Sport findet nicht Stadt

Nicht mehr zeitgemäß: Ist sogar das Happel-Stadion, das Rapid und das Team füllen. Für Großereignisse ist es aber nicht modern genug.
Die politischen Parteien in der Bundeshauptstadt haben Sport und Bewegung kaum im Programm.

Sportstadt Wien. Von wegen. In den Wahlprogrammen der einzelnen Landesparteien vor der Wien-Wahl im Oktober spielt der Sport keine geringe Rolle. Er spielt nämlich gar keine Rolle. Obwohl Studien belegen, dass Bewegung und Sport in der Prävention Millionen an Euro sparen würden für das Gesundheitssystem.

Wien hat ein großes Angebot für Freizeit- und Hobbysportler. Umgekehrt verfügt Wien über ein Happel-Stadion, in dem künftig keine Europa League, Champions League oder Europameisterschaft zu Gast sein wird, weil es den modernen Ansprüchen schon lange nicht mehr gerecht wird. Wien hat keine multifunktionale Halle wie fast jede europäische Stadt in ähnlicher Größenordnung.

Der KURIER blätterte die Wahlprogramme durch und fragte in Folge bei den Sportsprechern der einzelnen Parteien nach, welchen Stellenwert der Sport in der Weltstadt Wien besitzt.

SPÖ

Im Wahlprogramm der SPÖ Wien findet Sport nicht statt. Sportsprecher Thomas Reindl hat damit keine Freude. "An und für sich hat der Sport in der Partei aber einen hohen Stellenwert, das Angebot ist vielfältig. Viel wird über Vereine und Schulen abgewickelt." Das Wahlprogramm sei kein Signal, "dass der SPÖ der Sport egal ist". Reindl selbst ist Sportfan und Präsident des Fußballklubs FC Stadlau. "In unserem Sportzentrum ist das Angebot sehr groß."

An der Basis, so Reindl, passiere schon einiges und verweist auf die vielen Kunstrasen-Fußballplätze, die in den letzten Jahren verlegt worden sind. Einer neuen Mehrzweckhalle steht er aber skeptisch entgegen. "Wer soll sie bespielen? Die wird nur bei internationalen Events voll, nicht national."

Die Grünen

Auch im grünen Wahlprogramm für die Wien-Wahl sucht man vergeblich nach dem Wort "Sport". "Das reflektiert aber nicht, dass für den einzelnen und die Sportpolitik der Sport keine Bedeutung hat", meint Sportsprecherin Jennifer Kikert. "In der letzten Periode wurde viel für die Großvereine wie Rapid, Austria oder die Vienna Capitals getan. Jetzt sollte der Fokus auf dem Breitensport liegen. Ich wünsche mir eine Systemänderung, eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und den Schulen. Langfristig tut das dem Sport gut."

Die Forderung nach einer täglichen Turnstunde sieht Kikert nicht uneingeschränkt positiv. "Ich habe nichts dagegen. Aber wenn man weiß, wie manche Turnsäle beschaffen sind, dann halte ich diese Forderung für eine Augenauswischerei." Dass Sport wichtig für gesundheitliche Prävention und die Integration ist, sei unbestritten, so Kikert. "Vor allem in Zeiten wie diesen."

ÖVP

Er hat drei Leistungssportler als Söhne und ist selbst beim Ruderverband tätig. Für Berndt Querfeld ist es "erschreckend, welch geringen Stellenwert der Sport für alle Parteien hat". Auch für seine eigene. Im Wahlprogramm der ÖVP kommt der Sport immerhin vor, wenngleich unter der Rubrik Bewegung. "Die Stadt Wien hat sich als Sportstadt verabschiedet." Es gäbe kaum Ambitionen, internationale Veranstaltungen nach Wien zu holen. "Wien hat kaum eine Sportanlage, die dem Excelent-Status entspricht."

Daher fordert er eine Multifunktions-Halle. "Denn es dreht sich ja im Kreis: Keine Halle, keine internationalen Events, keine Talente, die Vorbilder haben." Die Ruder-WM 2019 findet in Linz-Ottensheim statt. "Warum nicht in Wien auf der Neuen Donau? Internationale Bewerbe heben den Status."

