Viktoria – jetzt 18 – hat letzte Saison 37 Rennen bestritten. Wie viel Einfluss haben Athleten auf die Belastung?
Es ist sehr schwierig, denn man gibt sehr viel dafür, seine Ziele zu erreichen. Und man kennt die Grenzen nicht, bevor man sie überschreitet. Da muss man auf sein Gefühl hören, aber auch auf Rat von außen. Das ist wichtig, damit man Dinge erkennt, die man selbst nicht sehen möchte, weil man zu ehrgeizig ist oder die Erfahrung noch nicht gemacht hat. Das hatte ich in diesem Alter nicht.
Für die laufende Saison waren für die Frauen 42 Weltcuprennen angesetzt. Ist das nicht schon zu viel?
Das ist zu viel, ja. Marco Odermatt hat gesagt, er kann nicht alle Rennen bestreiten, weil es körperlich nicht möglich ist. Da frage ich mich: Was ist das Ziel der FIS, wenn die besten Athleten die Rennen nicht mehr schaffen? Wenn die Besten nicht am Start sind, wird es uninteressant. Der Sport lebt von Highlights. Denn er kann viele Geschichten erzählen, die noch gar nicht erzählt worden sind.
Odermatt sagt auch: Parallelrennen braucht er nicht, und die Kombination auch nicht. Tut Ihnen das weh? Es war ja eine Ihrer starken Disziplinen.
Aber ungeliebt (lacht). Wenig Wertigkeit und extrem mühsam, ein fünftes Rad am Wagen. Das spürt man als Athlet, und da kann man kein Feuer aufbauen. Ich war halt gut, der Marco wäre auch gut, wenn er die Kombi fahren würde. Der Aufwand, den man betreiben muss, um gut zu sein, ist so hoch, dass es gar nicht dafürsteht.
Bei den Frauen waren oft nicht einmal mehr 30 Starterinnen dabei. Eigentlich sind das ja billige Weltcuppunkte.
Gut, aber wenn ich nur mitfahren muss, um Punkte zu machen, ist es auch nicht mehr so spannend. Man müsste der Kombi ein Gewicht geben wie den anderen Disziplinen: sechs, sieben Bewerbe und eine Kugel. Denn sportlich gesehen ist die Kombi die schwierigste Disziplin. Und drum gibt es auch so arge Niveauunterschiede. Nur kommt beim Konsumenten so nicht rüber. Das ist schade. Denn die Kombination ist der Ursprung des Skifahrens.
Am übernächsten Wochenende beginnt und endet die Parallel-Weltcupsaison in Zürs. Eigentlich genauso sinnlos, oder?
Es wäre ein spannendes Format, wenn man es weiterdenkt. Aber dieses Parallelrennen gibt es wohl nur, um das Team-Event rechtfertigen zu können. Es wird halt viel ausprobiert, das finde ich auch gut, aber dann muss man auch wieder die Konsequenzen ziehen: Funktioniert’s, oder funktioniert’s nicht? Man sollte es nicht einfach mitlaufen lassen und so tun, als würde es eh passen.
Nicht funktioniert hat auch der frühe Speed-Auftakt in Zermatt. Viele sagen, die Idee war Unsinn. Sie auch?
Ich habe mich sehr gewundert, weil man zu der Zeit auf dem Gletscher in Zermatt oft Bedingungen vorfinden, die kein Rennen zulassen. Jetzt ist es schon vorher passiert, dass sie es nicht hinbekommen haben. Natürlich steht da das Marketing im Vordergrund, das ist sicher auch wichtig für den Sport, aber meiner Meinung nach war es ein falscher Ansatz.
Die Mentorinnenrolle ist nicht das einzige Projekt, das Sie derzeit betreuen.
Im Herbst haben wir beispielsweise eine Sowas-von-fit-Woche bei uns im Hotel, bei der ich mit den Gästen mittrainiere und die ich gestalte. Und ansonsten arbeite ich viel mit meinen Partnern zusammen. Ich bin eigentlich gar nicht so wenig unterwegs, kürzlich haben wir zum Beispiel mit der Schweizer Sports Brand On im Nachhaltigkeitskontext eine Wanderung auf das Kitzsteinhorn gemacht.
Angesichts Ihrer Verletzungsgeschichte beachtlich.
Was ich im Alltag brauche, kann ich mittlerweile wieder schmerzfrei machen. Normales Skifahren, Laufen, Berggehen. Aber natürlich ist mein Knie nicht mehr so wie vor der Verletzung – wenn ich es strecke, knackst es ordentlich. Ich schaue, dass ich mich viel bewege, gesund bleibe – und Spaß am Leben habe.
Wer gewinnt den Gesamtweltcup in diesem Winter?
Ich glaube, Mikaela Shiffrin und Marco Odermatt werden gewinnen.
Warum?
Weil sie die kompletteste Athletin ist und – glaube ich – ihr emotionales Tief überwunden hat. Mit der Unterstützung einer neuen Liebe. Sie hat bei Olympia in China erfahren, was es heißt, nicht immer alles so zu erreichen, wie sie es gewohnt war. Ich kann mir vorstellen, dass sie das noch einmal mehr motiviert. Denn sie hat das alles in sich, nur hat sie es in den letzten Jahren nicht so zeigen können aufgrund ihrer emotionalen Verfassung.
Und Petra Vlhova?
Ich sehe sie nicht so breit aufgestellt. Sie ist richtig gut in Slalom und Riesenslalom, was die Speedrennen betrifft, ist sie punktuell nicht schlecht – aber nicht auf Mikas Niveau. Die für mich unglaublichste Leistung, war, dass sie als Technikerin die speedlastige Abfahrt in Lake Louise gewonnen hat. Ich habe das nicht geschafft. Das zeigt ihr Potenzial.
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