Maier: "Es gibt viel zu viele Experten für alles Mögliche"
Rosarote, überdimensionierte Puppenhäuser im Garten. Weiße Babywäsche im Korb. Ein Miniatur-Piano im Wohnzimmer. Doch das ist alles nur gespielt. Inszeniert für die Werbung von Raiffeisen.
Wer wissen will, wie es Hermann Maier sieben Jahre nach seinem Karriereende als Ex-Sportler und dreifachem Familienvater geht, erhält eine Antwort: Kein Kommentar. Bilder der Kindsmutter Carina, der Zwillingstöchter (geb. 2013) und der Tochter (geb. 2015) gibt es nicht. Und wenn es sie gibt, strengt Maier Klagen an – und gewinnt sie. So geschehen auch im Herbst 2014 als der "Herminator" am Altausseer Kirtag "Hermann, Hermann"-Rufe der anwesenden Bierzeltgäste mit dem Mittelfinger quittiert, auf das veröffentlichte Handyvideo mit einer Stellungnahme reagiert.
"Nach Durchsicht des nun vorliegenden Videos stelle ich mit einigem Abstand fest, dass der Gerstensaft seine Wirkung nicht verfehlt hat. Freilich gibt es auch einen Grund für diesen Freudentaumel: Hiermit darf ich bekannt geben, dass meine Freundin Carina und ich unser drittes Kind erwarten. Darauf habe ich mit Freunden angestoßen. Der nachdrücklichen Aufforderung, die Bühne zu erklimmen, um den Taktstock zu schwingen, leistete ich dann pflichtbewusst Folge. Mir ist klar, dass dieser Auftritt absolut kein rühmenswerter ist, der aber, so oder so ähnlich, selbst in den besten Familien vorkommen soll. Herzlichst, Hermann Maier."
Was anderen zum irreparablen Imageschaden gereicht, reicht beim 43-Jährigen nicht einmal für einen kleinen Kratzer. Ihm wird verziehen. Ob seiner einzigartigen Erfolge wie spektakulären Stürze und seines Comebacks (siehe Grafiken) ist er zu Lebzeiten zur Ikone avanciert. Die sich immer wieder zu Werbezwecken in Erinnerung ruft – wie jüngst zur Eröffnung seines ersten Hotels mit Ex-Rennfahrer Rainer Schönfelder, um dann wieder in die Anonymität abzutauchen. Hermann Maier scheut die Öffentlichkeit, die ihn sucht. Der Versuch einer Annäherung.
KURIER: Eine Drohne schlägt unmittelbar hinter Marcel Hirscher auf die Piste ein, Matthias Mayer stürzt, verletzt sich schwer und löst eine heftige Debatte um den Airbag aus – wie erleben Sie im siebenten Jahr Ihres Ruhestands den Skizirkus?
Hermann Maier: Aus der Ferne. Natürlich verfolge ich die Skirennen, sofern es die Zeit zulässt. Außergewöhnliche Vorkommnisse wie das mit dem Drohnenabsturz hat es auch früher immer wieder gegeben – für das eine oder andere war seinerzeit ja auch ich zuständig. Und leider gehören auch Stürze und Verletzungen zum Geschäft.
Erkennen Sie Unterschiede zu Ihrer aktiven Zeit, was die Anforderungen an die Athleten und die Erwartungen seitens der Verbände, Sponsoren und Zuschauer vor Ort sowie des TV-Publikums betrifft?
Keine allzu großen. Zumindest oberflächlich und auf den ersten Blick hat sich nicht allzu viel getan. Aber natürlich liegt auch da der Hund im Detail begraben. Man wurde zum Beispiel seinerzeit belächelt, wenn die Rede aufs Material und aufs Set-up kam. Die Entwicklung hat aber nicht Halt gemacht. Und mittlerweile gehört das zum guten Ton. Die richtige Abstimmung ist das Um und Auf. Was mich stört, ist die Vielzahl an Rennen, allein am Gröden-Wochenende waren es fünf. Da fällt es schwer, sich – wie es früher war – auf einen Höhepunkt zu freuen und das Interesse beim Publikum aufrecht zu erhalten.
Wie gesagt – je nach Maßgabe der Zeit verfolge ich das Geschehen.
Wurden Sie je angesprochen, nach Ihrem Karriere-Aus als Trainer, Berater oder in anderer Funktion wieder Teil des Ski-Spitzensports zu sein? Wenn ja: Was hat sie dazu bewogen, Nein zu sagen?
Es gab schon den einen oder anderen Anlauf. Aber wahrscheinlich ist die Zeit noch nicht reif. Derzeit verfolge ich noch andere Pläne. Aber wer weiß? Anknüpfungspunkte gibt es nach wie vor genug. Und vielleicht ergibt sich in Zukunft einmal etwas, das man sich überlegen kann.
Das Verlangen, in der Öffentlichkeit zu stehen, war von meiner Seite noch nie wirklich vorhanden. Ich wollte Ski fahren, der Rest kam von alleine. Privates allerdings habe ich schon im Verlauf meiner Karriere versucht, aus der Berichterstattung herauszuhalten. Und das soll auch so bleiben.
