Wien-Marathon: Wenn Amateure mit den Weltbesten Schritt halten

Eliud Kipchoge ist nicht von dieser Welt. Der 38-jährige Kenianer ist der erste Mensch, der die Marathon-Distanz unter zwei Stunden lief. Er lief dabei ein Tempo von über 21 km/h – mit einer Schrittlänge von rund 1,90 Metern, bei einer Körpergröße von 1,67 m.
All diese Zahlen wirken an sich schon beeindruckend. Kipchoge ist beim Vienna City Marathon zwar nicht am Start, doch nicht einmal er selbst könnte seine Bestzeit unterbieten. Denn die hat er unter "Laborbedingungen" 2019 in Wien aufgestellt. Sein anerkannter Marathon-Rekord liegt immerhin knapp 120 Sekunden darüber.
Doch wie würde es einem "normalsterblichen", einigermaßen trainierten Athleten bei dem Versuch ergehen, die Werte von Kipchoge nachzuahmen?
Es wurde oft probiert – und viel gestolpert. Etwa 2021 in Wien bei der Challenge "Beat Eliud!": Freiwillige wurden eingeladen, zumindest 100 Meter in der Marathongeschwindigkeit des Kenianers zu laufen. Also in 17,02 Sekunden. Einen anderen Versuch stellt der rund sechs Meter lange und zwei Meter breite "Tumbleator" dar, ein übergroßes Laufband, welches das Tempo Kipchoges vorgibt und als Side-Event bei Marathonläufen zum Selbstversuch bereitstand.
Ergebnis: Es ist so gut wie unmöglich, dem Tempo standzuhalten. Ein Proband nach dem anderen purzelte von dem sich viel zu schnell bewegenden Laufband, vielfach auf Video dokumentiert. "Ich will den Menschen zeigen, dass es keine Grenzen gibt", hatte Kipchoge einst gesagt. Doch genau diese Grenzen zeigen diese Versuche auf. Die Hobbyläufer können es wohl mit einem Lächeln hinnehmen.
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Ernster wird es da schon im Spitzenfeld des 40. Vienna City Marathons, das am Sonntag an den Start geht. Internationale Top-Athleten greifen bei angenehmen Marathon-Bedingungen die Bestmarke von Getu Feleke (2:05:41) an. Darunter der Norweger Sondre Moen, der als erster Europäer einen Marathon unter 2:06 Stunden lief, oder die Kenianer Samwel Mailu, Bethwel Yegon und Elvis Cheboi und die Äthiopier Abe Gashahun und Abdi Fufa. Unter den Frauen haben unter anderem Visiline Jepkesho und Caroline Jepchirchir aus Kenia sowie Branna MacDougall aus Kanada gute Chancen, die Bestmarke von Vibian Chebkirui (2:20:59) zu unterbieten.

Die Top-Läuferinnen Branna MacDougall (CAN), Caroline Jepchirchir (KEN) und Visiline Jepkesho (KEN)
Kopfsache
Dahinter geben sich rund 9.000 Marathonläufer und -läuferinnen den direkten Vergleich mit den Stars. In kaum einer anderen Sportart weltweit steht der Hobbyathlet mit der Weltspitze am selben Start. Auch hier werden (persönliche) Rekorde aufgestellt und Lebensziele erreicht.
Wien-Rekorde
Die schnellste Zeit in Wien stellte 2014 der Äthiopier Getu Feleke auf (2:05:41). Den Streckenrekord der Frauen hält seit dem Vorjahr die Kenianerin Vibian Chebkirui (2:20:59)
Weltrekord
Der Kenianer Eliud Kipchoge hält seit 2018 den offiziellen Marathon-Weltrekord (2:01:39), aufgestellt in Berlin.
Der Olympiasieger lief am 12. Oktober 2019, bei einem eigens geschaffenen Event in Wien, unter perfekten Bedingungen als erster Mensch eine Marathon-Distanz in weniger als zwei Stunden (1:59:40,2)
40.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen
Läufer und Läuferinnen aus mehr als 100 Nationen nehmen am Sonntag an den Bewerben im Rahmen des 40. Vienna City Marathon teil. Davon gut 9.000 über die Marathon-Distanz
Favoriten
Gemessen an der persönlichen Bestzeit (2:05:48 /Europarekord) müsste der Norweger Sondre Moen als erster Sieganwärter gehandelt werden. Nach einer OP peilt er aber 2:09 an (WM-Limit). Bei den Lokalmatadoren Andreas Vojta und Julia Mayer geht es dezidiert um österreichische Rekorde
Auch hier setzen manche auf mentales Training wie die Weltbesten. "Als Athlet bereitet man sich nicht auf ein optimales Rennen vor, sondern auf mögliche Szenarien, die den Lauf erschweren könnten: Motivationslöcher, Schmerzen, Krämpfe, Müdigkeit", erklärt Mentalcoach Wolfgang Seidl. Und: "Wenn es anstrengend wird, ist der Muskel meist noch nicht am Limit, aber er sendet zum Schutz schon vorab Signale an den Kopf." Eine gängige Weisheit im Mentaltraining: "Der Kopf gibt zuerst auf."
Schmerzen während des Laufes "sind oft temporär", weiß der Experte. Wichtig sei es, den Schmerz zu "akzeptieren", sich auf Positives zu fokussieren. Etwa die aufrechte Körperhaltung, die Atmung oder den Armschwung.
Oft hilft auch ein einfaches Lächeln. Studien haben bewiesen, dass der Körper dabei Endorphine ausstößt – die man zum Durchhalten über die 42,195 Kilometer dringend brauchen kann.
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