir müssen und wollen immer vorne sein.

Im ersten Saisonduell mit Salzburg habt Ihr nach neun Minuten 6:0 geführt, am Ende 9:1 gewonnen. Haben Sie schon mal so ein verrücktes Spiel miterlebt?
Sowas passiert hin und wieder. Ich glaube, dass es sehr schwer für eine Gastmannschaft in Wien ist. Salzburg hat sich danach aufgerappelt und spielt ein sehr gutes Eishockey. Mit dem neuen Coach (Anm. Don Jackson) ist bei ihnen auch der Spaß wieder zurückgekehrt. Ich bin mir sicher, dass Salzburg ein Favorit auf den Titel ist.

In dieser Saison hat es schon einige Gehirnerschütterungen gegeben. Oft trifft es kleinere Spieler. Sie sind 1,75 Meter groß, haben Sie Bedenken, wenn Sie auf das Eis gehen?
Nein. Dann verlierst du sofort. Es gehört leider zu unserem Sport dazu. Niemand verletzt den anderen absichtlich. Aber in unserer Liga sind leider die Banden viel zu hart. Das ist der Hauptgrund.

Sie sind Publikumsliebling in Wien, in Hallennähe sieht man Sie immer von Fans umringt. Ist das noch Segen oder auch Fluch?
Für mich ist es ein Segen und gehört dazu. Ich bin glücklich, dass ich mein Hobby zu meinem Beruf machen konnte. Das ist nicht selbstverständlich. Ich finde unsere Fans super. Es ist wunderbar hier in Wien. Aber ich bin so eishockeyverrückt, dass ich in einer leeren Halle genauso spielen würde. Ich sage immer: ein Schlüsselmacher bekommt keinen Applaus, wenn er einen guten Schlüssel macht. Wir müssen das schätzen. Wenn man mal geschimpft wird, muss man auch weghören können.

Sie haben einen Vertrag in Wien bis 2015 mit einer Ausstiegsklausel für das Ausland. Ist das ein Thema, vor allem im Hinblick auf die große Bühne Olympia im Februar?
Ich hoffe einmal, dass ich mitfahren darf. Der Konkurrenzkampf ist sehr groß. Ich finde, die Spieler, die die Olympia-Qualifikation geschafft haben, auch einen Bonus haben sollten. Wegen dieses Leuten fahren wir nach Sotschi. Es wäre eine Riesensache für mich, ein Highlight in meinem Leben bisher. Wenn dann Angebote kommen, wäre das natürlich schön. Das Ausland ist für mich immer attraktiv, weil gerne Grenzen auslote. Ich habe großen Respekt vor den Kollegen, die es bereits versucht haben. Das ist das beste was man machen kann. Zurückkommen kann man immer noch.

Obwohl es für Österreicher in Österreich wegen des Punktesystems zur Kadererstellung nicht immer leicht ist. Teamspieler Herbert Ratz flog deshalb aus dem KAC-Kader und beendete sogar seine Karriere.
Die Teamspieler sollten im Zuge von Olympia zusammensetzen und was dagegen unternehmen – auch auf die Gefahr hin, dass jemand drei, vier Monate keinen Job hat. Es geht da gar nicht um uns, sondern um die Zukunft. So geht es nicht weiter. Es kommt ja seit den guten 83er- bis 87er-Jahrgängen nichts mehr nach.

Sollten wieder mehr Österreicher den Weg ins Ausland suchen?
Auf jeden Fall. Die Spieler müssen sich auch selbst mehr trauen. Bei den Capitals könnte zum Beispiel jeder in der NHL spielen. Davon bin ich überzeugt. Zum Beispiel der Mario Fischer kann alles. Der könnte sofort bei einem NHL-Team in der dritten, vierten Linie spielen. Er hat alles, was man braucht.

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