Thiem vor Finale heute: "Habe die Waffen, um ihm wehzutun"

Dominic Thiem (links) fordert den großen Dominator Rafael Nadal
Im Showdown (15 Uhr) ist der zehnfache Paris-Champion Rafael Nadal der Favorit, doch für Dominic Thiem zählt nur der Titel.

Traumfinale?

Zumindest ist es nicht nur mit der rot-weiß-roten Brille betrachtet ein heiß ersehnter Showdown, der heute die wohl besten Sandplatzspieler auf dem größten aller Sandplätze zusammenführt.

Dominic Thiem ist der einzige Spieler, der Rafael Nadal heuer und im vergangenen Jahr auf dessen Lieblingsbelag besiegt hat. „Ich muss meine Topleistung abrufen, damit ich eine Chance habe“, sagt der Herausforderer aus Niederösterreich, der gestern mit einem jungen Franzosen trainierte, der wie Nadal Linkshänder ist und extremen Top-Spin spielt.

Dennoch ist klar, dass der Favorit im heutigen Schlussakt der French Open 2018 (15 Uhr/live ORF 2, Eurosport) nicht aus Lichtenwörth kommt.

Thiem vor Finale heute: "Habe die Waffen, um ihm wehzutun"

Thiem schlägt heute um 15 Uhr auf

Der Favorit

Seit dem Bestehen der French Open, seit 1891, gab es keine vergleichbare Dominanz. Rafael Nadal schaffte es bei diesem historischen Turnier in Paris, Geschichte zu schreiben. Der Spanier leitete 2005 mit seinem ersten Triumph in Roland Garros ein neues Zeitalter in Sachen Sandplatz-Tennis ein: Seit damals, seit seinem ersten Start in Paris, hat der mittlerweile 32-Jährige 97,7 Prozent seiner Spiele gewonnen. 85:2 lautet die famose Bilanz, die zu zehn Triumphen im Südwesten von Paris geführt hat – kein anderer Spieler konnte ein Grand-Slam-Turnier so oft gewinnen.

Nur zwei Mal ging Nadal als Verlierer vom Pariser Platz: 2009 im Achtelfinale gegen den Schweden Robin Söderling und 2015 im Viertelfinale gegen den Serben Novak Djokovic. 2016 konnte der Ballermann aus Mallorca wegen Handgelenksproblemen nicht zu seinem Drittrundenspiel gegen seinen Landsmann Marcel Granollers antreten.

Seitdem hat er in 13 Spielen einen einzigen Satz verloren. Ronnie Leitgeb sagte einmal: „Er ist die Weiterentwicklung von Thomas Muster.“ Und diese Weiterentwicklung strafte alle Kritiker Lügen, die gelegentlich behaupteten, Rafael Nadals Zeit sei vorbei. „Er spielt jede Partie so, als wäre es ein Grand-Slam-Finale. Phänomenal, wie sehr er sich immer wieder pusht“, sagt Thiem-Trainer Günter Bresnik.

Selten sah man den Spanier aber über einen Gegner so respektvoll reden wie über seinen heutigen Finalgegner Dominic Thiem. „Ich muss wirklich sehr gut spielen, um den Titel zu holen. Vor allem hier in Paris ist Dominic immer sehr gefährlich.“

Muster-Schüler Thiem

Für Thomas Muster hat Thiem sein hochgestecktes Ziel erreicht, der Rest sei Draufgabe. Damit kann der 24-Jährige freilich nichts anfangen: „Es war ein tolles Turnier. Aber sollte ich das Finale verlieren, wäre das sehr bitter.“ Der French-Open-Champion von 1995 spricht über die bisherige Leistung von Thiem bei den French Open 2018: „Er hat das ganze Turnier auf sehr hohem Niveau gespielt. Das ist  nicht überraschend für mich gekommen, denn ich habe von Anfang an gesagt, dass ihm hier sehr viel zuzutrauen ist. Auch die Auslosung war günstiger als noch bei den Turnieren in Rom oder Madrid. Er hat diese Chance perfekt genutzt und läutet  den Generationswechsel im Herren-Tennis ein.“

Thiem vor Finale heute: "Habe die Waffen, um ihm wehzutun"

