ÖSV-Idol Walchhofer: "Wollte Schröcksnadel nicht im Nacken haben"

Vor 20 Jahren, am 8. Februar 2003, wurde Michael Walchhofer in St. Moritz Abfahrtsweltmeister. Obwohl er mit einer sehr hohen Nummer hatte starten müssen und deshalb kein hoher Favorit gewesen war. Für die Nachfolge von Peter Schröcksnadel galt der Salzburger hingegen als der Topkandidat. Er ist dennoch nicht ÖSV-Präsident geworden. Die gegenwärtige alpine Ski-WM verfolgt Michael Walchhofer, 47, nicht vor Ort, sondern als TV-Konsument im schneereichen Salzburger Ski-Ort Zauchensee in 1.350 Metern Höhe, wo er gemeinsam mit seinem Bruder drei Hotels führt.
KURIER: Für die WM-Abfahrt 2003 hatte man die steilste Startregion im Skizirkus ausgesucht, die nur per Schneestufen zu erreichen war und kaum Platz zum Aufwärmen ermöglichte. Haben Sie nie Angst verspürt?
Michael Walchhofer: Anfänglich überkam einen schon ein mulmiges Gefühl. Aber nach ein, zwei Fahrten hat man sich daran gewöhnt. Und es sind ja die herausfordernden Passagen, die uns Rennläufer so reizen.
Warum mussten Sie mit der hohe Nummer 31 starten?
Weil ich im Abschlusstraining ein Tor ausgelassen hatte, wurde ich rückversetzt. Das war zu dieser Zeit so die Regel.

Hermann Maier landete bei der gleichen WM-Abfahrt auf Platz acht. Sie beide hatten einander auch außerhalb der Rennsaison oft täglich beim exklusiven Konditionstraining im Olympiastützpunkt Obertauern während des stundenlangen Ergometer-Radelns gesehen. Haben Sie noch viel Kontakt?
Wenn wir uns hin und wieder sehen, meinen wir beide, dass es Zeit wäre, endlich einmal eine Skitour zu unternehmen. In einem Jahr werden wir das wahrscheinlich wieder sagen.
Hermann Maier ist dreifacher Vater, darunter von weiblichen Zwillingen. Sie sind dreifacher Papa, unter anderem von männlichen Zwillingen. Tendieren Ihre Sprösslinge zum Rennlauf?
Unsere Hannah und unsere beiden Söhne betreiben gern Sport und lieben Skifahren, aber nicht wettkampfmäßig. Mittlerweile stehen alle drei schon im Arbeitsleben und sind auf ihre berufliche Aus- und Weiterbildung fokussiert.
Existiert der Olympiastützpunkt Obertauern noch?
In dieser Form nicht mehr, das Projekt wurde stillgelegt. Das Gebäude existiert noch. Meines Wissens trainiert Vincent Kriechmayr manchmal dort. Tragisch ist nur, dass ein Großteil von Know-how und Trainingsmethodik verloren gegangen ist.
Hans Knauß sagte kürzlich in einem Ö3-Interview, dass er fix damit gerechnet hatte, dass Michael Walchhofer der Nachfolger von Peter Schröcksnadel werden würde. Auch meint Knauß, dass Sie die optimale Präsidentenlösung gewesen wären. Warum kam es nicht dazu? Angeblich soll Peter Schröcksnadel nach einem gemeinsamen Spaziergang rund um den kleinen Zauchensee von seinem Plan abgekommen sein, Sie zum Nachfolger zu machen
Ich habe ihm einfach klargemacht, dass ich als Präsident Entscheidungshoheit haben müsse. Auch im wirtschaftlichen Bereich. Da will man den Schröcksi nicht als Befehlsempfänger im Nacken haben. Er wollte also noch mitmischen und sah zudem meine Veränderungspläne als Affront. Es ist aber nur logisch, dass ich nach 30 – wenn auch sehr verdienstvollen – Schröcksnadel-Jahren einige neue Weichen zu stellen gehabt hätte.
Hat Sie die Reaktion des zurückgetretenen, aber doch nimmermüden Erfolgsmenschen überrascht?
Sein Versuch, mit doch sehr unerwarteten Mitteln einen Gegenkandidaten aufzustellen, hat mich in dieser Form überrascht, allerdings in keinster Form erschüttert. Aber schade, denn letzten Endes gab es nur Verlierer, ob Renate Götschl, Schröcki und vor allem den Skisport mit dem Skiverband.
Roswitha Stadlober ist ehrenamtliche Präsidentin. Ist ehrenamtlich bei einem großen Sportverband mit einem Bundget von zig Millionen Euro noch zeitgemäß? Rund um den Fußball-Bund wird diese Frage derzeit heftig diskutiert.
Ich glaube schon, und ich denke, es sollte auch so sein. Schließlich haben wir viele gut bezahlte und fähige Führungskräfte im Skiverband, die für die tägliche Arbeit zuständig sind. Das Präsidium hat denen die Richtung vorzugeben. Mit Aufsicht, Kontrolle, Repräsentation und so weiter hatte ich aber schon mit über hundert Einsatztagen für den ÖSV gerechnet. Dazu braucht es nicht nur einen Rückhalt zu Hause in der Familie, sondern auch einen finanziell abgesicherten Background eines Präsidenten.
