Antonitsch: "Man muss aufhören, zu sagen, 'schade, dass Thiem nicht mehr spielt'."

Tradition verpflichtet. In Kitzbühel ist nicht nur Österreichs größtes Sandplatz-Turnier, sondern mittlerweile ein richtiges Tennisfest entstanden. Mittendrin arbeitet ein Herr, der bereits sein 15. Jubiläum als Turnierdirektor beim Generali Open zelebriert.
Alexander Antonitsch ist nicht nur seit 2011 tonangebend beim Generali Open, sondern eine ehemalige Nummer 40 der Welt, Mitglied der Musketiere im Davis-Cup-Team, Herausgeber von tennisnet.com, Servus-TV-Kommentator und sowieso Experte für alles, was den Tennissport betrifft. Während die ersten Qualifikationsspieler über die Bühne gingen, sprach er mit dem KURIER über „sein“ Turnier, aber auch über Typen, die Vergangenheit und das Welttennis.
KURIER: Was hat sich seit 2011 geändert, als Sie das Zepter übernahmen?
Alexander Antonitsch: Das waren ganz andere Voraussetzungen damals. Man muss ehrlich sagen, dass es das Turnier ohne Herbert Günther und Markus Bodner vom Kitzbüheler Tennisclub nicht mehr geben würde. Mir haben damals viele abgeraten, es zu tun. Vor mir waren in fünf Jahren vier Turnierdirektoren am Werk, 2010 war das Turnier nur ein Challenger. Das Turnier stand vor dem Aus, es war ein heißes Risikospiel. Dann half auch Lizenzgeber Octagon. Man sprach damals schon von Nachhaltigkeit, nur hat’s keiner geglaubt. Es hat sich entwickelt. Als wir 2016 zum ersten Mal das Schild „Ausverkauft“ raus hängen durften, wussten wir, dass wir es geschafft haben. Heute ist es ein Event mit vielen Side Events geworden, der Zuschauer ist mittendrin statt nur dabei. Wir haben ein Family-Weekend mit Konzert der Sportfreunde Stiller bei Gratis Eintritt, Kids Day, Ladies Day, Generali Race für Hobbyspieler und so weiter. Seit 2022 gibt es auch ein Jugendturnier mit dem Namen „Kitz Rising“. Bei der ersten Ausgabe wurde der Bulgare Ivanov Dritter, nun gewann er gerade den Juniorenbewerb von Wimbledon.

Alex Antonitsch (r.) war gemeinsam mit Thomes Muster (l.) und Horst Skoff verantwortlich für das österreichische Davis-Cup-Wunder.
Vielleicht wird auch dieser ein Großer. Die Weltbesten waren ja allesamt da. Will man auch in Zukunft mit dieser Nachhaltigkeit punkten?
Wir haben nun Verträge mit Joel Schwärzler bis 2028 und dem deutschen Hoffnungsträger Justin Engel bis 2027 abgeschlossen. Ähnliches haben wir mit Carlos Alcaraz getan, der ebenso wie Jannik Sinner schon in Kitzbühel spielte. Nur bei Alcaraz war eben ein Passus mit einer Top-Ten-Regelung drinnen. Aber wir haben sehr früh auf Dominic Thiem gesetzt, der 2011 sein ATP-Debüt hier gab und uns mit einer Ausnahme immer treu geblieben ist.
Er und andere könnten in die Tennisfußspuren von Thiem steigen. Wie sehr fehlt der große Lokalmatador der vergangenen Jahre?
Ich brauche nicht zu sagen, wie gerne ich ihn noch gesehen hätte, wenn ich mir wesentlich ältere Spieler wie Marin Cilic oder Roberto Bautista Agut anschaue. Man muss irgendwann aufhören, zu sagen, ’schade, dass er nicht mehr spielt’. Vom Publikumszuspruch her fehlt er weniger, der Centercourt war noch nie so früh ausverkauft. Aber es geht natürlich nicht nur darum. Wir sind aber immer sehr happy, wenn wir weiter so starke Österreicher wie Filip Misolic oder Sebastian Ofner haben. Da geht es nicht nur um ein volles Haus. da geht es in erster Linie um die Stimmung, die vor allem Lokalmatadore erzeugen können. Und wichtig ist uns, dass in den nächsten beiden Jahren eine Woche zwischen Kitzbühel und dem Masters-Turnier in Kanada ist, das erhöht die Chance für ein noch stärkeres Starterfeld. Aber in erste Linie darf man nicht vergessen, dass Tennis extrem boomt. Wir hatten bei tennisnet.com zum Beispiel während Wimbledon im Vorjahr mehr als sieben Millionen Aufrufe. Mehr als zu Thiems großen Zeiten.

