Bergbahn-Chef von Sölden: "Dass Skifahren zu teuer ist, ist ein Lamento"
Am Wochenende startet der Weltcup am Rettenbachferner. Veranstalter Jack Falkner über explodierende Energiekosten, gestiegene Liftkartenpreise und Schneekanonen am Gletscher.
„Anfang September hat der Gletscher fürchterlich ausgesehen“, erzählt Jack Falkner (66). Um die Weltcup-Rennen an diesem Wochenende durchführen zu können, seien die Schneekanonen vier Tage und Nächte durchgelaufen, berichtet der Geschäftsführer der Bergbahnen Sölden. Für schöne Bilder nehmen die Ötztaler gerne saftige Energiekosten in Kauf. „Der Weltcup hat für uns eine große Bedeutung. Es ist das sichtbare Zeichen des Winterbeginns.“
KURIER: Was wird das für ein Winter? Haben Sie eine Vorstellung, was auf Sie und die gesamte Tourismusbranche zukommt?
Jack Falkner: Wenn ich alle Problempunkte aufzähle, dann müsste ich eigentlich fast depressiv werden. Werde ich jetzt aber nicht, weil ich grundsätzlich ein optimistischer Mensch bin und meine, dass man den Tod nicht herbeireden soll.
Vor welchen Herausforderungen steht der Tourismus?
Vor vielen gleichzeitig, das ist ja das Problem: Da ist die Pandemie, die noch nicht vorbei ist. Wir haben diesen schrecklichen Krieg, wir haben extreme Rohstoffkosten. Dann gibt es das Thema Arbeitskräfte, wir finden keine Leute. Dazu ist die Inflation so hoch wie noch nie, dann kann man davon ausgehen, dass auch eine Rezession kommen wird – und mit all dem verbunden herrscht natürlich allgemein gerade eine große Unsicherheit. Wobei ich eines betonen möchte.
Nämlich?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Tourismus sehr resilient ist und mit Herausforderungen umgehen kann. Wir spüren auch, dass die Sehnsucht nach den Bergen und nach dem Skisport sehr groß ist. Für eine gewisse Wohlstandsschicht ist Urlaub eine Selbstverständlichkeit, in schwierigen Zeiten möglicherweise sogar mehr denn je. Nach dem Motto: Ich will mir etwas gönnen, wer weiß, wie lange es uns gut geht und wie’s auf der Welt weitergeht.
Wie schlägt sich die Energiekrise auf die Bergbahnen Sölden nieder?
Es ist alles um ein Vielfaches teurer, das ist eine Katastrophe. Vor allem weil ich im Moment nicht abschätzen kann, wie sich die Energiepreise entwickeln werden. Die Preise schwanken extrem.
Können Sie das näher erläutern?
Der Vergleichswert aus der letzten Saison ist 3,6 Millionen Euro. Das waren die Energiekosten für alle unsere Unternehmen, sprich die Seilbahnen und die Restaurants. Am 11.Oktober hätten wir für die gleiche Menge 17 Millionen Euro bezahlt. In der absoluten Spitze, das war der 26. August, lag der Preis sogar bei 36 Millionen Euro.
Eine Verzehnfachung?
Da wären unsere Bahnen und Lifte dann aber nicht mehr gefahren. Denn dann hätten wir sehenden Auges riesige Verluste eingefahren und müssten zusperren. Diese Zahlen zeigen drastisch, was gerade los ist und in welchen schwierigen Zeiten wir leben. Da erschrickt man.
Was unternehmen Sie konkret, um Energie zu sparen und die Kosten zu senken?
Jeder von uns ist angehalten, in seinem Bereich Energie zu sparen. Wir überlegen, ob wir erst um 8:30 Uhr aufsperren und nicht wie bisher um 8. Wir können die Pisten optimieren und auf fünf Prozent verzichten, ohne dass es groß auffällt. In gewissen Zeiten werden wir auch unsere Liftanlagen langsamer fahren lassen. Wir sind aufgerufen, das zu tun und solche Maßnahmen zu ergreifen.
