Wieder eine Doping-Anklage

Wieder eine Doping-Anklage
Ex-Profi Hamilton beschuldigt Ex-Teamchef Riis. Der Däne soll bei CSC alles über Blutdoping-Praktiken gewusst haben.

Der dänische Radsport-Teamchef Bjarne Riis ist vom ehemaligen Profi Tyler Hamilton mit neuen Doping-Vorwürfen konfrontiert worden. Der zeitweise für Riis fahrende US-Amerikaner Hamilton beschuldigte den gedopten Tour-de-France-Sieger von 1996 am Montag laut dänischen Medienberichten, in den Jahren 2002 und 2003 in allen Details über Blutdoping und andere verbotene Methoden im eigenen Team CSC informiert gewesen zu sein.

Die Aussagen von Hamilton und anderer gegen seinen früheren Teamkollegen Lance Armstrong hatten zuletzt dazu beigetragen, dass Armstrong eine lebenslange Doping-Sperre erhalten und seine sieben Siege bei der Tour de France verloren hat. Riis hatte selbst nachträglich EPO-Doping als Aktiver bei seinem eigenen Tour-Sieg 1996 eingeräumt.

Er will aber als Teamchef und Eigner des früheren dänischen Rennstalls CSC nichts von Doping gewusst haben. Weder Riis noch sein heutiges Team Saxo Bank-Tinkoff wollten sich zu den neuen Vorwürfen Hamiltons äußern. Von Juni 2003 bis Ende 2006 fuhr auch der Österreicher Peter Luttenberger für das Riis-Team CSC.

Klage

 

Ungemach droht auch an anderer Stelle. Das australische Bekleidungsunternehmen SKINS fordert vom Internationalen Radsport-Verband (UCI) umgerechnet 1,56 Millionen Euro Schadenersatz, weil dieser im Anti-Doping-Kampf versagt haben soll. Der langjährige Radsport-Teamausrüster und -Sponsor führt das Missmanagement der UCI und den Dopingfall Lance Armstrong als Gründe für die rechtlichen Schritte ins Treffen.

Die Handhabung der dopingbedingten Krise des Radsports durch UCI-Präsident Pat MacQuaid und dessen Vorgänger Hein Verbruggen hätten dem Sport und damit auch SKINS maßgeblich geschadet, teilte das Unternehmen mit.

Die Briten sind bekannt für seltsame Bräuche und ihren zuweilen tiefschwarzen Humor. Beides zusammen wird am Samstag im 8000-Einwohner-Dorf Edenbridge in der Grafschaft Kent zu sehen sein: Die örtliche Bonfire Society wird wie üblich des gescheiterten Attentats von Guy Fawkes gedenken, der am 5. November 1605 versucht hatte, das englische Parlament in die Luft zu jagen, aber verraten und zum Tode verurteilt wurde.

Das vereitelte Attentat wird mit einer Prozession durch den Ort gefeiert, mit einem Feuerwerk – und als Höhepunkt wird eine zehn Meter hohe Guy-Fawkes-Figur (dessen Antlitz heute die Masken der Internet-Aktivisten von "Anonymous" ziert) mit allerlei Feuerwerksmaterial in die Luft gejagt. Nun haben es sich die Leute von Edenbridge seit einigen Jahren zum Brauch gemacht, neben Fawkes eine zweite Figur zu malträtieren, und so kommt heuer Lance Armstrong zur zweifelhaften Ehre. Eine Art Fernerfahrung in Sachen Fegefeuer.

Naherfahrung

Die Naherfahrung in Sachen Fegefeuer brachte dem Amerikaner sieben Tour-de-France-Siege weniger, nach der US-Anti-Doping-Agentur hat ja auch der Radsport-Weltverband UCI die Doping-Vergangenheit Armstrongs als erwiesen angesehen.

Ganz so einfach ist es freilich nicht: Die UCI hat nämlich mit dem Entzug der Tour-Siege vor 2004 gegen ihre eigenen Verjährungsregeln verstoßen, wonach nur Vergehen innerhalb der letzten acht Jahre bestraft werden können.

"Wir haben hier kein klassisches Dopingverfahren, sondern ein Armstrong-Verfahren", sagte denn auch der Schweizer Sportrechtler Alexis Schoeb gegenüber AFP. Worauf Schoeb anspielt: Während dem Texaner alle Ergebnisse gestrichen wurden, bleiben jene anderer geständiger Fahrer bestehen. Der Genfer Anwalt hofft nun auf die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA: Sie könnte gegen das Urteil berufen, drei Wochen bleiben noch. Damit wenigstens die Regeln eingehalten werden.

Das Dossier der US-Anti-Doping-Agentur (USADA) zum Fall Lance Armstrong hat die Doping-Praxis im Radsport gnadenlos offengelegt. Die USADA strich dem US-Amerikaner alle Ergebnisse ab August 1998, der Weltverband (UCI) schloss sich den Sanktionen an. Nicht wenige Sportrechtsexperten zweifeln freilich die Rechtmäßigkeit dieser "politischen Entscheidung" an.

"Die Affäre ist wegen ihrer Tragweite außergewöhnlich, aber das ist kein Grund, nicht die Regeln anzuwenden, sie sogar zu ignorieren", erklärte Antonio Rigozzi, Rechtsprofessor an der Universität Neuchatel, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Um einen "medialen Selbstmord" zu vermeiden, habe es die UCI vorgezogen, die USADA-Entscheidung zu übernehmen, sagte der Jurist. Weil die UCI aber den politischen über den juridischen Aspekt gestellt habe, verliere sie ihre Glaubwürdigkeit, betonte Rigozzi.

Die Entscheidungen betreffend Verjährung (es gilt eine achtjährige Frist) und die Übereinkünfte mit den als Zeugen aufgetretenen früheren Teamkollegen des Texaners erscheinen Juristen als fragwürdig. Rigozzis Kollege und Landsmann Alexis Schoeb meint, man habe kein klassisches Doping-Verfahren erlebt, sondern ein Armstrong-Verfahren. Bei dessen Ex-Teamkollegen, die Doping gestanden hätten, habe man die achtjährige Frist sehr wohl eingehalten. "Da wurde mit zweierlei Maß gemessen", sagte Schoeb und wünscht sich, dass der Fall vor das Oberste Sportgericht kommt. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat noch drei Wochen Zeit, über einen Einspruch gegen das Urteil zu entscheiden.

Der französische Anwalt Jean-Jacques Bertrand glaubt, das USADA-Dossier habe jeden Einspruch im vorhinein aussichtslos erscheinen lassen. "Niemand hat gewagt, die USADA zu kritisieren, aus Angst, als Armstrong-Verteidiger zu gelten. Aber es muss Richter geben, die das Recht so anwenden, wie es festgeschrieben ist."

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