Hirscher, der Jungstar mit Kultcharakter

Hirscher, der Jungstar mit Kultcharakter
Der Salzburger Weltcup-Gesamtsieger ist der große Gejagte beim Riesentorlauf in Sölden.

Es ist traurig und relativiert alles", schrieb Marcel Hirscher am Freitagabend auf seiner Facebook-Seite. Der tragische Unfalltod von Björn Sieber ging dem 23-jährigen Salzburger nahe. Zu viele Jahre hatte der Gesamtweltcupsieger gemeinsam mit dem Talent aus Vorarlberg Rennen bestritten. Zu unfassbar schien es, dass der gleichaltrige Kollege und Freund tatsächlich mit dem Auto abgestürzt sein sollte. Zu belanglos schienen plötzlich die Problemchen von zuvor.

Bis vor einigen Tagen bekam der Skifahrer des Jahres vor allem eine Sache nicht mehr aus dem Kopf: Was kommt bloß auf seinen Kopf? Wieder die knallgrüne Strickkappe, die im vergangenen Erfolgswinter zu seinem Markenzeichen und Glücksbringer geworden ist, oder doch vielleicht die Haube aus seiner neuen, eigenen Kollektion?

Maier-Erbe

Seit dem Sommer zählt Marcel Hirscher zum erlesenen Kreis der Designer unter den Skisportlern. Eigener Ski, eigenes Logo, eigene Modekollektion – nicht nur in sportlichen Belangen wandelt der Bewegungskünstler aus Annaberg auf den Spuren von Ski-Superstar Hermann Maier.

Hirscher redet nicht nur auf den Skipisten gerne ein Wörtchen um die Siege mit (allein neun Weltcuperfolge im vergangenen Winter), der Salzburger ist auch sonst nie um einen flotten Spruch verlegen. Die große Weltcup-Kristallkugel war für ihn lange nur ein "depperter Becher", neulich erklärte er erst "die faden Zeiten im Skifahren" für beendet, und der Jungstar scheut auch nicht den verbalen Schlagabtausch mit Konkurrenten. "Ein Rocker wie der Marcel spricht nun einmal die jungen Leute an", weiß Herren-Cheftrainer Mathias Berthold.

Nach dem Karriere-Ende von Hermann Maier hatte dem österreichischen Skiteam ein Läufer mit dem Star-Gen gefehlt. Benjamin Raich? Ein Winnertyp ja, aber kein Mann, der abseits der Pisten das Rampenlicht sucht. Rainer Schönfelder? Ein Exzentriker ja, aber in den Resultatslisten ein Niemand. Kein Wunder also, dass die jungen Ski-Fans in den vergangenen Jahren auf Typen wie Rüpel Bode Miller oder den norwegischen Mister Supercool Aksel Lund Svindal flogen.

Da kommt ein Marcel Hirscher, der beide Attribute für einen Publikumsliebling vereint, gerade recht.

Titelsammler

"Mir ist lieber, die Jungen haben einen Hirscher als Vorbild, als einen Miller", sagt Herren-Chefcoach Mathias Berthold, der durchaus stolz ist, eine Lichtgestalt in seinem Team zu haben. Da kann ihm auch sein weibliches Pendent Herbert Mandl nur neidlos zustimmen: "Ein ganz langweiliger, braver Typ wird nie Gold holen. Zum Rennfahren braucht man ein Temperament", sagt der Damen-Trainer. Und das bringt Hirscher, der von den internationalen Medien in Sölden zur Ski-Persönlichkeit des Jahres gewählt wurde, zweifellos mit. Die Auszeichnung zum Sportler des Jahres wird wohl am Mittwoch folgen.

Aber zuvor steht die erste Standortbestimmung auf dem Programm (Sonntag, Riesentorlauf, 9.30 und 12.45 Uhr). Als großer Favorit startet der Technikspezialist heuer in die Saison. Eine Rolle, die Hirscher nicht unsympathisch ist: "Es macht mir nichts aus, der Gejagte zu sein. Lieber so, als anders herum", sagt der Salzburger, der seinen Erfolg vom Vorjahr noch immer nicht ganz realisiert hat.

Von zusätzlichem Druck vor der WM in Schladming will Hirscher nichts wissen. Nicht mal im Hinterkopf hat er das Heim-Spektakel. "Das ist so weit weg. Ich will mich damit noch gar nicht beschäftigen."

Nicht zuletzt deshalb, weil Marcel Hirscher dieser Tage andere, traurigere Dinge im Kopf hat. Dinge, die alles relativieren. Selbst eine Heim-WM.

Marcel Hirscher
Der 23-jährige Gesamtweltcup-Titelverteidiger aus Annaberg-Lungötz setzt nach seiner bisher besten Saison auf das bewährte Rezept: Konzentration auf die Kernkompetenzen, also Slalom und Riesenslalom, hin und wieder ist auch ein Start im Super-G nicht ausgeschlossen. Schafft es der Salzburger, auch weiterhin mit dem Rummel um seine Person so gut umzugehen und sich seine Kräfte so gut einzuteilen wie bisher, steht Hirscher erneut in der Poleposition.

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