FPÖ

Im Wahlprogramm geht die FPÖ zum Sport auf Oppositionskurs, auf Nachfrage wird dann aber ein Konzept-Papier vorgelegt. Günter Kasal war einst selbst Leistungssportler und wünscht sich eine Entpolitisierung der Sportförderung in Wien. "Die Dachverbände sollen nicht abgeschafft werden, denn dort passiert eine gute Basis-Arbeit. Es geht um zusätzliche Förderungen, die auf Umwegen wieder zu den Verbänden fließen."

Kasal wünscht sich für Wien zudem ein Landes-Sportzentrum. "Der Bereich um die vorhandenen Sportstätten im Prater wäre mit einigen Ergänzungen durchaus geeignet."

Neos

44 A4-Seiten Wahlprogramm für den Urnengang in Wien, aber kein Wort wird über den Sport verloren. Auf Nachfrage hat die Pressestelle jedoch ein Arbeitspapier parat. Und darin beziehen die Neos klar Stellung: "Wien ist blamables Schlusslicht unter Europas Hauptstädten hinsichtlich der Sport-Infrastruktur.

Im Prater und der Lobau wäre es ohne größere Probleme möglich, Grünflächen für den Sport zu adaptieren. Städte wie Paris und Budapest zeigen, dass in jedem größeren Park eine kostenlose Sportanlage zur Verfügung stehen kann."

Die Neos fordern den Ausbau und Neubau von Sportanlagen, Turnsälen für Schulen, Sporthallen und Leistungszentren, wobei eine Sportarten-übergreifende Nutzung in Betracht gezogen werden muss. "Dem Sport in Wien müssen die Bedeutung und die Möglichkeiten gegeben werden, die bisher angekündigt wurden."

Peter Kleinmann ist unangenehm, weil er nicht locker lässt. Er ist Revoluzzer, Initiator der täglichen Turnstunde, Volleyball-Experte, Ex-Vereins-Boss, Verbands-Chef. Vor allem ist er einer, dem der Sport am Herzen liegt.

Was genau kritisieren Sie?

Peter Kleinmann: Bewegung und Sport sind in Österreich die Stiefkinder der Politik.

Wieso das?

Der Sport wird in den politischen Ressorts hin- und hergeschoben. Mittlerweile ist er im achten. Niemand will den Sport. Er hat ein Gesellschaftsproblem.

Wien ist doch Sportstadt.

Das ist doch ein Widerspruch in sich. In Wien gibt es zwar viele Einrichtungen für Freizeit und Hobbysport, welche leider von 72 Prozent der Kinder nicht regelmäßig genutzt werden, aber nur eine einzige olympiataugliche Anlage – das ist der Marathonlauf, weil die Straßen vorhanden sind. Die reißt man nicht weg. Rom, Moskau, Paris oder London sind ebenso wie Wien Kulturstädte, haben aber eine tolle Infrastruktur für Sport.

Der ewige Vergleich mit der Kultur tut dem Sport nicht gut.

Ich will auch gar nicht gegen Kunst und Kultur argumentieren. Aber auf den Homepages der neun Landesregierungen kommt die Kultur immer vor, der Sport nur bei sieben. Da frage ich mich, warum ist das so?

Ist er nicht so wichtig?

Kulturjournalisten machen Kulturpolitik. Sportjournalisten oft nur Ergebnisjournalismus. Und auch politische Parteien erkennen die Wichtigkeit des Sports nicht. Sie glauben, mit Sport gewinnt man keine Stimmen. Da irren sie sich aber.

Geht es Ihnen um Spitzen- oder Breitensport?

Es geht um Bewegung. Spitzensportler sind der Motor für den Breitensport, der Breitensport ist die Basis für den Spitzensport. Wenn die Pharmaindustrie in ein Wundermittel investiert, das Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen, Herzinfarkt, Osteoporose, Krebs, Alzheimer, Rückenschmerzen, Asthma und Krampfadern vorbeugen oder heilen kann, dann würde sie Millionen ausgeben und Milliarden verdienen. Dieses Wundermittel gibt es schon: Bewegung und Sport.

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