US-Herren-Tennis: Hoffnung im Land der begrenzten Möglichkeiten
Fast ein bisserl wehmütig könnte man werden, wenn man auf die Tennis-Geschichte blickt. Die USA beherrschten den Sport wie kaum eine andere Nation, die Überlegenheit nahm zuletzt in den 1990er-Jahren bedrohliche Ausmaße für die Konkurrenz an. Von 1992 bis 1995 gab es durchgehend je drei US-Titel bei den vier Grand-Slam-Turnieren, die Herren Andre Agassi, Pete Sampras und Jim Courier waren stets dabei, wenn die großen Triumphe ausgeschnapst wurden.
Vor genau 25 Jahren standen beispielsweise fünf Amerikaner unter den besten Elf der Welt (siehe unten), nun ist mit John Isner der Beste die Nummer 19. Der 2,08-Meter-Mann darf mit 34 Jahren jedoch nicht zu den großen Zukunftshoffnungen gezählt werden.
Während bei den Damen mit der 15-jährigen Cori Gauff schon eine legitime Nachfolgerin von Superstar Serena Williams in den Startlöchern steht, herrscht bei den Herren Tristesse. Der letzte Landsmann, der Nummer eins war und ein Grand-Slam-Turnier gewann, war Andy Roddick. Dieser führte bis zum 1. Februar 2004 13 Wochen das Ranking an, auch, weil er 2003 die US Open gewonnen hatte.
Vier Mal stand Roddick danach noch in einem Grand-Slam-Endspiel, scheiterte aber jeweils an Roger Federer, an dessen Vormachtstellung er zerbrach. 2009 war er auch der bisher letzte US-Profi, der das Finale eines Grand-Slam-Turniers erreichte. Gegenwärtig stehen acht US-Spieler in den Top 100 – als 1973 die Weltrangliste eingeführt wurde, waren es 23, 1984 waren es sogar 43. Was aber noch mehr schmerzt, ist die Abwesenheit von der Weltspitze.
Nachlässigkeiten
Die Krise ähnelt jener der Schweden, die mit Michael Ymer seit Langem wieder einen Top-100-Spieler haben. „Man hat sich zu sehr auf dem Erfolg ausgeruht und dachte, es geht immer so weiter“, sagt Jim Courier, heute TV-Kommentator.
Ein Grund für die Krise ist auch die Verlangsamung der Plätze. Die Europäer haben sich auf dieses Spiel besser eingestellt. „In den USA wird zu wenig auf Sand gespielt. Die Kids werden nicht so gut ausgebildet wie der Nachwuchs in Europa, der nur auf Sandplätzen trainiert“, sagt Courier. In der Tat: Technik, Beinarbeit und Taktik können auf Sand effektiver trainiert werden, hier haben die Amerikaner viel versäumt. In den USA gibt es fast nur Hartplätze, auf diesen wird fast ausschließlich monotones Power-Tennis gelehrt. „Da bleiben Finesse und Geduld auf der Strecke“, erklärt der 49-Jährige.
Hoffnungsschimmer
Vor zwei, drei Jahren erkannte dies auch der US-Verband, der viel Geld in die Hand nahm, um es in den Nachwuchs zu stecken. Erste Erfolge stellten sich ein: Spieler wie Taylor Fritz, Reilly Opelka (beide 22) oder Frances Tiafoe (21) haben sich als Zukunftshoffnungen einen Namen gemacht. Und bei den Australian Open klappt es dieser Tage auch nicht schlecht, Fritz steht noch im Bewerb, Tommy Paul, ebenfalls 22, warf gestern in der zweiten Runde den Bulgaren Grigor Dimitrow aus dem Bewerb. Auch die reiferen Jahrgänge ziehen mit. Tennys Sandgren, 28, schlug den italienischen Top-Ten-Spieler Matteo Berrettini und trifft in Runde drei auf Landsmann Sam Querrey, 30. Im Gegensatz zu den US Open 2019 steht damit fix ein US-Spieler im Achtelfinale.
Ein kleiner Lichtblick nach den tristen Jahren. Für das Land der zuletzt begrenzten Möglichkeiten.
Die besten fünf US-ProfisWeltrangliste am 23. Jänner 1995
1. Pete Sampras (USA)
2. Andre Agassi (USA)
3. Boris Becker (Deutschland)
6. Michael Chang (USA)
10. Todd Martin (USA)
11. Jim Courier (USA)
Weltrangliste am 20. Jänner 2020
1. Rafael Nadal (Spanien)
2. Novak Djokovic (Serbien)
3. Roger Federer (Schweiz)
19. John Isner (USA)
34. Taylor Fritz (USA)
38. Reilly Opelka (USA)
45. Sam Querrey (USA)
50. Frances Tiafoe (USA)
Quelle: www.atptour.com
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