Wimbledon bricht mit der Tradition

Wimbledon ist das einzige Grand-Slam-Turnier, bei dem noch auf Rasen gespielt wird. Ursprünglich wurde Tennis ausschließlich auf Rasen gespielt. Sand- und Hartplätze kamen erst viel später dazu.
Von Schneeweiß zu Rosarot: Nicht einmal die Spieler müssen in weiß antreten.

Der befürchtete Ansturm der laut polternden Proleten-Horden, die den heiligen Rasen an der Church Road entweihen würden, ist ausgeblieben. Die Freunde des olympischen Gedankens können sich ordentlich benehmen, das haben auch Bundeskanzler Werner Faymann und Verteidigungsminister Norbert Darabos bewiesen, die Tamira Paszek aufmunternd zunickten. Genutzt das gar nix.

Die Vorarlbergerin verlor gegen Alize Cornet in der ersten Runde 6:7 (4), 4:6 und ist ausgeschieden. Vor drei Wochen hatte Paszek der Französin an selber Stelle drei Games gelassen.

Für Aufsehen sorgten Jürgen Melzer und Alexander Peya, die die Publikumslieblinge in der 1. Runde mit einer tadellosen Leistung heim schickten. Weit haben es die schottischen Murray-Brüder ja nicht, die Großbritannien repräsentierten. Die Österreicher siegten 5:7, 7:6 (6), 7:5. Jamie Murray sah an der Seite von Andy, der Weltklasse ist, blass aus. Melzer und Peya hatten den gleichen Teint. Im Einzel sieht sich Melzer heute gegen den Kroaten Cilic als Außenseiter.

Ein toller Ort

Wimbledon bricht mit der Tradition

Es riecht nicht mehr nach Altehrwürdigkeit und Tradition im All England Lawn Tennis & Croquet Club, der am 23. Juli 1868 gegründet wurde. Die dunkelgrünen Planen, die die Außenplätze voneinander dezent getrennt hatten, wurden durch kesses Pink ersetzt; die violetten Schilder haben die Herren der Ringe großteils mit rosa Pickerln verunstaltet; und, was am Schlimmsten ist: Die Spieler müssen nicht mehr in Weiß antreten, wie es in den Klub-Statuten festgeschrieben steht. Die 375 Mitglieder – mehr darf es nicht geben – wären not amused.

"Es war eine kleine Umstellung, dass alles, was Wimbledon hat, Tradition und Geschichte, während Olympia weg ist. Aber es bleibt ein toller Ort", sagte Kim Clijsters, die gestern in roter Hose die Italienerin Vinci abservierte.

Auch die fünffache Wimbledon-Siegerin Serena Williams war irritiert, spielte aber trotzdem den bunten Vogel. "Egal, was ich anhabe – wenn ich auf den Rasen-Court steige, habe ich immer das Gefühl, dass es weiß ist." Auf dem Centre Court beschränkte sich das tatsächliche Weiß auf Zähne, Griffband des Schlägers, Gürtel und Schuhe – das Mini-Kleidchen der US-Amerikanerin war dunkelblau, die Haare wurden von einem knallroten Haarband zusammengehalten.

Die Österreicher wählten einen eigenen Zugang zum Dress-Code. Alexander Peya blieb ihm treu, Melzer bettete seine Füße ebenso wie Tamira Paszek in rote Patschen. Sieht tatsächlich nach gelungenem Understatement aus.

Der Rasenflüsterer

Der Rasen auf den 12 Plätzen, auf denen bei Olympia gespielt wird, ist drei Wochen nach dem Grand-Slam-Turnier in perfektem Zustand. Chef-Platzwart Eddie Seaward hat mit seinen 27 Gärtnern gezaubert – die Spieler hatten an den Grundlinien verbrannte Erde hinterlassen.

Seaward, den man hier "Rasenflüsterer" nennt, regt Regen nicht auf, im Gegenteil, Wasser kann’s nicht genug geben für das Gras. "Je nasser, desto schneller wächst es", verrät der 68-Jährige. Na bumm!

Der Haudegen setzt auf Weidelgras, eine besonders robuste Sorte aus der Familie der Süßgräser. Vor zehn Jahren war es Seaward, der den speziellen Samen erstmals auf einem Tennisplatz ausprobierte. Er bemerkte rasch: Weidelgras ist nicht nur widerstands­fähig, es wächst auch besonders schnell. Gemäht wird täglich, ob Sommer, ob Winter. An starken Tagen zwei Millimeter, nicht mehr. Damit die Halme immer die Turnierlänge von acht Millimetern haben.

Nach dem Herren-Finale wird der begnadete Gras-Figaro in Pension gehen. Doch auch Nachfolger Neil Stubley kennt sich aus. Deshalb weiß er schon jetzt: "Das wird ein ewiger Kampf."



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