Der letzte Allrounder: Wie ÖSV-Star Schwarz 44 Rennen bestreiten möchte
ÖSV-Star Marco Schwarz hat sich für einen Monat in Chile niedergelassen. Auf den Skipisten in Südamerika bereitet sich der letzte Allrounder im Herren-Weltcup auf seine große Mission vor: Die Jagd nach dem Gesamtweltcupsieg.
Kein anderer Läufer ist mit so viel Gepäck nach Chile gereist. „Ich habe locker 40 Paar Ski mit. Zehn Paar pro Disziplin“, sagt der 28-jährige Kärntner, der im vergangenen Winter bei der WM in Courchevel zwei Medaillen holte und später seinen ersten Weltcupsieg im Riesentorlauf feierte.
44 Rennen stehen in der kommenden Saison auf dem Programm. Wie oft wird man Sie am Start sehen?
Zu Beginn der Saison möchte ich schon gerne alle Rennen mitnehmen. Bis Weihnachten werde ich sicher überall dabei sein. Dann muss man eine Zwischenbilanz ziehen und entscheiden, ob es Sinn macht und es sich wirklich ausgeht, alle 44 Rennen anzusteuern.
Würde es der dichte Kalender mit den vielen Reisen tatsächlich erlauben, alle Rennen zu bestreiten?
Das ist auf jeden Fall möglich. Aber dafür muss man natürlich körperlich richtig gut im Saft sein. Und noch wichtiger: Es muss gut laufen und du musst vorne mitfahren. Das macht dann alles gleich viel einfacher.
Das klingt nach einer Extrembelastung für Körper und Geist.
Wenn du alle Rennen fahren willst, dann musst du genau in deinen Körper hineinhorchen. Die Saison ist lange, du brauchst im März auch noch Benzin im Tank. Und im Kopf darf die Frische nie fehlen, sonst kann es gleich einmal gefährlich werden. Gerade wenn du in der Abfahrt nicht zu hundert Prozent parat bist, dann startest du besser nicht.
Heißt das, Sie müssen körperlich fitter sein und mehr trainieren, als Läufer, die nur in einer Disziplin starten?
Da würde man jetzt allen anderen Unrecht tun. Jeder, der im Weltcup unterwegs ist, ist vollfit. Mir hilft vielleicht mein ökonomischerer Fahrstil. Ich bin beim Fahren nicht so aktiv wie zum Beispiel Manuel Feller. Ich trainiere jetzt seit Mitte Mai, war immer von Montag bis Freitag täglich in der Kraftkammer und habe Ausdauerblöcke gemacht. Es ist was weitergegangen.
Sieht man Ihnen das auch optisch an?
Ich denke schon. Ich habe inzwischen mehr Muskelmasse. Letztes Jahr bin ich mit 85 Kilo in den Winter gegangen, aktuell stehe ich bei 89 Kilo.
Warum sind die Allrounder im Herren-Skisport ausgestorben? Sie sind der einzige Mann, der noch alle Disziplinen fährt.
Riesentorlauf, Super-G und Abfahrt erfordern ein ähnliches Training, das kriegt man leichter unter einen Hut. Aber der Slalom ist halt eine ganz andere Disziplin. Das Training ist sehr zeitintensiv, wenn du im Slalom Rennen gewinnen willst, dann musst du immer ans Limit gehen. Da brauchst du genügend Trainingstage, damit du auch die nötige Sicherheit und das Selbstverständnis hast.
Sie haben 2021 noch den Slalomweltcup gewonnen. Inzwischen scheint das ihre schwächste Disziplin zu sein.
Das ist auch wirklich so. Die Dichte im Slalom ist riesig, mit einfach nur Runterfahren gewinnst du da nichts. Ich habe mich ein bisschen schwerer getan, aber ich werde den Slalom auf keinen Fall weglassen. Dafür macht er mir immer noch zu viel Spaß. Aber natürlich reizt mich inzwischen die Abfahrt extrem.
Was macht die Faszination aus?
Das hohe Tempo, die weiten Sprünge, und dann diese Geräusche, wenn es im Helm auf einmal zu pfeifen beginnt. Einen Termin habe ich dick im Kalender eingetragen.
Welchen?
Ich möchte in dieser Saison unbedingt in Kitzbühel starten. Als Skifahrer muss man einmal die Streif runtergefahren sein. Wobei man natürlich alles genau planen muss, damit man sich nicht abschießt und zu viel Energie verliert. Wir haben danach Chamonix, Bansko, Kvitfjell und dann noch einmal in die USA. Im Februar wird’s heftig, das sind lange Reisen.
Wie stehen Sie persönlich dazu, dass der ganze Tross zwei Mal in der Saison nach Nordamerika reist?
Es heißt ja Weltcup, und deshalb finde ich das grundsätzlich okay. Wir können ja nicht nur in Mitteleuropa fahren. Aus der Sicht des Umweltschutzes ist es natürlich ein Wahnsinn, zwei Mal pro Saison nach Nordamerika zu fliegen.
Was ist sportlich Ihr Anspruch für 2023/’24?
Mir wäre es wichtig, dass ich die Saison so durchziehen kann, wie ich es mir vorstelle. Ich möchte in allen vier Disziplinen konstant vorne mitfahren. Also nicht zwischen Platz 5 und 10, sondern mir geht es wirklich um die Big Points.
Sehen Sie sich als Anwärter für den Gesamtweltcupsieg?
Man kann das nicht planen, für die große Kugel muss viel zusammenstimmen. Du musst in zwei, drei Disziplinen um den Sieg mitfahren können. Und wenn ein Marco Odermatt oder ein Aleksander Aamodt Kilde so in Form sind, wie die letzten Jahre, dann wird es sehr schwierig. Aber es ist schon mein Anspruch, dass ich da dagegenhalte und vielleicht auch eine Abfahrt gewinne.
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