Österreichs Eishockey vor der Weichenstellung
Mit dem Spiel gegen Tschechien ging am Montagabend eine aufregende Eishockey-WM zu Ende. Österreich verlor das Duell mit dem zwölffachen Weltmeister nur mit 3:4. Am Dienstag reisten die Österreicher aus Kopenhagen ab.
Das letzte Gruppenspiel war für beide schon bedeutungslos. Tschechien sicherte bereits zuvor den Einzug ins Viertelfinale ab, Österreich hatte am Samstag durch ein 4:0 im direkten Duell mit Abstiegskonkurrent Weißrussland den Klassenerhalt gesichert – erstmals seit 2004 und als erster Aufsteiger seit Frankreich 2008. Österreichs Team hat somit auch international für Schlagzeilen gesorgt. Zuvor war 19-mal ein Aufsteiger am Ziel Klassenerhalt gescheitert. In der Gruppe B ist Südkorea der 20. Aufsteiger der seit 2008 gescheitern ist.
Oberflächlich betrachtet scheint jetzt alles wieder gut zu sein im österreichischen Eishockey. Doch die starke Leistung im Entscheidungsspiel gegen die Weißrussen war nicht die Folge einer systematischen Entwicklung. Der KURIER gibt im Rahmen einer Bestandsaufnahme des österreichischen Eishockeys Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Welche sind die Folgen des Klassenerhalts?
Österreich ist 2019 nicht Aufsteiger und hat im Spielplan der Vorrunde einen freien Tag mehr. Aller Voraussicht nach wird Aufsteiger Italien der schlagbarste Gegner sein. Der größte Vorteil: Die WM beginnt erst am 10. Mai, das Nationalteam wird daher früher schon komplett sein und anders als heuer mit dem gesamten Kader Testspiele bestreiten können. Wahrscheinlich sogar gegen Kanada. Die kanadische Teamführung hat angekündigt, nächstes Jahr gerne wieder nach Wien kommen zu wollen.
Welche Spieler ragten bei Österreich heraus?
Philadelphia-Stürmer Michael Raffl hat auf dem Eis sehr viel richtig gemacht. Er konnte den Puck behaupten und in heiklen Phasen Zeit runterspielen, und er erzielte in fünf Spielen vier Tore. An den vier erreichten Punkten hatte Goalie Bernhard Starkbaum großen Anteil. Gegen die Weißrussen spielte auch Konstantin Komarek groß auf. Und die A-WM-Debütanten wie zum Beispiel Zwerger, Schneider, Rauchenwald, Obrist und Unterweger gaben ihre Visitenkarte ab. Positiv überrascht hat auch, dass die Mannschaft nicht wie früher nach einem Negativ-Erlebnis wie dem 2:5 gegen Frankreich auseinandergebrochen ist.
Welchen Anteil hatte Teamchef Roger Bader?
Der Schweizer war akribisch auf alle Eventualitäten vorbereitet, obwohl es seine erste A-WM als Headcoach war. Bader ist aber nicht nur als Coach wertvoll: Er treibt die Entscheidungsträger in der Eishockey-Szene vor sich her. Bader weiß aus seiner Erfahrung in der Schweiz und aus Vergleichen mit anderen Ländern, wie Österreich das angestrebte Ziel, bis 2024 eine Top-12-Nation zu werden, erreichen kann. Jetzt gilt es, viel Geld zu organisieren, damit Bader die vielen Projekte auf seiner Liste verwirklichen kann.
Welchen Anteil hat die Erste Bank Liga am Klassenerhalt?
Österreich ist trotz und nicht wegen der EBEL bei der A-WM. Zwar haben einige Vereine die Bemühungen in der Nachwuchsarbeit verstärkt, in den Teams sind aber so viele Legionäre (101 bei acht Klubs), dass die ausländischen Coaches in den heiklen Spielsituationen ohne Youngsters auskommen können. In Top-Ligen wie in Schweden werden regelmäßig Teenager in die Teams eingebaut. In Österreich sei das Niveau zu hoch dafür, heißt es. Und das wird nicht ironisch gemeint. Die international belächelte Punkteregel für die Kaderzusammenstellung hat bei den acht Klubs dazu geführt, dass bei den 24- bis 27-Jährigen Österreich nicht einmal mehr eine komplette Mannschaft mehr stellen könnte. Also ausgerechnet bei jenen Spielern im besten Eishockey-Alter. Auch die Ausfallrate von 50 Prozent bei den 14- bis 20-Jährigen ist für ein kleines Land viel zu hoch.
Welche Maßnahmen müssen gesetzt werden?
Jetzt ist die Stunde null und wird entschieden, ob Österreich dauerhaft zu einer A-Nation werden kann. Das ist auch Inhalt der Verhandlungen für den neuen Kooperationsvertrag zwischen Verband und Liga. Die Spieler brauchen hohes Tempo, viel Eiszeit in allen wichtigen Rollen und als Partner Legionäre, von denen sie lernen können. Aber auch Schiedsrichter, die so streng wie bei der WM pfeifen.
Bleibt alles wie gehabt, dann ist der nächste Abstieg nur eine Frage der Zeit.
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