Als ein österreichischer Super-Bowl-Sieg dem KURIER 18 Zeilen wert war
Aktuell übertragen Puls4, Pro7 und DAZN Football aus den USA. Vor genau 50 Jahren aber herrschte Mattscheibe, und die sporthistorische Leistung eines Ex-Rapidlers war dem KURIER nur mickrige 18 Zeilen wert.
Toni Fritsch hatte als erster Österreicher den Super Bowl gewonnen. Im American Football. In einem Finale, das schon damals höchsten Stellenwert jenseits des Atlantiks besaß.
Fritsch, der als ein von Petronell zum Rapid-Nachwuchs gekommener Waisenbub oft auf der Massagebank in Hütteldorf genächtigt hatte, durfte als Freekicker die Dallas Cowboys bis ins Endspiel schießen und dort ein 24:3 über die Miami Dolphins bejubeln.
Aus Wembley-Toni wurde Texas-Tony. Nur mit dem Unterschied, dass Fritsch seine zwei Tore beim 3:2-Sieg im Londoner Freundschaftsspiel gegen England (1965) bloß in Österreich Popularität beschert hatten. In den USA hingegen machte ihn der Erfolg mit dem Eierlaberl so bekannt, dass er in nordamerikanischen Sendern nationswide zur dollarträchtigen Werbefigur wurde.
Mit derselben Schusskraft, die in Österreich wiederholt eher belächelt worden ist, wenn er den Ball von einem Eckfahnl zum anderen gedroschen hatte, wurde er in den USA zur Sensation. Mit der sich auch ein schlitzohriger Manager namens Bob Kap (vormals Kaperovic) zu dessen beträchtlichem finanziellen Vorteil brüstete. Kap hatte Fritsch in Wien entdeckt. Und später noch den ehemaligen Teamverteidiger Toni Linhart (Sport-Club, Vienna) zu den Baltimore Colts gebracht.
Fritschs frühere Rapid-Kollegen vermuteten – worunter Toni litt – maßlose Übertreibungen. Die Wiener Medien verweigerten wegen vermeintlicher Münchhausen-Storys Dienstreisen zum Super-Bowl-Champion. Worauf ich Monate später meinen ersten US-Flug selbst finanzierte. Toni dankte es mir, indem er mich in Dallas als seinen besten Freund vorstellte und ich mit dem Privileg belohnt wurde, ein Match unmittelbar hinter der Spielerbank der Cowboys stehend miterleben zu dürfen. Während 60.000 – unter ihnen der spätere US-Präsident Gerald Ford – im Texas-Stadium der Cowboys-Auftritt von den Tribünensitzen riss.
Als sich abzeichnete, dass Fritsch für ein Field Goal benötigt und bald eingetauscht werden würde, drehte sich Toni um und sagte: „Pass auf, jetzt hau ich’s denen glei wieder eini, die Blunz’n.“ Gesagt, getan.
Little Tony genoss in Texas zuweilen mehr Beliebtheit als Mitspieler, die ihn um 30 Zentimeter überragten. Oder die viel schneller waren als er. Allen voran 100-Meter-Olympiasieger Bob Hayes, der in der Kabine stets Tonis Sitznachbar war.
Der Karriereknick erfolgte, als Fritsch siegestrunken in einen Autounfall verwickelt wurde, bei dem eine Frau ums Leben kam. Obwohl der Lenker des anderen Autos eine Stopptafel übersehen hatte, wurde Fritsch zu einer hohen Geldstrafe verdonnert. Zudem musste Fritsch in Schulen Vorträge halten und sich als reuiger Sünder präsentieren, der in seiner Vorbildwirkung versagt hatte.
Fritsch wechselte zu den Oilers nach Houston, wo George Foreman vom Nachbarn zum Freund wurde. Toni zuliebe kam der ehemalige Boxweltmeister im Schwergewicht auch nach Wien. Auch aus gemeinsamen geschäftlichen Gründen.
Steaks und Anabolika
Fritsch pendelte zwischen Houston und Wien, ließ Texas-Steaks importieren. Diesen Steaks, behauptete Fritsch, verdanke er seine gewaltige (auf nur 170 Zentimeter Körpergröße verteilte) Muskelmasse. Was er nicht sagte bzw. nicht sagen durfte: Dass Anabolika-Schlucken zumindest zu aktiven Freekicker-Zeiten von Fritsch im Pro-Football mehr Kavaliersdelikt als Sünde war. Eine mit zuweilen fatalen Spätfolgen.
Toni Fritsch wurde nur 60 Jahre alt. Er hatte sich am Vortag des Wiener Champions-League-Spiels Rapid – Bayern München (September 2005) im Rapid-Sekretariat noch eine Karte besorgt. Als er kurz später auf der Hütteldorfer Straße aus dem Auto stieg, hörte sein Sportlerherz für immer zu schlagen auf.
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