Magere Zeiten im Hochgebirge

Zwei Welten: Dem Fan ist erlaubt, was dem Radprofi des Erfolgs wegen versagt bleibt – Essen nämlich.
Christopher Froome fährt auch wegen seiner Sport-Diät im Gelben Trikot des Gesamtführenden.

Nicht nur die Luft wird immer dünner, seit die Tour de France am Mittwoch in die Alpen eingebogen ist – auch die Radsportler werden es. Schlag nach beim Mann im Gelb: Christopher Froome steht schon seit Längerem unter Beobachtung, scheint er doch von Jahr zu Jahr immer mehr abzunehmen.

Inzwischen hält der 30-jährige Brite mit den dünnen Armen und Beinen bei einer Körpergröße von 1,86 Metern bei nur 67,5 Kilo, was dem unteren Ende des Normalbereichs des Body Mass Index (BMI) entspricht. Sein Körperfettanteil beträgt rund 4,5 Prozent. Erinnerungen an die Skispringer der Jahrtausendwende werden wach, als Strandbilder des Deutschen Sven Hannawald erst für Entsetzen und dann für Regeländerungen sorgten: Je leichter der Athlet, desto kürzer der Ski, heißt es seither – der Gewichtsvorteil soll kompensiert werden, Ziel ist ein gesünderes Verhältnis zwischen Größe und Gewicht.

Längst haben die Verantwortlichen im Radsport erkannt, dass leichte Athleten die Bergpässe leichter erklimmen können. Und längst kochen die Teams nicht nur ihr eigenes Essen (das deutsche Team Bora hat gar seinen eigenen Koch-Truck dabei), sondern setzen auch auf die Ernährungswissenschaft.

Bei einem Kalorienverbrauch von bis zu 10.000 Kalorien je Etappe bleibt es jedoch schwierig, die Energie nur durch Essen wieder aufzunehmen: Trotz Energieriegeln, -gels und -getränken steht am Ende einer Tour de France ein Verlust von 1,5 Kilo Körpergewicht und einem Prozent Körperfett.

Winterspeck ade

In den Monaten vor der Tour stehen Ökonomisierung des Stoffwechsels und Gewichtsreduktion im Vordergrund. Lange Einheiten werden gefahren, die Energiezufuhr jedoch wird gedrosselt. Freilich ist die Sport-Diät nicht auf die Saison beschränkt: Froome und Kollegen nehmen auch in den Wintermonaten kaum mehr als ein Kilogramm zu.

Warum? Jedes Kilogramm zu viel kostet ein bis eineinhalb Prozent an Zeit in den Anstiegen. Ein idealer BMI für erfolgreiche Bergfahrten liegt durchaus bei 19 bis 21, jedoch würde ein Wert unter 19 wohl zu einem Leistungsabfall führen.

Doch nicht nur Christopher Froomes Aussehen sorgt für Wirbel: Nach seinem Sieg in den Pyrenäen am Dienstag vor einer Woche behauptete der französische Physiologe Pierre Sallet, der Sky-Vorfahrer habe im Schlussanstieg eine Leistung von 7,04 Watt pro Kilo Körpergewicht erbracht. Stimmt nicht, entgegneten Athlet und Team – Sallet habe seine Berechnungen mit 71 Kilo vorgenommen, tatsächlich wiegt Froome nur 67,5 Kilo.

Deswegen habe die Leistung auch nur 5,78 W/kg betragen. Zudem war Froome nicht mit einem runden, sondern mit einem ovalen großen Zahnrad unterwegs. Kraftersparnis: sechs Prozent.

Nun brachte der belgische Radsport-Trainer Paul van de Bosch Ketone ins Spiel. Die stehen zwar nicht auf der Dopingliste, sind aber "Stoffwechselprodukte, die entstehen, wenn Fette verbrannt werden. Sie helfen, Zuckerdepots aufzubauen, die bei Dauerbelastung des Muskels von Vorteil sind", erklärte der deutsche Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel der dpa.

Fernanalysen

"Ich musste erst einmal googeln, was das ist", sagte Chris Froome, "ich bin zu 100 Prozent sicher, dass niemand in unserem Team so etwas benutzt." Zumal die in der Bodybuilderszene verbreiteten Präparate sauteuer sind: Bis zu 2900 Euro sind pro Liter Keton-Getränk zu zahlen.

Der Schweizer Blick wiederum glaubt vom Gebrauch von Aicar zu wissen, auch den Wirkstoff dieses Aufputschmittels (GW1516) kann der Körper selbst herstellen. Die Substanz sorgt für stärkeren Muskelaufbau und schnellen Fettabbau. Und: Sie ist (noch nicht) nachweisbar.

Christopher Froome war’s einerlei, er verteidigte auf den 161 Kilometern von Digne-les-Bains nach Pra Loup sein Gelbes Trikot souverän. Pech hatten der Amerikaner Tejay van Garderen (der drittplatzierte BMC-Profi musste am dritten Berg des Tages krank vom Rad steigen) und der fünftplatzierte Spanier Alberto Contador, der in der Abfahrt vom Col d’Allos stürzte, lange warten musste, bis er ein neues Rad bekam und weitere zwei Minuten auf Froome verlor.

Den Tagessieg holte sich der Deutsche Simon Geschke (Giant), der Wahl-Freiburger aus Berlin, der 2014 den GP Aargau gewonnen hat.

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