Historischer Titel: Wie Altstar Nadal Federer und Djokovic übertrumpfte

"Vor eineinhalb Monaten wusste ich nicht, ob ich überhaupt auf diesem Level spielen kann."
Ein Satz, der die Emotionalität dieses Triumphes am ehesten beschreiben könnte. Wenn es überhaupt irgendetwas gibt, was diesen Moment in dieser Sonntagnacht in Melbourne überhaupt beschreiben kann.
Doch, eine nackte Zahl kann es: 21!
Rafael Nadal hat sich bei den Australian Open zum Rekordchamp bei Grand-Slam-Turnieren gekürt, der Mallorquiner lässt damit den heimgeschickten Novak Djokovic und Roger Federer (je 20), der umgehend gratulierte, hinter sich. "Vor ein paar Monaten haben wir noch darüber gescherzt, dass wir beide auf Krücken gehen. Beeindruckend. Unterschätze niemals einen großen Champions", schrieb Federer, "Ich bin stolz, diese Ära mit dir zu teilen und eine Rolle dabei zu spielen, dich ständig zu pushen."
In packenden, teilweise hochklassigen 5:24-Stunden-Match schlug der 35-jährige unter dem Beifall der Fans den Russen Daniil Medwedew mit 2:6, 6:7, 6:4, 6:4 und 7:5. 13 Jahre nach seinem ersten Australian-Open-Sieg, 17 Jahre nach seinem ersten Grand-Slam-Titel in Paris. Ein Spieler für eine (Tennis-)Ewigkeit.
Dabei ist der Rekordmann mit eher überschaubaren Erwartungen nach Melbourne gereist, nicht nur weil er im Dezember eine Corona-Infektion überstehen musste, sondern weil ihm eine Fußverletzung stark zusetzte, die ihn im vergangenen Jahr schon Anfang August zum Saisonende zwang.
Insgesamt spielte er 2021 nur sieben Turniere. Als er im Juni bei seinen geliebten French Open im Halbfinale gegen Novak Djokovic verlor, stellten sich selbst die Tennis-Experten die berühmte "War’s das?"-Frage.
Emotionaler Sieg
Zumindest keimte bei seinen eingefleischten Fans Hoffnung auf, dass es wieder ganz gut laufen würde, als Nadal Anfang Jänner ein Vorbereitungsturnier gewann. Allerdings gegen Gegner, die nicht ganz seine Kragenweite sind. Dass er seinen zweiten Australian-Open-Titel gewinnen kann, glaubte nicht einmal er selbst. "Deshalb ist es einer meiner emotionalsten Titel, einer meiner größten Siege."
Ein Sieg, den er sich hart erarbeiten musste. Indem er Tugenden zeigte, die seine Karriere prägen, aber auch Tugenden, die von einer Weiterentwicklung zeugen.

Im zweiten Satz vergab er bei eigenem Aufschlag einen Satzball, verlor den Durchgang und fiel dennoch nicht zurück. Vor allem zeigte er ein anderes Gesicht, einen anderen Nadal. Während er vor allem bei den French Open den Gegnern sein Spiel aufzwingt, versuchte er an diesem Sonntag mit den Schwächen des Gegners zu spielen, lockte Medwedew beispielsweise immer wieder ans Netz vor, wo sich dieser weniger wohlfühlt.
Die Rechnung ging auf, auch, weil er es selbst nie tat in diesem Match, weil er auch hier ein Comeback schaffte. Als siebenter Spieler in der Profi-Ära (seit 1968) schaffte er deshalb, in einem Major-Finale einen 0:2-Satzrückstand aufzuholen (Dominic Thiem gelang dies bei den US Open 2020).
Es hatte Symbolcharakter, als er gestern bei der Siegerehrung auf die Uhr sah. So sagte er erst vor wenigen Wochen: „Ich werde nicht mehr viele Comebacks schaffen.“ Deshalb sagt er auch bewusst in Richtung Medwedew: „Du wirst diesen Pokal auch einmal in die Höhe stemmen. Und nicht nur diesen Pokal.“

Bitte warten
Der 25-jährige Russe wiederum vergab die Chance, als erster Spieler in der Profi-Ära seinem ersten Grand-Slam-Titel schon im nächsten Versuch seinen zweiten folgen zu lassen. Im September hatte der 25-Jährige bei den US Open Novak Djokovic geschlagen und damit den Grand Slam des Serben verhindert. Mit einem Sieg am Sonntag hätte er fix am 21. Februar Djokovic als Nummer eins ablösen können, eine Woche später ist das theoretisch auch möglich.
Dass Nadal im Ranking Fünfter bleibt, bleibt nebensächlich. Er hat den Sprung ins Rekordbuch geschafft – und einmal mehr jenen in die Herzen der Fans.
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