Gründe für historische Abfahrts-Pleite der Damen

Das Nervenflattern führt zum schlechtesten Olympia-Ergebnis seit 1994.

Dieser Mittwoch war wahrlich nicht der Tag der Österreicherinnen. Konkret: Produziert wurde das schlechteste olympische Abfahrtsergebnis seit 24 Jahren. Veronika Stallmaier war damals in Lillehammer die bestplatzierte Österreicherin. Klingt gut, war es aber nicht – Rang 14. Zutiefst menschliche Gründe hatte die Pleite von 1994, denn kurz zuvor war Teamkollegin Ulrike Maier in Garmisch zu Tode gestürzt.

Jetzt wurde nach Erklärungen gerungen, warum es bei der Abfahrt im Jeongseon Alpine Center nicht klappte. Ramona Siebenhofer war bereits um zwei Uhr putzmunter, die Steirerin brachte die Gedanken an die Trainingsbestzeit vom Dienstag nicht aus dem Kopf und hatte ihr klopfendes Herz bis "in die kleinen Zehen gespürt.", Sie wurde dennoch beste ÖSV-Dame. Als Zehnte. 1,76 Sekunden verlor sie auf Siegerin Sofia Goggia.

Stephanie Venier lag auf Top-Ten-Kurs, als sie auf dem Skischuh wegrutschte und stürzte. "Es ist so schön dahingegangen, und auf einmal bin ich gelegen", sagte die Vizeweltmeisterin aus Tirol, "aber es ist mir immer noch lieber so, als wäre ich im Ziel unzufrieden."

Nicole Schmidhofer fühlte sich am Start "so relaxed wie selten, aber dann war ich im Mittelteil irgendwann zu verkrampft, da ist überhaupt nix mehr weitergegangen. Wenn es bei mir fehlerfrei aussieht, dann ist es halt meistens Scheibe", sagte die Super-G-Weltmeisterin. "Scheibe" bedeutet: Rang 12, 1,80 Sekunden Rückstand.

Glück im Unglück

Zwei Hundertstelsekunden länger brauchte Cornelia Hütter, Platz 13 war dennoch ein Glück, denn nach dem Zielsprung "hab’ ich auf einmal die Skispitzen ineinander verkeilt, und die bei 100 km/h wieder auseinanderzubringen, ist gar nicht so einfach. Das hätte böse ausgehen können."

Am Punkt vorbei

Unbefriedigend war der Ausgang jedenfalls für Cheftrainer Jürgen Kriechbaum: "Wir haben es heute nicht auf den Punkt gebracht. Dabei hatten wir am Dienstagabend extra noch einmal darauf hingewiesen, dass wir in der Angreiferposition sind und nicht unter den Gejagten, und dass das ja die angenehmere Ausgangslage ist."

Es sei nicht die Coolheit da gewesen, um das gesamte Potenzial abzurufen, "anders bei Ragnhild Mowinckel, die über sich hinausgewachsen und ganz fein gefahren ist und trotzdem gekämpft hat".

Ob es mit Anna Veith anders gelaufen wäre? Kriechbaum verneint: "Ich hatte gehofft, sie ist so fit, dass sie hier fahren kann. Das ist leider nicht der Fall gewesen."

Vor acht Jahren war Sofia Goggia wieder einmal verletzt. Die Italienerin, damals 17 Jahre jung, lag daheim auf der Couch, und sie sah im Fernsehen, wie Lindsey Vonn bei Olympia in Vancouver Gold in der Abfahrt holte. "Damals habe ich mir gewünscht, dass ich einmal gegen sie fahren darf."

Im vergangenen Jahr besiegte sie Lindsey Vonn, als sie ihre ersten beiden Weltcup-Erfolge feierte – bei der Olympia-Generalprobe in Jeongseon, erst in der Abfahrt, dann im Super-G. Und nun ist Sofia Goggia Olympiasiegerin. In der Abfahrt. Als erste Italienerin.

Wer nun einen der legendären Gefühlsausbrüche der 25-Jährigen aus der Nähe von Bergamo erwartete, der wartete vergebens. "Ich bin ein Vulkan, ja, und ich werde auch noch ausbrechen", sagte Goggia, "aber dafür muss ich erst einmal verstehen, was da heute passiert ist".

Als kleine Gedankenstütze: Goggia startete mit Nummer fünf und setzte sich nach 1:39,22 Minuten an die Spitze. Lindsey Vonn brauchte mit Startnummer sieben 47 Hundertstelsekunden länger. Und dann kam mit Nummer 19 Ragnhild Mowinckel und sorgte für Spannung: Eine Zehntelsekunde Rückstand bei der vierten Zwischenzeit, vier Hundertstel bei der fünften – am Ende fehlten der 25-Jährigen neun Hundertstel auf Gold. Diese Silbermedaille war eine norwegische Premiere, und schon im Riesenslalom hatte Mowinckel ja Silber geholt.

Ganz bei sich

"Heute war ein guter Tag, ich war wirklich fokussiert", sagte die Olympiasiegerin. "Es ging nicht um eine Medaille, nicht um den Sieg, nicht um die anderen, es ging nur um mich, mein Skifahren und meine Abfahrt. Nach dem Training am Dienstag wusste ich, wie ich heute fahren will, und das habe ich geschafft. Ich habe keinen Fehler gemacht, das war die beste Goggia der Geschichte."

Lindsey Vonn "wusste, dass sie heute diejenige sein würde, die ich schlagen muss. Ich habe alles gegeben, was ich hatte, es war wirklich eine saubere Fahrt, wie ich sie geplant hatte, aber vielleicht war ich zu präzise auf der Linie. Ich bin aber extrem stolz, wieder auf dem Podest zu stehen in meiner letzten Olympia-Abfahrt." Zumal sie einen weiteren Rekord geholt hat – als älteste Medaillengewinnerin bei Winterspielen.

Die 33-Jährige wurde Augenzeugin, wie Ragnhild Mowinckel die bereits sechste Olympia-Medaille für die Alpinen aus dem hohen Norden holte. "Ich habe natürlich Tipps von Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud bekommen", sagte die 25-Jährige aus Molde lachend, "und ich habe alles gemacht, was sie mir gesagt haben. Ich glaube, es ist einfach unsere Mentalität: Du hast diese eine Chance, gib einfach dein Bestes."

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