Wie sehr werden das die Gäste spüren? Stichwort: Teurere Liftkarten.
Wir sind gegenüber dem letzten Winter um fünf bis neun Prozent teurer geworden. Bei uns hat sich das sogenannte Dynamic Pricing bewährt – das bedeutet, wenn man die Liftkarten frühzeitig bucht, dann kriegt man günstigere Preise. Eines ist aber auch klar: Wenn wir die Kosten wirklich abdecken müssten, dann müssten wir die Preise deutlicher erhöhen.
Viele kritisieren, dass das Skifahren ohnehin nicht mehr leistbar ist.
Mir ist klar, dass wir das nicht endlos überstrapazieren können. Aber mit der Qualität, die wir in Österreich bieten, trauen wir uns das. Dass das Skifahren zu teuer ist, ist ein Lamento, das jedes Jahr zur gleichen Zeit daherkommt.
In der Branche ist immer wieder von einem Tourismusbashing die Rede. Passiert das in Ihren Augen?
In einem Wohlfahrtsstaat wie Österreich empfinde ich das als Zeichen der Saturiertheit. Bei uns werden viele negative Aspekte wie zum Beispiel der Verkehr gerne mit dem Tourismus assoziiert. Ich habe auch den Eindruck, dass die Meinung vorherrscht, der Wohlstand in unserem Land sei selbstverständlich und es muss immer so weiter gehen. Genau da muss ich einhaken.
Weltcup: 1993 erlebten die Gletscherrennen auf dem Rettenbachferner ihre Weltcup-Premiere. In diesem Jahr steigt die 25. Auflage in Sölden.
Tourismus: 2.067.037 Nächtigungen verbuchte Sölden (4.200 Einwohner) in der Winter-Saison 2018/2019, der letzten vor Corona.
144 Pistenkilometer umfasst das Skigebiet in Sölden, zu dem auch zwei Gletscher gehören. Der Tiefenbachferner und der Rettenbachferner, der traditionell Schauplatz der Weltcuprennen ist.
Was missfällt Ihnen?
In jeder Branche braucht es Weiterentwicklung. Und gerade wenn man im internationalen Wettbewerb steht wie der Tourismus, dann muss man selbstverständlich was tun und in die Zukunft investieren. Seien wir ehrlich: Welche Branche gibt es sonst noch, in der Österreich weltweit führend ist? Wintertourismus, Skirennsport, Lifte – da spielt Österreich weltweit eine führende Rolle. Und das sage ich mit tiefster Überzeugung. Normalerweise sollte man seine Stärken stärken.
Ein anderes Problemfeld, das Sie angesprochen haben, ist die Klimaerwärmung. Wird es in zehn Jahren noch alle österreichischen Skigebiete geben?
Ich glaube nicht, dass Skigebiete wirklich verschwinden werden. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass es vielleicht etwas schwieriger wird. Dank der effizienteren Beschneiung und der Technik wird das Thema nicht so dramatisch sein. Vor 20 Jahren habe ich schon Zeitungsartikel gelesen, in denen uns dieses Szenario prophezeit wurde. Das bedeutet aber nicht, dass ich leugne, dass es wärmer geworden ist. Ich sehe das große Problem übrigens eher im Sommer.
Der Permafrost ist meine größte Sorge. Für manche Regionen ist das nicht relevant, weil Permafrost geht ab circa 2.500 Metern Seehöhe los. Die Erwärmung im Sommer und die hohen Temperaturen sind ein echtes Problem.
Es wird gerade viel über die Windkraft diskutiert. Können Sie Sich vorstellen, bei Ihnen auf dem Gletscher Windräder zu montieren?
Ich könnte es mir höchstens irgendwo am Parkplatz vorstellen, wo es optisch nicht stört. Aber auf dem Gipfel? Was soll ich da als Gast denken, wenn ich das Panorama genießen will und dann steht da so ein Windradl. Sorry, davon bin ich kein Anhänger.
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