Ferdinand Hirscher: Der Vater des sechsfachen Erfolges

Spezielle Beziehung: Skistar Marcel Hirscher mit Vater, Trainer und Mentor Ferdinand.
Wie sehr er dem Weltcup-Sieger hilft und warum er kein Facebook-Follower seines Sohnes ist.

Besuch in Annaberg. Dort, wo der Salzburger Skilehrer Ferdinand Hirscher einst das bei tiefwinterlichen Fahrbedingungen steckengebliebene Auto einer Urlauberin aus Den Haag wieder flott bekam. Und wo der Helfer von damals und seine holländische Gattin heute aus 8700 Kilometern Entfernung via ORFSport+ (20.15) mitverfolgen werden, wie in Colorado wegen ihres älteren Sohnes die österreichische Hymne gespielt wird.

Dank zu viel Schnee hat der Zufall beim Kennenlernen von Marcels Eltern Regie geführt. Das s aus dem halben Niederländer der erfolgreichste Schneesportler der Weltcupgeschichte wurde, war aber kein Zufall, sondern das Produkt von Talent, Akribie und dem fachlichen Rat von Ferdinand Hirscher. Der Papa gilt als der Vater des sechsfachen Weltcup-Erfolges.

Im Freiluftsport Ski hat der Gesamtweltcupsieg einen höheren sportlichen Stellenwert als Olympiagold. Das stand schon im KURIER, als Österreich unfassbare 27 Jahre lang keinen Gesamtweltcupsieger stellen konnte. Und das sieht auch Papa Hirscher so. Der bescheidene Mann sitzt in der Talstation der Donnerkogelbahn, wo er mit Partnern die Schule "Freeride-alpin" betreibt. Weder auf einem Schild noch im Prospekt scheint Hirschers Name auf.

Stimmt das Gerücht, wonach der 61-Jährige die Rennskier für seinen Sohn selber testete? "Das mache ich nach wie vor. Ich sage dem Marcel danach, was der Ski für Eigenschaften hat." Die Frage, ob das Material nicht ohnehin schon ausgereizt sei, löst Kopfschütteln aus. "Wer nichts probiert, wird bald einmal überflügelt. Das ist bei Betrieben auch so." Man könne und müsse ständig mit Neuem spielen.

Die Uhr zeigt 13.20 Uhr, als Hirschers Handy klingelt. Und es erst 6.20 Uhr früh ist in Aspen, Marcel aber schon mit seinem Vater fachsimpeln will. Danach darf wieder der KURIER vergleichsweise banal-laienhafte Frage stellen.

KURIER: Fiel Marcel schon als Kind durch großen Ehrgeiz auf?

Ferdinand Hirscher: Wie jedes normale Kind hat der Marcel auch beim Minigolf net gern verloren. Ein g’sunder Ehrgeiz ist doch nichts Schlechtes. Wenn der Mensch den net hätt, stünden wir heut’ noch mit der Steinschleuder da.

In welcher Rolle könnten Sie sich Marcel nach dem Karriereende vorstellen? Als TV-Analytiker, als Trainer oder als Fremdenverkehrsdirektor?

Als Tourismusdirektor – das glaub ich net. Eher wird sich Marcel einmal einen besonders talentierten Rennfahrer aussuchen und ihn mit seinem Fachwissen begleiten.

Warum machen Sie immer, selbst wenn Marcel führt, so ein ernstes Gesicht?

Das mach ich bewusst, auch wenn mir Fernseher vorwerfen, dass ich in den Keller lachen geh. Weil ich oben an der Piste vielleicht gar nicht mitbekomme, dass weiter unten einer ausg’schieden ist. Und wenn ich dann lächelnd eingeblendet werde, musst’ damit rechnen, dass in der Bild-Zeitung steht: "Der Hirscher-Vater lacht, wenn der Neureuther stürzt."

Als die FIS schmälere und längere Skier im Riesenslalom zur Pflicht machte, um das Verletzungsrisiko zu minimieren, waren Sie sehr skeptisch. Jetzt kommt’s zur Reform der Reform. Fühlen Sie sich in ihrer einstigen Kritik bestätigt?

Als damals der Myhrer, der Kostelic und der Marcel am Mölltaler Gletscher die neuen Skier probiert haben, ist fast bei jedem Lauf einer draußt g’wesen, weil die Ski einfach geradeaus gefahren sind. Die Umstellung auf die schmäleren Riesenslalom-Skier war damals schwerer als es jetzt der Schritt zurück sein wird.

Sind Rennskier für den Normalverbraucher unfahrbar?

Nein. Das ist kompletter Blödsinn. Zumindest der Slalom-Ski vom Marcel ist für jeden Durchschnittsfahrer fein zu fahren.

Marcel hat auf Facebook über eine halbe Million Follower. Sind Sie auch einer davon?

Das tu ich mir nicht an. Da sind sicher unguate Postings dabei. Da kann ich ähnlich wild werden wie früher auf der Alm, als mir die Leut’ im Vorbeigehen ihren ganzen Müll in die Hütte reing’haut haben.

Die Online-Häme nach dem Out im WM-Teambewerb hat Sie und Marcel wütend gemacht?

Ja. Anonym draufhauen war besonders feig. Und schlecht recherchiert. Mich hat die starke Leistung vom Belgier Van den Broecke im Parallel-Bewerb ebenso wenig überrascht wie der Aufstieg von Dave Ryding zur Slalom-Weltklasse. Sie sind Kinder der Plastikbahn. Plastikfahren ist technisch wie auf Eis. Ich war Skilehrer auf der Plastikbahn. Mittlerweile gibt es allein in Holland 20 Hallen damit.

Wie lang der Fünfzig-Prozent-Holländer Marcel noch Rennfahren wird, weiß sein Papa nicht. Er weiß nur, dass es Spaß machen muss. Getreu diesem Motto beginnt morgen in der Annaberger Skischule die "Gaudi-Woche".

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