ÖSV-Star Cornelia Hütter: "Die können mich alle kreuzweise"
4, 3, 4, 2 – Cornelia Hütter ist rasant in den Weltcup-Winter gestartet. Im Super-G in Zauchensee ruhen am Freitag (10.45 Uhr/live ORF 1) die ÖSV-Hoffnungen auf der 31-jährigen Steirerin, die sich in ihrer turbulenten Karriere nach zahlreichen Verletzungen immer wieder zurückgemeldet hat.
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„Ich habe nie eine Verletzung als Ausrede verwendet“, sagt Hütter. „Bei der Startliste steht bei keiner Läuferin: Die hat drei Kreuzbandrisse und die noch keinen. Ich habe mich leider oft von Kleinigkeiten aus der Bahn werfen lassen.“
KURIER: Welche Kleinigkeiten waren das zum Beispiel?
Cornelia Hütter: Wenn ich einmal schlecht geschlafen oder schwere Beine hatte, wenn ich einfach das Gefühl hatte, dass ich nicht bei hundert Prozent bin. Das hat bei mir immer eine gewisse Verunsicherung ausgelöst. Du stellst dir dann die Frage: Krieg’ ich es heute trotzdem hin? Mit solchen Gedanken im Kopf wird das Rennfahren schwierig.
Sie haben 2022 in Lake Louise deshalb einmal freiwillig auf einen Start verzichtet.
Diese Entscheidung ist mir damals extrem schwergefallen. Weil mir klar ist, wie viel dahintersteckt und wie viele Menschen in deinem Umfeld alles tun, damit du erfolgreich sein kannst. Und dann stehst du bei der Besichtigung und weißt, dass du nicht in der Lage bist, ein Rennen zu fahren. Ich hatte ein brutal schlechtes Gewissen.
Was hat Sie damals zu dem Rückzieher bewogen?
Ich habe beim Hinunterrutschen die Strecke nicht gesehen. Meine Augen haben nicht scharf gestellt, es war irgendwie alles verschwommen. Mir war klar, dass das nicht geht und zu gefährlich wäre. Außerdem wäre ich ja dann wieder diejenige gewesen, die ein halbes Jahr verletzt daheim liegt, wenn etwas passiert.
Wie waren die Reaktionen?
Ich hätte nie damit gerechnet, dass alle meine Entscheidung so positiv sehen. Mir hat das gezeigt, dass man öfter auf sein Bauchgefühl hören muss. Am nächsten Tag hat eh wieder alles gepasst und ich bin Zweite geworden. Es war im Nachhinein trotzdem eine der schwierigsten Entscheidungen in meiner Karriere.
Hätten Sie als junge Läuferin auch so gehandelt?
Mit 20 hätte ich mich das sicher nicht getraut. Wenn du jung in den Weltcup kommst, dann weißt du, dass viele Dirndln hinter dir stehen und nur darauf warten, dass sie auch fahren können. Und du kriegst diese große Chance, da kannst du dann nicht sagen: „Ich fahre nicht, weil ich nicht gescheit sehe!“ Da hätten die Trainer sicher gefragt, was mit mir los ist.
Haben Sie denn seit Ihrem wilden Sturz 2022 in Crans-Montana häufiger Sehprobleme?
Es gibt immer wieder Tage, an denen es mir nicht so gut geht. Die werden zum Glück weniger. Aber ich habe seit diesem Sturz öfter Kopfweh.
Schauen Sie sich Ihre Stürze eigentlich auf Video an oder meiden Sie diese Bilder?
Durch die sozialen Medien kommst du da gar nicht aus. Alles, was mit Stürzen zu tun hat, bringt nun einmal Likes und Views und deshalb siehst du das zwangsläufig, wenn du im Internet unterwegs bist. Ich habe mir meinen letzten Sturz in Crans-Montana emotionslos angesehen, im Sommer mit Abstand vom Skifahren. Ich wollte einfach wissen, was ich falsch gemacht habe.
Schwere Verletzungen begleiten Sie schon die ganze Karriere. Wie haben Sie es geschafft, sich immer wieder aufs Neue aufzurappeln?
Es gibt kein Patentrezept. In die erste Knieverletzung bin ich noch ziemlich blauäugig hineingegangen und habe mir gedacht: Eh nicht so tragisch. Beim zweiten Kreuzbandriss weißt du schon, dass ziemlich viel auf dich zukommt. Beim dritten Mal denkst du dir: Oh mein Gott, was hast du jetzt schon wieder aufgeführt. Und bei der vierten Verletzung habe ich mir nur mehr gedacht: Die können mich alle kreuzweise.
Hatten Sie jemals Rücktrittsgedanken?
Das Feuer war schon einmal fast aus. Aber irgendwie habe ich mir immer gesagt: Das war’s noch nicht. Da schlummert noch etwas in mir. Das kann es noch nicht gewesen sein.
Haben Sie aus den vielen Unfällen Lehren gezogen?
Bei mir ist es wirklich oft dermaßen deppert hergegangen, dass ich mir die Frage gestellt habe: Wieso immer ich? Warum passiert mir das so? Bei mir hatten kleine Fehler oft große Auswirkungen, ich war immer gut im schlechten Timing.
Nicht immer. 2023 wurden Sie WM-Dritte im Super-G.
Das war eine große Genugtuung. Ich wollte in meiner Karriere eine Abfahrt und einen Super-G gewinnen und eine Medaille holen – das habe ich alles geschafft. Diese Bronzemedaille hat meine Karriere abgerundet. Alles, was jetzt kommt, ist Draufgabe.
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