Länderkampf um die Lufthoheit

Länderkampf um die Lufthoheit
Die deutschen Adler sind dabei, die österreichischen Seriensieger zu überflügeln.

Das hat den österreichischen Skispringern jetzt gerade noch gefehlt. Da begeben sie sich einmal auf fremdes Terrain, um die Kehrseite des Sports kennenzulernen – und dann werden sie dort gleich wieder von den deutschen Kollegen aufs Glatteis geführt. Das Curling-Ländermatch in Engelberg endete in einem Fiasko. „Die haben uns richtig weggefegt“, musste Andreas Kofler zugeben. Als ob es nicht schon genug wäre, dass die Erzrivalen neuerdings auch massiven Luft-Widerstand leisten.

Österreichs Adler sehen sich in diesem Winter mit einem völlig neuen Phänomen und Problem konfrontiert: Da gibt es nun tatsächlich eine Nation, die den Österreichern ihre jahrelange Lufthoheit streitig macht. Da kommen nun auf einmal junge Athleten dahergeflogen, die es wagen, den Schlierenzauers und Morgensterns ernsthaft die Show zu stehlen.

Im Aufwind

Vor der Tournee-Generalprobe in Engelberg war die Hierarchie im Skispringen jedenfalls ordentlich auf den Kopf gestellt. Der Weltcupleader? Ein Deutscher (Severin Freund). Der Senkrechtstarter des Winters? Ebenfalls ein Deutscher (Andreas Wellinger). Der Gewinner im einzigen Mannschaftsbewerb der Saison? No na, Deutschland. Die Nummer eins in der Nationenwertung? Deutschland, wer sonst? Ist da vielleicht gerade eine kleine Schanzen-Revolution im Gange? Hat der jahrelange Slogan „Immer wieder Österreich“ – seit 2005 haben die ÖSV-Adler bei WM und Olympia alle Teambewerbe gewonnen – etwa langsam ausgedient?

Alexander Pointner wirkt jedenfalls noch alles andere als beunruhigt. Im Gegenteil: Der österreichische Erfolgscoach sieht den Aufwind des deutschen Skispringens sogar positiv. Nach Jahren der rot-weiß-roten Dominanz kommen die Höhenflüge made in Germany gerade recht. Getreu dem Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft. „Es kann uns eigentlich nichts Besseres für unseren Sport passieren, wenn dieses Duell Österreich gegen Deutschland wieder auflebt“, meint Pointner. „Vor allem für die Tournee.“

Tatsächlich haben die Erfolge von Severin Freund und seinen Springerkollegen in der Heimat bereits eine kleine Euphorie ausgelöst. Den neuen Überfliegern fliegen die Herzen der deutschen Anhänger zu. Die Tickets für die Tourneespringen in Oberstdorf (30. 12.) und in Garmisch (1. 1.) werden bereits knapp. „So einen Hype hat es seit der Erfolgsära von Martin Schmitt und Sven Hannawald nicht mehr gegeben“, erklärt Stefan Huber, der Geschäftsführer der Vierschanzentournee. Nur zur Erinnerung: Der historische Erfolg von Hannawald, der als einziger Sportler alle vier Springen gewinnen konnte, ist längst verjährt (2001/’02).

Der Mann, der den frischen Wind entfacht und den deutschen Adlern auf die Sprünge geholfen hat, registriert die Ekstase gleichermaßen mit Genugtuung und Skepsis. Einerseits freut sich Werner Schuster, der österreichische Fluglehrer der Deutschen, über die jüngsten Erfolge, andererseits weiß er nur zu gut, was ihn und seine Springer nun bei der 61. Vierschanzentournee erwarten wird. Die Zeichen stehen nämlich auf Sturm – auf Ansturm von Fans und Medien.

Im Fokus

Konnten die deutschen Springer bei den bisherigen Weltcups in Kuusamo, Lillehammer oder Sotschi ihre Höhenflüge noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit und in aller Diskretion starten, so stehen sie nun bei der Tournee im Fokus. „Schon letztes Jahr ist die Maschinerie angesprungen, nachdem Richard Freitag in Harrachov gewonnen hat“, erinnert sich Werner Schuster. „Wir konnten das nur schwer handeln.“ Deshalb steigt der Kleinwalsertaler vorsorglich auch schon einmal fest auf die Euphoriebremse. Deutscher Weltcupleader hin, Führung in der Nationenwertung her. „Man darf jetzt nicht glauben, dass wir alles in Grund und Boden springen.“

Wie sich doch die Zeiten ändern. Als Schuster 2008 sein Amt angetreten hatte, lag das deutsche Skispringen praktisch am Boden. Dem deutschen Adlerhorst fehlten die Küken, Schuster musste in den vergangenen Jahren Strukturen ändern, Talente entdecken und einen Generationenwechsel vollziehen. Heute sagt er nicht ohne Stolz: „Ich bin überzeugt, dass es sehr nachhaltig ist, was ich bisher gemacht habe. Jetzt kriegen wir langsam die jungen Springer hin.“

Im Umbruch

Genau aus diesem Grund war er ja auch engagiert worden. Schuster hat den Ruf eines optimalen Entwicklungshelfers für Jung-Adler. Er war es, der Gregor Schlierenzauer seinerzeit in Stams das Skisprung-ABC beigebracht hat. Er war es auch, der im Sommer den ehemaligen Kombinierer Andreas Wellinger vom C-Kader ins Nationalteam befördert hat. Mittlerweile ist der 17-Jährige ein verlässlicher Top-5-Springer und nicht wenige Skisprung-Experten sehen in Wellinger einen neuen Schlierenzauer.

Apropos Schlierenzauer: Die Einschätzung des besten Skispringers der Welt klingt bedrohlich – für die Österreicher. „Es taugt mir für die Deutschen, dass man sieht, was er drauf hat. Für mich ist der Werner der beste Trainer.“

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Schuster: Erfolgstrainer aus Österreich

Der 43-jährige Kleinwalsertaler sprang als Aktiver ein Mal auf das Siegespodest (2.). Er arbeitete lange Jahre als Trainer im Skigymnasium Stams und gilt als Mentor von Gregor Schlierenzauer. 2007/’08 betreute er die Schweizer, seither ist er deutscher Chefcoach.

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