Thomas Muster und Dominic Thiem in Wien 2011

Der 50-jährige Steirer sagt über das Finale: „Thiem hat sein hochgestecktes Ziel erreicht, der Rest ist Draufgabe. Natürlich ist es ihm zu wünschen, dass er gewinnt, aber sollte es heuer nicht passieren, dann wird es eben nächstes Jahr so weit sein. Es ist nun einmal Tatsache, dass Dominic sein größtes Potenzial auf Sand hat. Wenn man sich Rafael Nadal wegdenkt, dann ist er unumstritten die Nummer eins auf diesem Belag. Seine Leistungen sind natürlich gut für das österreichische Tennis und vor allem auch für die beiden Herren-Turniere in Wien im Oktober und in Kitzbühel Ende Juli.“

Das Finale als Etappenziel

Wer Thiem kennt, weiß, dass er kaum zufrieden ist. Weil er weiß, dass Zufriedenheit ein schlimmer Ratgeber ist, der mit einem Ausruhen verbunden ist. Dass mit Nadal ein ganz Großer sein Gegner ist, weiß er ja eh. „Ein unglaublicher Sportsmann, der hier Sensationelles geleistet hat. Dennoch spielt man kein Match, um es zu verlieren.“

Dominic Thiem nennt die Gründe, die ihn zum zweiten österreichischen French-Open-Sieger nach Thomas Muster machen könnten: „Ich habe die Waffen, um ihm wehzutun. Das habe ich heuer in Madrid und im Vorjahr in Rom bewiesen.“ Die Waffen? „Ich muss volles Risiko gehen, wie in den anderen Partien auch. Und darf mir nur wenige Fehler erlauben, aber bisher hat das sehr gut im Verlauf des Turniers geklappt.“ Und es klappt auch im Training, wovon sich gestern spanische Journalisten überzeugen konnten. „Rafa wird Eier brauchen, um Thiem zu schlagen“, sagt einer.

Auch mit dem Centre Court Philippe Chatrier hat Österreichs Topmann seinen Frieden geschlossen, nachdem er vor diesem Turnier erst zwei Mal dort gespielt hat und jeweils ohne Satzgewinn gegen Nadal geblieben war. „Seit meinem Sieg im Achtelfinale gegen Kei Nishikori fühle ich mich dort aber sehr wohl.“

Jetzt zählen nur der Titel, die 2,2 Millionen Euro Preisgeld plus 2000 Ranglisten-Punkte (Thiem wird in jedem Fall Siebenter am Montag sein). „Stolz und zufrieden bin ich erst, wenn Dominic das Finale gewinnt“, sagt Günter Bresnik. Sein Schützling weiß: Er kann am 10. Juni ein Stück österreichische Sportgeschichte schreiben.

Rafael Nadal                                                           Dominic Thiem
Nummer 1                         Weltrangliste                      Nummer 8
98 Millionen                      Preisgeld in Euro               11,1 Millionen
78                                    ATP-Turniersiege                           10
16                               Grand-Slam-Turniersiege                     –
270 Spiele/236 Siege   Grand-Slam-Matches             60 Spiele/43 Siege
87 Spiele/85 Siege     French-Open-Matches            22 Spiele/18 Siege
6 Siege                            Direktes Duell                            3 Siege

Die Duelle 2018: Monte Carlo (Semifinale): Nadal siegte 6:0, 6:2.
 Madrid (Viertelfinale): Thiem siegte 7:5, 6:3.

Der Weg ins Finale:
Nadal, 1. Runde: Bolelli (ITA) 6:4, 6:3, 7:6 (9). 2.R.:  Pella (ARG) 6:2, 6:1, 6:1. 3.R.: Gasquet (FRA/27) 6:3, 6:2, 6:2. Achtel:  Marterer  (GER) 6:3, 6:2, 7:6 (4). Viertel: Schwartzman (ARG/11) 4:6, 6:3, 6:2, 6:2. Semi: Del Potro (ARG/5) 6:4, 6:1, 6:2.
Thiem, 1.R.: Iwaschka (BLR) 6:2, 6:4, 6:1. 2.R.: Tsitsipas (GRE) 6:2, 2:6, 6:4, 6:4. 3.R.: Berrettini (ITA) 6:3, 6:7 (5), 6:3, 6:2.
Achtel: Nishikori (JPN/19) 6:2, 6:0, 5:7, 6:4. Viertel: A. Zverev (GER/2) 6:4, 6:2, 6:1. Semi: Cecchinato (ITA) 7:5, 7:6 (10), 6:1.

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