Mensch Mayer: Der Rücktritt des ÖSV-Stars ohne Allüren

Mensch Mayer: Der Rücktritt des ÖSV-Stars ohne Allüren
Durch den Rücktritt des 32-jährigen Kärntners verliert der Skisport einen Star, der sich nie ins Rampenlicht gedrängt hat.

Der letzte Schritt in der Sportlerkarriere von Matthias Mayer hätte den dreifachen Olympiasieger nicht besser charakterisieren können. Er war nie einer, der sich ins Rampenlicht und in den Mittelpunkt gedrängt hat. Er war keiner, der die Inszenierung geliebt, geschweige denn gebraucht hat. Und es ist irgendwie auch eine Wohltat, dass heutzutage jemand noch ohne großes Tamtam und durchorchestrierte Abschiedspressekonferenz abtreten kann.

Matthias Mayer hat für seinen Rücktritt die Bühne gewählt, die ihm immer am wichtigsten war. Im Zielraum der Stelvio-Piste in Bormio ist der Kärntner am Ziel seiner Karriere angelangt und machte kein Aufhebens darum. "Es reicht!"

Das muss reichen.

Überraschender Schritt

Matthias Mayer hat mit seiner Entscheidung alle auf dem falschen Fuß erwischt. Nicht einmal seine Frau und seine Eltern waren in die Pläne eingeweiht. Die ÖSV-Trainer rechneten damit, dass der 32-Jährige am Donnerstag den Super-G in Angriff nehmen würde. Doch Startnummer 6 ging nicht ins Rennen.

„Heute war der richtige Tag für diesen Moment. Es ist jetzt einfach so. Ich freue mich, dass ich diesen Schritt gemacht habe“, sagte Matthias Mayer in Bormio. Auf die Frage, welche Gründe ihn zu diesem Schritt bewogen haben, meinte er nur: „Ich brauche keinen Grund.“

Große Leere

Dass sich Matthias Mayer in den vergangenen Monaten die Sinnfrage gestellt hat, ist kein Geheimnis. Nachdem er bei den Winterspielen in Peking im Super-G die Goldmedaille gewonnen hatte, die ihn zum erfolgreichsten österreichischen Skifahrer der Olympia-Geschichte aufstiegen ließ, verspürte der Kärntner ein Gefühl der Leere. „Die Frage stand im Raum, ob ich weitermachen soll. Es gibt eigentlich keinen besseren Moment, als mit dem dritten Olympiasieg aufzuhören“, erzählte Mayer im Sommer.

Natürlich hätte es für ihn noch Ziele und Herausforderungen gegeben. Matthias Mayer hat erstaunlicherweise nie eine WM-Medaille gewonnen, auch eine Kristallkugel fehlt in seiner Trophäensammlung. Aber rechtfertigt das die Gefahren, denen sich ein Abfahrer aussetzen muss? Matthias Mayer hat das Privileg, in der Blüte seines Rennläufer-Lebens und in bester Gesundheit die Bühne verlassen zu dürfen. Das ist keineswegs selbstverständlich in diesem Hochrisiko-Sport. Auch Mayer wäre beinahe ein Opfer seiner großen Leidenschaft geworden. 2015 brach er sich in Gröden zwei Wirbel und entging nur knapp einer Querschnittlähmung.

Mensch Mayer: Der Rücktritt des ÖSV-Stars ohne Allüren

Menschliche Größe

Die sportliche Lücke, die der Sieger von elf Weltcuprennen hinterlässt, ist das eine. Fast noch mehr wird Matthias Mayer als Teamleader und Integrationsfigur fehlen. Der Kärntner war der Beweis dafür, dass im Hochleistungssport sehr wohl auch Platz ist für Menschlichkeit.

Ihm wäre es im Gegensatz zu früheren ÖSV-Stars niemals in den Sinn gekommen, seine Erfahrungen und sein Wissen nicht an die Teamkollegen weiterzugeben. Er kehrte nie den Superstar und Olympiahelden hervor, sondern er war tatsächlich: Mensch Mayer.

Mensch Mayer: Der Rücktritt des ÖSV-Stars ohne Allüren

Soziale Ader

Mit seiner Familie nahm er vor einigen Jahren Flüchtlinge bei sich daheim auf, ohne das an die große Glocke zu hängen, weil es für ihn eine Selbstverständlichkeit war. Als Teile Kärntens letzten Sommer von einer Hochwasserkatastrophe betroffen waren, rückte Matthias Mayer mit seiner Schaufel an und half mit.

Der Sieger, der immer Mensch geblieben ist – das wird von Matthias Mayer als Athlet in Erinnerung bleiben. Und seine letzten Worte in Bormio, die einige als Zeichen für eine mögliche Rückkehr verstehen wollen: „Ich könnte zehn Jahre weiterfahren. Aber jetzt reicht’s einmal.“

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