Doping-Causa Sinner: Ein Freispruch, der viele Fragen und heftige Kritik aufwirft
Der Fall Jannik Sinner wirft mittlerweile mehr Fragen auf, als beantwortet werden. Der Weltranglisten-Erste wurde bekanntlich im März zweimal positiv auf das verbotene Steroid Clostebol getestet und nun von einer Schuld aber freigesprochen.
Die International Tennis Integrity Agency (ITIA) folgte mit der Verlautbarung vom Dienstag der Argumentation Sinners, dass die Substanz durch die von einem Teammitglied vorgenommene Behandlung einer Wunde am eigenen Körper übertragen worden sei. Der Betreuer habe Sinner im fraglichen Zeitraum massiert und therapiert. Passiert soll alles während des Masters in Indian Wells sein, die Punkte und das Preisgeld von diesem Turnier wurden dem Italiener gestrichen.
Nun gehen die Wogen hoch. Vor allem bei den Gegnern. Der Kanadier Denis Shapovalov verkündete in Sozialen Medien: „Unterschiedliche Spieler, unterschiedliche Regeln. Kann mir kaum vorstellen, wie sich andere Spieler jetzt fühlen, die wegen kontaminierter Substanzen gesperrt wurden.“ Auch Enfant terrible Nick Kyrgios verkündete: „Lächerlich – ob es nun versehentlich oder geplant war. Er sollte für zwei Jahre gesperrt werden.“
Der KURIER fragte beim Internationalen Tennisverband (ITF) nach. „Wir legen strikt Wert darauf, dass die ITIA eine unabhängige Instanz ist, die nichts mit dem Weltverband zu tun hat. Zuletzt hat sich die gesperrte Simona Halep oftmals beschwert, dass die ITF sie benachteiligt hätte, nur der Weltverband kann nichts dafür“, sagt Thomas Hammerl, Geschäftsführer des Europäischen Tennisverbandes. Der Österreicher weiß aber, „dass die ITIA sehr sorgfältig arbeitet, denn es kommt überaus selten vor, dass ein Profi freigesprochen wird. Sie müssen schon sehr von der Unschuld überzeugt gewesen sein.“
Olympia deshalb ausgelassen?
Dass Sinner die Nummer eins der Welt ist, sorgt freilich für einen schalen Beigeschmack. „Außenstehende können es nicht nachvollziehen. Aber freilich stellt sich die Frage, warum das so spät rauskommen kann, das ist rätselhaft“, fragt Trainer Günter Bresnik. „Oft kommen Leute unschuldig zum Handkuss, das könnte hier der Fall auch möglich sein. Sicherlich ist es auch von der Position abhängig. Vielleicht hat er auch deshalb nicht bei Olympia gespielt“, sagt Bresnik, der aber einräumt: „Im Endeffekt ist es sicherlich nichts Leistungsförderndes, von dem er profitieren hätte können.“
Ohne Namen zu nennen, hat die Vergangenheit schon oft bewiesen, dass der „Weiße Sport“ eine Zwei-Klassen-Gesellschaft darstellt. Die Frage, die sich stellt, ist freilich jene, warum Sinner die Halbfinal-Punkte von Indian Wells aberkannt wurden, wenn er unschuldig ist. Eine Frage, mit der sich in den nächsten Tagen laut KURIER-Informationen auch die Spielervereinigung ATP, die für die Punktevergabe zuständig ist, beschäftigen will.
Zumindest will die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) die Entscheidung „sorgfältig prüfen“. Man behalte sich das Recht vor, gegebenenfalls Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne einzulegen, erklärte die WADA. Ein schwedischer Dopingexperte sieht nämlich ein maßgebliches Problem: "Es ist so, wie wir es damals bei Therese Johaug gesagt haben. Die Menge, die sie damals im Urin hatte, war so gering, dass es nicht signifikant war. Aber es ist möglich, dass sie vier Monate zuvor eine gigantische Dosis erhalten hat, die dann wiederum einen riesigen Effekt gehabt hätte", sagt Ake Andren-Sandberg. Die Langläuferin Johaug wurde damals für 18 Monate gesperrt.
Eines ist gewiss: „Die Frage ist die, wie Sinner damit umgeht, wie die Gegner damit umgehen“, sagt Hammerl. Man wird es ab Montag bei den US Open sehen.
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