Fehlt Thiem in Kitzbühel?
Hilft es Ihnen, dass Sie auch am Court standen, dass sie ein Top-Profi waren, was die Beziehungen betrifft?
Für die Spielerverpflichtungen ist Octagon nach Absprache mit uns zuständig. Aber ich rede viel mit Spielern, aber noch mehr mit den Coaches, die ich auch aus meiner aktiven Zeit kenne und den Leuten hinter den Spielern. Ich kenne Darren Cahill, den Trainer von Sinner, gut, aber auch die Leute hinter Alcaraz. Und trotzdem kommt er nicht (lacht, Anm.). Aber ich kann auch mit Doppelspielern und Qualifikanten gut reden, weil ich aus meiner Zeit ihre Bedürfnisse kenne.
Sie haben mehrmals Sinner und Alcaraz erwähnt. Die beiden dominieren das Tennis nach Belieben. Gibt es für andere noch eine Chance?
Nach Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic, der noch immer spielt, hat keiner geglaubt, dass es so eine Dominanz geben würde. Deshalb kann es immer wieder passieren, dass andere Spieler nach vorne kommen. Aber natürlich sind die beiden faszinierend. Alcaraz kann einfach alles, und wie sich Sinner verbessert und immer weiter an seinem Spiel feilt, ist beeindruckend. Früher war das Netz für ihn eine Gefahrenzone, nun ist er beispielsweise auch in diesem Bereich gut.
Der Kasache Alexandre Bublik, der ja in Kitzbühel serviert, ist ein richtiger Typ. Fehlen mehr solche Leute?
Als Typ fällst du nicht auf, wenn du im Ranking auf Rang 70 stehst. Bublik hat nun sensationell gespielt, auch Sinner geschlagen. Er ist unglaublich talentiert, kann im hohen Tempo unglaubliche Bälle schlagen. Aber davon gibt es mehrere. Und auch Alcaraz ist ein Typ, man hat manchmal den Eindruck, dass er Bälle nur für das Publikum spielt.
Heute wirkt es fast so, als hätten sich alle lieb. Was hat sich verändert?
Wenn wir damals in fünf Sätzen verloren hätten, wären wir nie auf die Idee gekommen, den Gegner zu umarmen, wie es heute der Fall ist.
Heute sprechen viele, wie Alexander Zverev, über mentale Probleme. Gibt es schon zu viele Turniere?
Falsch, es gibt weniger Turniere als früher, nur die 1.000er dauern eben 12 Tage lang. Aber ich glaube, daran sind auch zum Teil die Sozialen Medien schuld und wie man lernt, damit umzugehen. Spieler mit echten psychischen Problemen brauchen definitiv professionelle Hilfe, aber die melden sich leider oft gar nicht oder zu spät.
Alexander Antonitsch: Der Kärntner (* 8. Februar 1966 in Villach) gewann ein Einzel-Turnier auf der ATP-Tour und holte vier Turniersiege im Doppel. Als bis dahin erster Österreicher kam er 1990 ins Achtelfinale von Wimbledon.
27 Mal spielte Alexander Antonitsch für das österreichische Davis-Cup-Team. 1990 verlor man erst im Halbfinale in Wien. Seit 2011 ist er Turnierdirektor in Kitzbühel.
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