„Wir müssen in Sotschi vorne sein“

Der Trainer der Ski-Herren, Mathias Berthold, vor dem Saisonstart über Olympia und seine Popularität.

Was macht ein Chefcoach der österreichischen Ski-Herren nach einer erfolgreichen Heim-WM? Legt er sich auf die faule Haut? Legt er einen Einkehrschwung ein? „Heuer war’s das erste Mal seit fünfzehn Jahren, dass ich keinen Urlaub gemacht habe“, erklärt Mathias Berthold, der die Olympischen Spiele in Sotschi längst im Hinterkopf hat. „Ob’s dort Chaos-Spiele gibt oder nicht, ist wurscht. Wir müssen dort vorne sein, nur das zählt.“

KURIER: Herr Berthold, einmal ehrlich: Würden Sie den Sommer nicht lieber an einem Badesee verbringen als auf Gletschern, in Neuseeland oder Südamerika?
Mathias Berthold:
Klar denke ich mir, wenn ich im August für eineinhalb Monate wegfliege: ,Jetzt wär’s grad so cool bei uns.‘ Aber kaum steige ich aus dem Flieger und es hat null Grad, denke ich mir: ,Wow, jetzt Ski fahren ist supergeil.‘ Für mich ist das normal, dass im August der Sommer vorbei ist. Und ganz ehrlich: Ich könnte mir vorstellen, dass mir das sogar abgehen würde, wenn ich einmal nicht mehr in diesem Job bin. Ich bin dafür einfach zu fanatisch Trainer.

Die Arbeit als österreichischer Herren-Trainer, ein Traumjob?
Jetzt schon. Vor allem mit diesen Jungs, die wir haben. Andererseits war’s für mich vorher auch ein Traumjob, mit den deutschen Mädels zu arbeiten.

Gibt es denn im Skizirkus einen prestigeträchtigeren Job, als Herren-Trainer im skiverrückten Österreich zu sein?
Es ist jetzt nicht so, dass ich mir immer schon gedacht habe: ,Boah, ich möchte unbedingt einmal Herren-Chef in Österreich werden.‘ Aber als sich das dann ergeben hat, war’s natürlich cool.

Apropos cool: Wie cool sind Sie denn bei der Heim-Weltmeisterschaft in Schladming geblieben?
Der Druck dort war brutal. Und das Brutalste überhaupt war für mich der Augenblick, wo der Benni Raich im Kombislalom ausgeschieden ist. Da habe ich mir dann gedacht: ,Bua, wenn das jetzt in die Hose geht, dann haben wir ein Megaproblem.‘ Aber die Bronzemedaille von Romed Baumann war dann eine Riesenerleichterung. Das war der Hammer, das Gewaltigste, was ich bisher überhaupt als Trainer erlebt habe. Aber trotzdem: Wie ich nach den 14 Tagen abgereist bin, hab’ ich nur noch gedacht: ,Gott sei Dank kann ich aus dem Scheiß-Zimmer raus.‘

Klingt doch nicht so sehr nach Traumjob.
Ich habe viele schöne Erfahrungen gemacht. Und interessanterweise: Je weiter ich in den Osten von Österreich komme, umso extremer wird das Ganze. Als Herren-Cheftrainer kennen sie dich ja praktisch überall. In all den Jahren war noch nie einer dabei, der gesagt hätte: ,Hey, du blöde Sau, schleich di.‘

Nehmen die Österreicher „ihren“ Skisport manchmal nicht doch zu ernst?
Gott sei dank tun sie das. Ich finde das cool. Und für uns aus dem Skibereich ist das ja sowieso ganz normal, wir leben das täglich. Wenn vielleicht einmal ein Freund von dir stirbt, dann relativiert es sich und du denkst dir kurz: ,Das ist alles eigentlich nicht so wichtig.‘ Aber zwei Stunden später geht’s in Wahrheit schon wieder nur ums Skifahren, Skifahren, Skifahren. Ich denke, einem Fußballer wird es da ähnlich gehen.

Oder einem Faschingsnarren in Köln, wo Ihre Freundin lebt.
Eines habe ich jedenfalls schnell gemerkt: In Köln gibt es genau drei Sachen: den Karneval, den 1. FC Köln und den Dom.

Was für einen Österreicher das Skifahren, ist also für einen Kölner der Karneval?
Die sind dort wahnsinnig. Der Karneval in Rio oder in Mainz, das existiert für die gar nicht. Ich selbst war ja noch nie dort. Und wenn ich einmal die Zeit habe, den Kölner Karneval mitzuerleben, dann habe ich ein kleines Problem. Weil dann habe ich keinen Trainerjob mehr. Und was den 1.FC Köln betrifft: Peter Stöger macht dort einen guten Job. Wenn ich in Köln bin, treffen wir uns öfter.

Themenwechsel: Im Vorjahr gewann Ted Ligety in Sölden mit Rekordvorsprung und dominierte den Riesentorlauf. Wie ist er zu schlagen?
Der Ligety interessiert mich doch überhaupt nicht. Es geht auch nicht um ihn und was er macht oder nicht macht. Wenn wir aus unseren Jungs das rausbringen, was in ihnen steckt, dann habe ich keine Angst vor dem Ligety. Der war sicher der Topmann im Riesentortlauf im letzten Winter, aber wir waren in vielen Teilabschnitten sogar schneller als er.

Anna Fenninger und Marcel Hirscher, der im Freitag-Training überlegen war, sind die großen Hoffnungsträger für die Gletscher-Rennen in Sölden. Eine Woche vor dem Weltcup-Auftakt wurden gestern am Rettenbachferner die restlichen ÖSV-Plätze vergeben.

Bei den Herren vermochte sich der junge Roland Leitinger (22) auffallend deutlich zu qualifizieren. Auch Slalom-Talent Manuel Feller und Bernd Graf eroberten eine Riesenslalom-Startplatz, während Matthias Mayer und Olympiasieger-Sohn Johannes Strolz in der internen Ausscheidung scheiterten.

Schon vorher als gesetzt galten neben Hirscher auch Philipp Schörghofer, Benjamin Raich, Romed Baumann, Hannes Reichelt und Marcel Mathis.

Bei dem Damen setzten sich Super-G-Olympiasiegerin Andrea Fischbacher und Carmen Thalmann in der Qualifikation durch. Sie werden damit das aus Fenninger, Elisabeth Görgl, Michaela Kirchgasser, Stefanie Köhle, Ramona Siebenhofer und Kathrin Zettel bestehende ÖSV-Team komplettieren. Die Damen fahren am Nationalfeiertag (26. Oktober), die Herren am 27. Oktober (Sonntag).

Kommentare