Tour de France: Pogacar stürzt, Vingegaard baut den Vorsprung aus

Souveräne Vorstellung: Jonas Vingegaard
Der Titelverteidiger verliert 1:04 Minuten auf den Dänen, der vor den letzten drei Etappen 3:26 Minuten Vorsprung hat.

Viele Wege führen vom Wallfahrtsort Lourdes nach Hautacam, und natürlich hat die Amaury Sport Organisation um Tourdirektor Christian Prudhomme auch bei der 109. Frankreich-Rundfahrt nicht die Luftlinie (13,9 Kilometer) oder die kürzeste Straßenverbindung (27,6 Kilometer) gewählt, sondern mit Col d’Aubisque und Col de Spandelles je einen Pass der höchsten und der ersten Kategorie als Umweg gewählt.

Die 143,5 Kilometer in den Pyrenäen am Donnerstag waren die letzte Chance für den zweifachen Titelverteidiger Tadej Pogacar, den führenden Dänen Jonas Vingegaard noch in den Bergen aus dem Gelben Trikot zu entfernen. Nachdem das Unternehmen am Mittwoch nur mit vier Sekunden Zeitgewinn dank Gutschriften für den Sieg im Zielsprint geendet hatte, war der Plan klar.

Neu war er nicht: Im Duell zweier durch Corona und Verletzungen dezimierter Teams konnte es für Pogacars Emirates nur darum gehen, abermals volle Attacke zu fahren und zu hoffen, dass der Rivale von Jumbo-Visma doch einmal Wirkung zeigt. Der Haken: Noch immer waren 2:18 Minuten aufzuholen.

Doch wie das so ist mit Plänen: Bei Kilometer null attackierte Vingegaards Sprint-Ass Wout van Aert und gab das Tempo vor, nach elf Kilometern musste Pogacars Helfer Mikkel Bjerg passen, bald fiel auch Marc Hirschi zurück und wie schon am Mittwoch war der Amerikaner Brandon McNulty der einzige verbliebene Teamkollege.

Tour de France: Pogacar stürzt, Vingegaard baut den Vorsprung aus

Bemüht, aber nicht stark genug: Tadej Pogacar mit Jonas Vingegaard im Schlepptau

Angriff auf Angriff

Eine 22-köpfige Spitzengruppe um Van Aert und den Niederösterreicher Patrick Konrad (Bora-hansgrohe) bildete sich und lag bis zu vier Minuten vor den Favoriten. Im Anstieg zum Col de Spandelles – erstmals im Programm der Tour – übernahm McNulty erneut die Führungsarbeit in der Favoritengruppe und reduzierte nach und nach den Rückstand. Sechs Kilometer vor der Passhöhe trat dann Pogacar auf den Plan – und Jonas Vingegaard fuhr mit. Im Schlepptau: sein Teamkollege Sepp Kuss, auch er ein Bergspezialist aus den USA.

39 Kilometer blieben dem Slowenen, um eine Entscheidung zu erzwingen. Attacke folgte auf Attacke, doch Pogacar wurde den Rivalen nicht los. In der letzten Abfahrt stürzte Pogacar, Vingegaard blickte nach hinten, kam selbst beinahe zu Fall, wartete – und dann man reichte einander die Hände.

Sepp Kuss kam zurück und schleppte Vingegaard und den angeschlagenen Pogacar gen Hautacam hinauf, 5,2 Kilometer vor dem Ende war Van Aert eingeholt. Wenig später ging Pogacar die Kraft aus, auch Van Aert konnte nicht folgen. Der Rest war eine Triumphfahrt: Der Vorjahreszweite hat nun 3:26 Minuten Vorsprung.

Nach einer Flachetappe am Freitag wird nun die Entscheidung im langen, hügeligen Zeitfahren am Samstag fallen. Doch auch hier hat Jonas Vingegaard alle Vorteile auf seiner Seite.

"Es ist unglaublich. Heute Morgen habe ich zu meiner Freundin und meiner Tochter gesagt, dass ich für sie gewinnen will", sagte Vingegaard. "Es war unglaublich hart. Aber ich bin wirklich, wirklich glücklich, dass ich gewinnen konnte. Nur: Es sind noch zwei Tage, bis wir nach Paris kommen, da müssen wir wachsam bleiben." Der Dank galt den Teamkollegen, denn "ohne sie hätte ich das heute nie schaffen können. Sie haben eine unglaubliche Leistung erbracht, allen voran Wout."

18. Etappe (Lourdes–Hautacam, 143,2 km): 1. Vingegaard (DEN) Jumbo-Visma 3:59:50, 2. Pogacar (SLO) Emirates +1:04, 3. Van Aert (BEL) Jumbo-Visma +2:10, 4. Thomas (GBR) Ineos +2:54, 5. Gaudu (FRA) Groupama-FDJ +2:58, 6. Luzenko (KAZ) Astana +3:09, 7. Martinez (COL) Ineos gl. Zeit, 8. Kuss (USA) Jumbo-Visma +3:27, 9. Wlasow (RUS) Bora-hansgrohe +4:04, 10. Pinot (FRA) Groupama-FDJ +4:09, 18. Mühlberger (AUT) Movistar +7:23, 22. Konrad (AUT) Bora-hansgrohe +10:02, 35. Schönberger (AUT) B&B Hotels-KTM +17:14, 88. Großschartner (AUT) +32:23, 118. Haller (AUT) beide Bora-hansgrohe +34:59.

Gesamt: 1. Vingegaard 71:53:34, 2. Pogacar +3:26, 3. Thomas +8:00, 4. Gaudu +11:05, 5. N. Quintana (COL) Arkéa-Samsic +13:25, 6. Meintjes (RSA) Intermarché–Wanty-Gobert +13:43, 7. Wlasow +14:10, 8. Bardet (FRA) DSM +16:11, 9. Luzenko +20:09, 10. A. Yates (GBR) Ineos +20:17, 17. Konrad +51:38, 30. Mühlberger +1:53:17, 37. Schönberger +2:11:12, 54. Großschartner +2:50:48, 86. Haller +3:42:37.

Freitag: Castelnau-Magnoac–Cahors (188,3 km).

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