Warum die Sportwelt am Samstag in den Wiener Prater blickt

Rekordmann Eliud Kipchoge
Ein Marathon unter zwei Stunden. Was hinter dem Rekordprojekt von Eliud Kipchoge in der Hauptallee steckt.

Dieser Einstiegssatz hat nicht viel mit diesem Artikel zu tun, aber er lohnt sich dennoch, denn wenn Sie ihn aufmerksam und in mittlerer Geschwindigkeit zu Ende gelesen haben, wird Eliud Kipchoge, der beste Langstreckenläufer der Gegenwart, in etwa in der gleichen Zeit 100 Meter zurückgelegt haben und damit in Wien auf Rekordkurs unterwegs sein.

100 Meter in 17 Sekunden – das klingt durchaus machbar. Einmal. Eliud Kipchoge hat jedoch vor, dieses Tempo beizubehalten, zwei Stunden lang, ohne einzige Pause. Hält der 34 Jahre alte Kenianer den geforderten Schnitt von 21,17 km/h, wird er in die Geschichtsbücher des Laufsports eingehen – als erster Mensch, der für die Marathon-Distanz von 42,195 Kilometer weniger als zwei Stunden benötigt hat.

Warum die Sportwelt am Samstag in den Wiener Prater blickt

Bei der Veranstaltung, die am Samstag in der Prater Hauptallee stattfindet, geht es um einen Meilenstein im Laufsport. Einmal mehr sollen die Grenzen des Menschenmöglichen ausgelotet und verschoben werden. 30 Fernsehstationen haben sich angekündigt, mit einer fixen Sendezeit können sie jedoch nicht um Seher werben.

Das Experiment, das unter Laborbedingungen durchgeführt wird, ist maßgeblich von den äußeren Umständen abhängig. Nur bei idealen Bedingungen wird sich Eliud Kipchoge in Bewegung setzen. Die Startzeit liegt weiterhin zwischen 5 und 9 Uhr Früh und wird endgültig am Freitag fixiert.

Warum die Sportwelt am Samstag in den Wiener Prater blickt

Der Weltrekord ist dennoch nicht in Gefahr, da der Lauf nicht als offizieller Wettbewerb angeführt wird. Eine Tatsache, die vor allem Eliud Kipchoge locker verkraften wird können, ist er es doch, der seit 2018 ohnehin die Bestmarke hält (2:01:39).

Der Kenianer ist geradezu prädestiniert dafür, die Grenzen des Langstreckenlaufs weiter zu verschieben. In der Laufsport-Community im Internet finden sich Dutzende Erklärvideos zum ökonomisch perfekten Laufstil von Kipchoge. Auch die Wissenschaft befasst sich seit Jahren mit den physiologischen und anatomischen Besonderheiten der äthiopischen und kenianischen Athleten, die den Langstreckenlauf dominieren.

  • Skispringen/Skifliegen
    101 Meter: Josef Bradl (AUT)1936
    203 Meter: Toni Nieminen (FIN) 1994
    250 Meter: Peter Prevc (SLO) 2015
  • Sprint (100 Meter der Herren)
    10,0 Sekunden: Armin Hary (GER) 1958
    9,9 Sekunden: Jim Hines (USA) 1968
  • Sprint (100 Meter der Damen)
    10,9 Sekunden: Renate Stecher (DDR) 1973
  • Weitsprung
    8,13 Meter: Jesse Owens (USA) 1935
    8,90 Meter: Bob Beamon (USA) 1968
  • Schwimmen (100 Meter Freistil)
    58,6 Sekunden: Johnny Weissmüller (USA) 1922
    49,99 Sekunden: James Montgomery (USA) 1976

Neben der Entwicklung einer hohen maximalen Sauerstoffaufnahme und idealen Skelettmuskelfasern zeichnen sich die Spitzenathleten durch eine niedrige Unterhautfettschicht aus. „Diese extrem niedrigen Fettwerte, die für den Betrachter kaum sichtbar sind, können mit einer neu entwickelten standardisierten Ultraschallmethode exakt gemessen werden“, erklärt Sportwissenschafterin Marietta Sengeis dem KURIER. Publiziert wurde dieses Verfahren 2016 von Wolfram Müller von der Universität Graz im British Journal of Sports Medicine.

Trotz genetischer Veranlagung und perfekter Trainingssteuerung zeichnet sich Kipchoge durch Leidensfähigkeit und Draufgängertum aus. Beim Weltrekord in Berlin lief er die letzten 17 Kilometer alleine ohne Tempomacher.

Video: Warum Wien Schauplatz des Rekordversuchs ist

Einsam wird er in Wien nicht sein. Zu perfekt durchgeplant ist das Event. Neben dem Hauptsponsor, einem britischen Chemiekonzern, stellt auch das Team des Wien-Marathons seine Expertise zur Verfügung. Als Gegenleistung gibt’s in der reiselustigen Laufsportgemeinde Werbung für den eigenen Marathon im April.

Die Strecke in der Hauptallee wurde extra neu asphaltiert und gilt unter Forschern nach GPS-Messungen und Simulationen als nahezu ideal, wie Christoph Trischka von der Universität Wien bestätigt: „Die Strecke ist so gewählt, dass 26 Höhenmeter bergab gelaufen werden und lediglich 12 Höhenmeter bergauf.“

Damit ist das Wiener Streckenprofil auch besser geeignet für das Projekt als jenes auf der Motorsportstrecke in Monza. Dort wo üblicherweise Lewis Hamilton in seinem Formel-1-Wagen mit mehr als 350 km/h unterwegs ist, versuchte Eliud Kipchoge bereits vor zwei Jahren die magische Marke zu unterbieten. 26 Sekunden fehlten ihm damals. Oder rund 150 Meter.

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