Das Internet, Facebook, Twitter, Instagram und Smartphones mit Foto- und Filmfunktionen machen Menschen glauben, man könne über Prominente verbreiten, was man möchte. Wie achtsam muss man im Alltag als Hermann Maier sein, dass die bloße Anwesenheit in einem Supermarkt, an einer Tankstelle oder bei einer öffentlichen Veranstaltung nicht missbräuchlich verwendet wird? Wird die Bekanntheit auch manchmal zur Belastung?
Da hat sich natürlich viel geändert in den letzten Jahren. Und der Umgang mit dem Internet und den sozialen Medien will gelernt sein. Das hat in meinen Augen – einmal abgesehen vom Datenschutz – auch viel mit Respekt und Anstand zu tun. Und stellt auch Journalisten vor große Herausforderungen. Schließlich liegt es an ihnen, Informationen, die ihnen größtenteils ja anonym zugespielt werden, richtig einzuordnen und verantwortungsvoll damit umzugehen.
Das kommt immer darauf an, wo und wann die Kameras oder Handys gezückt werden. Und auf die Art und Weise, ob und wie man gefragt wird. Dann ist es auch kein Problem, einmal zu erklären, warum es gerade nicht passt.
Das Kitzbühel-Wochenende ist das wichtigste Ski-Ereignis in Österreich – für Sie ein Muss, anwesend zu sein?
Nein. Im Mittelpunkt sollten bei der Veranstaltung schließlich die Rennen stehen und die Sportler. Das Rundherum genießt in Kitzbühel zwar einen hohen Stellenwert, wovon ich mich auch schon überzeugen konnte. Da kommt man aber ohne weiteres ohne mich aus. Ich verfolge das Geschehen gern aus sicherer Entfernung.
Wie gestaltet sich Ihr Terminkalender abseits der Hoteleröffnung – wie kann man sich einen ganz normalen Hermann-Maier-Alltag vorstellen?
Jeder, der Familie hat und kleine Kinder, kann sich das ganz gut vorstellen. Das ist absolut nichts Außergewöhnliches. Ansonsten verlangt das Hotelprojekt viel Aufmerksamkeit. Und ich bin weiterhin und mit Freude für eine Reihe von Partnern tätig. So gesehen werden die Tage teilweise schon recht kurz.
Ihr Buch "Fit in 100 Tagen" war ein Bestseller. Wie wichtig ist Ihnen Ihre eigene körperliche Fitness? Leiden Sie noch an den Folgen Ihrer spektakulären Unfälle (Nagano, Motorrad-Unfall)?
Die Bewegung in der Natur ist für mich sehr wichtig, und ich nutze jede freie Minute dafür. Und obwohl der Motorradunfall natürlich Spuren hinterlassen hat, kann ich eigentlich alles tun, was mir Spaß macht. Das war auch der Hauptgrund für meinen Rücktritt 2009. Ich bin in der glücklichen Lage, zu sagen, dass der Leistungssport für mich rein körperlich nur positive Auswirkungen hatte.
Wir wollen mit den Adeo-alpin-Hotels ein Zeichen setzen, den Menschen wieder einen Anreiz bieten, Ski zu fahren und sich in der Natur zu bewegen. Klar ist mir der Skisport ein großes Anliegen, und ich möchte einen Teil dazu beitragen, ihn wieder ein wenig populärer zu machen. Im Zuge dessen habe ich schon den Eindruck, mit den Bemühungen auf fruchtbaren Boden zu stoßen. Die Resonanz ist jedenfalls durchwegs positiv.
Können Hotel-Gäste ab und zu mit Ihrer Anwesenheit rechnen?
Nicht im Stil eines Hoteldirektors, der ich ja nicht bin. Mir ist vor allem wichtig, dass die Gäste eine gewisse Handschrift erkennen. Schließlich habe ich versucht, bei der Entwicklung des Konzepts meine jahrelange Erfahrung einzubringen. Mir ging es da vor allem um Funktionalität und darum, den Schnickschnack wegzulassen, sodass ich mich selbst wohlfühlen kann.
Themenwechsel: Denken Sie als Familienvater anders über das Leben nach, wenn Sie das aktuelle Weltgeschehen betrachten?
Auch da, denke ich, unterscheide ich mich nicht von anderen Vätern. Mir ist es einfach wichtig, dass die Kinder normal aufwachsen und zu Eigenverantwortung erzogen werden.
Was geht in Ihnen vor, wenn Sie Schicksale der Flüchtlinge in Österreich sehen? Hat die Entwicklung Ihre persönlichen Wertvorstellungen verändert?
Ich verspüre keinen Drang, meine Meinung zu diesen Themen der Öffentlichkeit mitzuteilen. Es gibt ohnehin schon viel zu viele Experten für alles Mögliche. Dabei geht es den Leuten oft nur um die Selbstdarstellung, nicht um die Sache selbst. Wenn ich mich für etwas einsetze, dann tue ich das wohlüberlegt, gehe mit meinem Engagement aber nicht hausieren.
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