„Die Sexualisierung nackter Sportler war im antiken Griechenland verpönt und wurde ernsthaft bestraft“, sagt Sarah Bond, Historikerin an der Universität von Iowa im Interview mit der BBC. „Heute wäre das komplett anders.“ Zudem waren die Zuseher der Spiele der Antike vorwiegend männlich, sie kamen aus der gebildeten Elite und sie hatten denselben kulturellen und religiösen Hintergrund. Heute werden die Spiele über TV und Internet für Milliarden Menschen weltweit übertragen. Nicht nur in konservativen Ländern ist öffentliche Nacktheit ein Tabu.
Doch Kleidung hat im Jahr 2021 nicht nur die Funktion, Körper zu bedecken. Sie unterstützt die Athleten auch in ihrer Leistung. Schuhe bieten mehr Grip als bloße Sohlen, sie schützen den Fuß und haben einen Feder-Effekt; hautenge Trikots reduzieren den Windwiderstand; Sport-BHs unterstützen die Brust, Lauf-Hosen stabilisieren männliche Genitalien; aerodynamische Fahrrad-Helme lenken die Luft perfekt über den Körper.
Die Trikots der Spitzensportler sollen die Muskeln der Athleten an genau definierten Stellen komprimieren, um die Kraft in die richtige Richtung zu lenken. Eine ähnliche Funktion hat der Gürtel der Gewichtheber – der außerdem noch vor Rückenverletzungen schützt.
Am eindrucksvollsten zeigt sich der Vorteil von Kleidung kurioserweise beim Schwimmen. Wer 2008 in Peking gewinnen wollte, musste in den extrem engen Ganzkörperanzug „LZR Racer“ schlüpfen. Das Wunderding aus Polyurethan hatte eine Oberflächenstruktur, die Haifischhaut nachempfunden war.
„Wenn ich damit ins Wasser eintauchte, fühlte ich mich wie eine Rakete“, sagte damals der Amerikaner Michael Phelps, der erfolgreichste Olympionike der Geschichte. 25 Rekorde wurden damals gebrochen – 23 davon mit dem neuen Anzug. Nach den Spielen in Peking wurde der Wunderanzug verboten, dem Wettrüsten sollte Einhalt geboten werden.
„Rein wissenschaftlich gesehen ist der Einfluss der Kleidung auf die Leistungssteigerung geringer als angenommen“, sagt Olga Troynikov, die sich an der Universität Melbourne mit Funktionsmaterialien auseinandersetzt. „Die meisten Ergebnisse dazu sind nicht schlüssig.“
Nicht zu unterschätzen sei allerdings die psychische Komponente. So trat etwa die australische Sprinterin Cathy Freeman im Jahr 2000 im Ganzkörperanzug auf, der sie wie eine Superheldin mit Kapuze wirken ließ. Es ist unklar, ob der Anzug auch nur eine Hundertstelsekunde gebracht hat. Fakt ist nur, dass Freeman bei den Spielen in ihrer Heimat Gold über 400 Meter gewann.
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