Anna Veith: "Die leichteren Wege waren noch nie die meinen"

ÖSV EINKLEIDUNGSPRÄSENTATION: VEITH
Anna Veith nimmt in Sölden Anlauf in die neue Saison. Über ihre Ziele will sie nicht sprechen.

„Ich glaube, dass die Anna Veith genauso stark werden kann, wie die Anna Fenninger. Die Frage ist nur wann.“

Zwei Jahre ist es jetzt her, dass Anna Veith am Stilfserjoch diesen aussichtsreichen Ausblick in die Zukunft gewagt hat. Es gab nicht viele, die damals den Optimismus des Salzburger Skistars teilen wollten. Anna Veith hatte da gerade ihre ersten Skitage nach einer komplexen Knieverletzung hinter sich. Knapp ein Jahr zuvor hatte sie sich in Sölden das Kreuzband, das Innenband und die Patellasehne gerissen, auch der Meniskus war lädiert. Chirurg Christian Hoser, der Anna Veith in Hochrum operiert hatte, sprach danach davon, dass ihm in seiner Laufbahn keine zehn Patienten mit diesem schweren Verletzungsgrad untergekommen seien.

Jeder hätte es verstanden, wenn Anna Veith einen Schlussstrich unter ihre Karriere gezogen hätte. Zumal sie ohnehin seit jungen Jahren bereits stolze Besitzerin der wichtigsten Trophäen ist, die es im Skisport zu gewinnen gibt. WM-Gold mit 21, Olympiagold mit 24, im gleichen Alter feierte sie auch noch den ersten von zwei Gesamtweltcupsiegen.

Nicht aus der Bahn geworfen

„Die leichteren Wege waren aber noch nie die meinen“, sagt Anna Veith, „ich habe nie Entscheidungen getroffen, um es einfach zu haben.“ Das ist ihr Naturell, auch deshalb geht sie in diesem Jahr beim Weltcupauftakt in Sölden an den Start. 2014 hatte Veith als bislang letzte Österreicherin das Gletscherrennen gewonnen, ein Jahr später folgte im Ötztal die Knieverletzung. „Ich wollte in meiner Karriere immer schon an den Herausforderungen wachsen“, erklärt Anna Veith.

Sölden steht bei mir für Kämpfen. Dieser Ort ist zwar einerseits mit vielen Schmerzen verbunden, aber diese Erfahrungen ordne ich durchaus auch positiv ein. Ich habe in Sölden durch die Verletzung neue Aufgaben für die Karriere, aber auch für mein Leben gestellt bekommen. Das war in gewisser Weise auch ein Startschuss“, erinnert sich die 29-Jährige.

Die Knieverletzung 2015 mag Anna Veith weit zurück, aber jedenfalls nicht aus der Bahn geworfen haben. Das zeigte nicht zuletzt Super-G-Silber bei den Olympischen Spielen in PyeongChang. Wo geht die Reise der Salzburgerin hin? Welche Ziele verfolgt sie noch? Und was unterscheidet die Anna Veith von heute von der Anna Fenninger von früher?

Anna Veith über . . .

...die Emotionen in Sölden
„Natürlich kommen die Erinnerungen wieder hoch. Gerade in solchen Momenten, wenn etwas passiert, wie letzte Woche bei unserem Trainingskurs in Sölden. Da war ein Unfall auf dem Gletscher, der Hubschrauber ist gekommen , und du denkst dir: ,Scheiße, das ist mir auch schon passiert.’ Die Verletzung gehört zu meiner Geschichte, aber genauso auch der Sieg in Sölden.“

...die Vorbereitung
„Ich habe mich bewusst dafür entschieden, nicht nach Übersee zu fahren und stattdessen lieber hier zu trainieren. Auch weil ich heute aus der Erfahrung einfach weiß, dass die Sommervorbereitung zwar wichtig ist, aber richtig in Form kommt man erst, wenn’s Richtung Winter geht. Die Quantität ist im Training nicht das Entscheidende, wichtig ist, dass du die Tage, die du trainierst perfekt nutzt. Ich merke, dass sich bei mir durch die Jahre und die Erfahrung eine gewisse Ruhe und Gelassenheit eingestellt haben.“

...ihren letzten Sieg in Sölden 2014
„In diesem Jahr war ich in einer Megaform. Ich bin damals als Gesamtweltcupsiegerin nach Sölden gekommen und habe das erste Mal gemerkt, was es heißt, wenn man so einen Titel gewonnen hat. Auch was die Öffentlichkeit dann von einem erwartet. Trotzdem habe ich es geschafft am Renntag zu performen und zu gewinnen – das war für mich deshalb ein sehr besonderer Sieg. Ein Sieg über mich selbst und über gewisse Sachen, die mir früher Probleme bereitet haben. Das war nach dem Weltcupgesamtsieg so eine Bestätigung: ,Jetzt habe ich es geschafft.’“

...die Anna Veith von 2018
„Es ist seit dem Sieg in Sölden viel Zeit vergangen. Ich stehe jetzt auf einer ganz anderen Ebene. Wobei ich jetzt nicht sagen kann, ob es drüber oder drunter ist. Was ich mit Sicherheit sagen kann: Ich bin durch die Verletzung zufriedener geworden. Ich verspüre jetzt nicht mehr den Druck wie früher. ,Ich muss die Beste sein, ich muss alle übertrumpfen.’ Der Zugang ist ein anderer: Für mich ist wichtig, dass ich es gerne tu’ und ich natürlich auch spüre und sehe, dass sich die Energie bezahlt macht, die ich investiere. Eigentlich bin ich einfach nur dankbar, dass ich das machen kann.“

...ihre Gelassenheit
„Ich rede mich vermutlich leichter als andere, weil ich schon viel gewonnen habe. Zugleich kenne ich aber auch das Gefühl, wenn man am Boden ist. Das ist gerade in Momenten, wenn es einmal nicht so läuft und man sich schwerer tut, gut zu wissen, dass alles viel schlimmer sein könnte.“

...Starts im Riesentorlauf
„Natürlich könnte man darüber nachdenken, jetzt nur mehr die Speedbewerbe zu fahren. Aber das wäre irgendwie langweilig. Der Riesentorlauf ist die Disziplin mit den größten Belastungen auf den Körper, das ist gerade für mich nach der Verletzung eine große Herausforderung – und auch noch ein bisschen eine Unbekannte. Mir hat im Training noch etwas die Konstanz gefehlt, es gab gute Tage, dann aber auch wieder weniger gute. Ich weiß also noch nicht, was mir das Rennen in Sölden bringen kann. Wenn ich mich nicht für den zweiten Durchgang qualifizieren sollte, dann wäre das aber schon eine Niederlage.“

...die Ziele für die neue Saison
„Ich bin grundsätzlich kein Freund davon, Ziele auszusprechen. Ich will auch nicht jetzt schon sagen, dass die WM mein großes Ziel ist. Ich verfolge eher das Ziel, über die Rennen in Form zu kommen und damit Sicherheit zu gewinnen. Früher habe ich gewusst, wo mein Limit ist. Seit der Verletzung muss ich mir das neu erarbeiten, neu erspüren und mich auch trauen, mich wieder am Limit zu bewegen. Das war schon immer so: Auch wenn es in der Vergangenheit vielleicht nach außen oft leicht ausgesehen hat – ich habe für den Erfolg immer hart arbeiten müssen.“

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