Der ÖSV strebt zusammen mit dem deutschen und dem Schweizer Skiverband eine Absetzung von FIS-Präsident und Head-Konzernboss Johan Eliasch an. Wie bewerten Sie das?
In der Außenwahrnehmung und soweit ich es von meinen FIS-Kontakten mitbekomme, sind die positiven Eliasch-Akzente bescheiden. Es ergibt Sinn, wenn in diesem Zusammenhang Swiss Ski, der DSV und ÖSV zusammenarbeiten.
Bei der Junioren-WM in St. Anton reichte es für Österreich nur zu Rang 10 in der Nationenwertung. Wie ist das zu erklären?
Das einzige, wovon ich absolut überzeugt bin, ist, dass wir nach vor viele Läuferinnen und Läufer mit viel Talent haben. Es wird – auch wenn die Begeisterung für Sport nicht mehr so vorhanden ist wie vor zehn, 15 Jahren – an anderen Dingen liegen. Mehr Akzente an der Basis wird es brauchen. Ein gutes Beispiel ist dafür der Impuls im Salzburger Fußball. Da wird in den Regionen in den letzten Jahren schon sehr viel gemacht – da kann man hinschauen.
Torlaufspezialist Marco Schwarz gelangen in der Abfahrt heuer schon erstaunliche Resultate. Erinnert Sie das ein bissl an einen gewissen Michael Walchhofer, der lange vor seinen großen Speed-Erfolgen einen Parallelslalom 1999 in Sestriere gewann, worauf die Gazzetta dello Sport in Riesenletttern vom „nuovo aquila austriaco“, vom neuen österreichischen Adler, berichtet hat?
Ich habe durch meinen Europacup-Gesamtsieg und den Gewinn der Slalom-Einzelwertung einen Weltcup-Startplatz bekommen. Das Nachtrennen in Sestriere war übrigens das letzte Rennen, in dem ein Slalomsieg mit langen Skiern gefeiert wurde.
Mit 1,93 Metern waren die gleich groß wie Sie.
Inzwischen sind im Slalom längst 1,65er üblich.
Video: Die WM-Fahrt von 2003
Bereitet dem Hotelier Walchhofer mit abgeschlossenem Master-Studium der Klimawandel große Sorgen?
Sorge nein, aber ja, das Klima verändert sich. Was mir allerdings missfällt, ist, wie man in Österreich – auch in Medien – nahezu genüsslich hartnäckig und schadenfroh vor Weihnachten auf weiße Maschinenschneebänder in brauner Landschaft hingewiesen und den Tourismus inklusive Beschneiung so plakativ für den Klimawandel verantwortlich gemacht hat. Denn ins Verhältnis gesetzt zu anderen Wirtschafts- und Industriezweigen oder auch zu anderen Urlaubsformen wie der Kreuzfahrt ist das Heuchelei. Dabei wird vergessen, wie stark Österreich vom Tourismus profitiert.
Litt denn Zauchensee nicht auch unter Schneemangel?
Wir sind in der glücklichen Situation, auch in solchen Wintern winterliche Verhältnisse zu haben. Mittlerweile versinken wir ohnehin wieder in der weißen Pracht. Die Saison verläuft blendend mit fast ausnahmslos begeisterten Gästen. Waren es in der Vorwoche ins unseren Häusern vorwiegend Berliner Familien, so genießen gegenwärtig viele Wiener bei uns den Winter. Diese positive Stimmung wird bis Saisonende Mitte April bei uns in Zauchensee vorhanden sein. Und dann freuen wir uns ganz einfach wieder auf den Sommer in unseren Bergen.
In Altenmarkt gibt es dem Weltmeister und Olympiasilbernen zu Ehren die Michael-Walchhofer-Straße. Wohnen Sie dort?
Nein. Aber das könnte irgendwann einmal so sein (lacht). Dort befinden sich das Gesundheitszentrum und das Altersheim.
Der Salzburger (*28. April 1975) kam über Slalom-Erfolge im Europacup in den Weltcup. Erst mit den Jahren entwickelte sich der 1,92 Meter große Athlet zum Speedspezialisten. Bis 2011 feierte er 19 Weltcupsiege, 14 davon in der Abfahrt, dreimal gewann er die kleine Kristallkugel in der Königsdisziplin. Bei Olympia war Silber in der Abfahrt 2006 sein größter Erfolg.
Nummer ins Glück: Mit der hohen Startnummer 31 gelang Walchhofer 2003 bei der WM in St. Moritz die Fahrt zu Abfahrtsgold. Für Österreichs Männer war es damals in der schnellsten Disziplin der dritte Weltmeistertitel in Serie nach Hermann Maier (1999) und Hannes Trinkl (2001). Nach Walchhofer musste der ÖSV bis zum Jahr 2021 warten, als Vincent Kriechmayr siegte.
Geschäftlich: Neben der Leitung der Hotels in Zauchensee war Michael Walchhofer nach seinem Rücktritt vom Rennsport viele Jahre für den Österreichischen Skiverband tätig. Von 2013 bis 2021 war er einer der Vizepräsidenten, ehe es im Zuge der Nachfolge von Peter Schröcksnadel zum Zerwürfnis kam.
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